Teil 2: Von 24. bis 26. August war es dieses Jahr wieder soweit. Der VDP lud rund 200 der weltweit wichtigsten Sommeliers, Publizisten und Weinexperten nach Wiesbaden ein, um sich ein Urteil über den neuen Jahrgang der Grossen Gewächse (GG) zu bilden. Dieses Jahr konnte ich zum zweiten Mal an allen drei Tagen probieren. 480 Weine galt es zu verkosten. 478 habe ich geschafft. Über meine Eindrücke und Einschätzungen zu den einzelnen Regionen sowie meinem Urteil zu den angestellten Burgundern und Silvanern werde ich in diesem Beitrag berichten. Meine Eindrücke zu den Rieslingen findest du hier.
Max Kaindl, 02. September 2025
Lesezeit etwa 10 Minuten
VDP.GROSSES GEWÄCHS®
Vorpremiere 2025 —
Burgunder und Silvaner

Spätburgunder, Chardonnay, Weißburgunder, Grauburgunder und Silvaner standen in Wiesbaden neben den Rieslingen ebenfalls auf dem Programm. Eine spannende Abwechslung, denn bislang hatte ich kaum die Gelegenheit, mich so intensiv durch die deutschen GGs abseits der mir so vertrauten Riesling-Welt zu probieren. Mit ordentlich Neugier im Gepäck begab ich mich am ersten Tag der Vorpremiere in Wiesbaden also auf Entdeckungsreise. Das Ziel: die großen und entdeckungswerten GGs abseits von Riesling zu finden.
Bevor es losgeht, ein kurzer Vermerk zur besseren Einordnung meiner Notizen. Verkostet habe ich – soweit möglich – blind. Ich kannte lediglich die zu verkostende Region, die Lage und die Flightnummer, jedoch nicht die Weine und Weingüter des einzelnen Flights. Bei den beschriebenen Weinen geht es mir nicht immer um die höchste objektive Bewertung sondern auch darum, ob mich ein Wein persönlich berührt hat. Gänsehaut-Feeling? Lagerfeuerstimmung? Oder einfach nur Pure Joy? Faktoren, die ich in meinen unten gelisteten persönlichen Highlights mit einbezogen habe.
Meine hier festgehaltenen Eindrücke können allerdings nur Momentaufnahmen abbilden, die entsprechend eingeordnet werden sollten. Sie ergeben vielmehr ein gesamtheitliches Bild aus vielen einzelnen Puzzleteilen. In meinem Fall: Das Bild der Jahrgänge 2022 und 2023 für Burgunder und Silvaner. Meine Eindrücke zu den 2024er Rieslingen findest du hier.
Da eine ausführliche Beschreibung aller 478 verkosteten Weine den Rahmen dieses Blogs sprengen würde, habe ich mich auf die Highlights der einzelnen Regionen sowie deren Gesamteindruck fokussiert. Wer sich für mein Bewertungssystem interessiert, findet hier weitere Infos.
Ein Hinweis in eigener Sache: Da ich – anders als bei Riesling – bei den Burgundern und Silvanern noch nicht über das nötige tiefe Jahrgangswissen verfüge, werde ich auf Jahrgangsvergleiche weitestgehend verzichten. Ich möchte keine oberflächlichen oder erdachten Vergleiche ziehen, nur um den Schein von Expertise zu wahren.



Spätburgunder
113 Spätburgunder. 2023 wenn nicht anders angegeben
Bei den Roten starte ich dieses Jahr wieder von Nord nach Süd.
Ahr
27 Spätburgunder. Alle aus 2023
Leider hatte es die Ahr in meinen Augen in 2023 besonders schwer. Viele der Spätburgunder zeigten den typischen 23er Ton. So nenne ich das jetzt, wenn die Weine eine wärmlich, in Richtung gekochte Frucht gehende Aromatik und Textur zeigen, zerfließend im Kern und ruppig im Tannin sind.
Überrascht hat mich dieses Jahr die durchweg hohe Konstanz der Spätburgunder des Weingut s Burggarten. Die Weine wirkten präzise, saftig, gut balanciert, und kaum von der sonst in 2023 so präsenten bekochen Erdbeere geprägten Aromatik. An der Spitze der Kollektion stand dieses Jahr deren Kräuterberg. Dicht, würzig, von Cassis und einer klaren roten Kirsche geprägte Aromatik. Am Gaumen dann saftig, mit cremigem Schmelz, feinem seidigen Tannin und ordentlich Spannung.
Auch die Kollektion von Meyer-Näkel war dieses Jahr überzeugend, wenn auch auf insgesamt deutlich niedrigerem Niveau als im Jahrgang 2022. Vor allem der Sonnenberg und Rosenthal begeisterten mich mit ihrer kräutrigen, nach Rappen riechenden Nase und dem klaren, fast schon kühl anmutenden Saft am Gaumen, der den Weinen, trotz aller Dichte und Komplexität, einen herrlichen Trinkfluss verleiht.
Insgesamt aber ein doch eher schwieriger Einstieg in die VDP Spätburgunder Welt. Zudem ist mir aufgefallen, dass die Weine sehr heterogen geraten sind. Selbst unter den Weinen des gleichen Winzers habe ich mich schwer getan, eine Winzer-Stilistik zu erkennen. Das mag kein Qualitätskriterium sein, war mir aber jedenfalls eine Notiz wert.
Mosel
Ja, auch an der Mosel gibt es seit dem Jahrgang 2022 ein Spätburgunder GG. Maximin Grünhaus vinizifiert hier aus dem Abtsberg einen Spätburgunder. Wer mehr über die letztjährige Premiere erfahren möchte, dem empfehle ich meinen Artikel hier. Anders als im überwiegenden Teil der 23er Spätburgunder hat mich der Abtsberg in 2023 mehr überzeugt als in 2022. Dunkel, fein und fast verhalten in der Nase, zeigt der Wein sich dann kernig, saftig, mit fein eingebundenem Holz und lebendiger Säure am Gaumen. Ein im positiven Sinne gesprochen sehr triftiger Spätburgunder, der jetzt mit etwas Luft schon viel Spaß macht.
Anmerkung: Der Trend zum Mosel Spätburgunder ist zwar aktuell bei vielen Winzern zu spüren, ich persönlich halte jedoch wenig davon. Die Mosel sollte sich meiner Meinung nach auf das fokussieren, was sie einzigartig macht. Und das sind feine, zarte, verspielte frucht- und edelsüße Weine, die mit einem enormen Extrakt, Dichte und Finesse daherkommen, wie es keine Region auf dieser Welt sonst kann. Ich kenne die Argumente, wonach aktuell die Nachfrage nach Süßwein rückläufig ist, dies liegt meines Erachtens aber auch unter anderem an der Art und Weise, wie die Mosel ihre Weine vermarktet. Wer mehr zu meinen Gedanken darüber lesen machte, dem empfehle ich meinen Artikel über die Mosel aus dem Frühjahr hier.
Rheingau
6 Spätburgunder. 2023 wenn nicht anders angegeben
Rheingau, o Rheingau. Anders als bei den Rieslingen, bei denen ich durchaus berichtenswertes im Glas hatte, viel mir das bei den Spätburgundern doch deutlich schwerer, sodass ich an dieser Stelle direkt in die nächste Region nach Franken springe.
Franken
6 Spätburgunder. alle aus 2023
Das Durchschnittsniveau des fränkischen Flights ist immer besonders hoch. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass allein drei davon vom Master of Spätburgunder, Sebastian Fürst, stammen. Trotz der immensen Herausforderungen des Jahrgangs, schaffte es Fürst einmal mehr, extrem präzise, dicht und fein strukturierte, saftige, tänzelnde Spätburgunder zu vinifizieren. Der Trinkfluss und Spuckreflex setzte bei mir direkt ein und machte es mir schwer, dem Schlucken zu widerstehen. Alle drei, Centgrafenberg, Hundsrück und Schlossberg waren für mich dieses Jahr wieder auf einem sehr hohen Niveau. Wobei ich den Schlossberg in 2023 über dem Hundsrück sehe. Das macht vielleicht auch an der extrem feinen und klar von hellroter Frucht geprägten Nase liegen. Dazu kommt dann ein seidig zartes Tannin, extrem dichter und fester Kern, sowie eine Balance, die einen direkt auf Wolke sieben trägt. Der Centgrafenberg und Hundsrück sind beide dann etwas dunkler und würziger mit etwas Waldboden, unterscheiden sich doch in der Aromatik und Textur deutlich vom Schlossberg.
Ebenfalls erfreulich war das Maustal vom Zehnthof Luckert. Die Luckerts haben sowohl bei den Silvaner nals auch bei den Spätburgundern eine ganz eigene, gut zu erkennende Stilistik. Wohl keiner kann eine Frucht so klar und präzise herausarbeiten. Der Wein zeigt sich, typisch für Luckert, recht kühl und glockenklar und fließt dann relativ eindimensional über den Gaumen. Hier hätte ich mir durchaus noch etwas mehr Komplexität gewünscht, aber die Balance und Frische des Weines ist fast unübertroffen in 2023.
Rheinhessen
6 Spätburgunder. alle aus 2023
Der VDP Rheinhessen fokussiert sich aktuell auf Riesling und Spätburgunder als GG. Und das ist auch gut so. Denn so weit die 19 Winzer des Verbandes mittlerweile in die Spitze des trockenen Rieslings vorgestoßen sind, haben sie doch beim Spätburgunder noch etwas Weg vor sich. Der Fokus auf ausschließlich diese beiden Rebsorten als GG und erstmal keine weitere steht dem Regionalverband gut zu Gesicht.
Gutzler ist und bleibt für mich der führende Betrieb rheinhessischer Spätburgunder. Beide Weine aus dem Morstein und dem Höllenbrand sind präzise und fein herausgearbeitet mit der, typisch für Gutzler, fleischigen und leicht blutigen Aromatik. Wobei ich dieses Jahr den Höllnebrand vor dem Morstein sehe. Hier wirkt das Tannin zarter, der Wein ist komplexer, tiefer, fester und länger.
Nach dem Fehlgriff mit dem 2022er Heerkretz Spätburgunder gelingt Daniel Wagner mit seinem 2023er eine beeindruckende Kehrtwende. Der Wein ist weg von seiner Laktik und hin zu deutlich mehr Frische, Präzision und Finesse. Wenn auch die Wärme des Jahrgangs den Wein prägt, zeigt er sich lebendig, mit feinem Tannin, lebendiger Säure und einer sehr guten Spannung. Trinkfluss auf hohem Niveau.
Pfalz
26 Spätburgunder. 2023 wenn nicht anders angegeben
Die Pfalz hat sich mir 2023 einmal mehr von einer insgesamt sehr guten Spätburgunder-Seite gezeigt. Im Verhältnis zu diesem komplizierten Jahrgang hatte ich in dieser Region so manchen erfreulichen Spätburgunder im Glas.
Die beste Kollektion kam für mich dieses Jahr eindeutig von Rings. Beide Spätburgunder aus dem Felsenberg und Saumagen haben mich 2023 voll und ganz überzeugt. Beide Weine wirken – in Anbetracht des warmen und von gekochter Frucht geprägten Jahrgangs – fast etwas aus der Zeit gefallen. Denn bei beiden findet man diese Charakteristik nicht. Im Gegenteil: dunkel, saftig, fleischig, mit enormer Präzision, Frische und Finesse am Gaumen, glockenklarer Saft, feinstes Tannin und ein tänzelndes Finish. Schon beeindruckend, was die Rings-Brüder einmal mehr in schwierigen Jahrgängen auf die Flasche bringen.
Mit etwas Abstand folgen dann die Weine von Christmann. Seit ein paar Jahren spürt man hier den Stilwechsel hin zu mehr Finesse und Feinheit deutlich. Mir gefällt das grundsätzlich sehr gut, allerdings erscheinen mir die Weine 2023 fast etwas zu dünn und elegant. Das klingt in Anbetracht des Jahrgangs zwar etwas bizarr, aber diesen Eindruck konnte ich vor allem beim Idig und Vogelsang gewinnen. Die Premiere des neuen Schild GG ist jedoch gelungen. Der Wein zeigt eine gute Mischung aus dichter Substanz, feinem Tannin, klarem hellrotem Saft und sehr guter Balance. Die Reben sind hier noch sehr jung, daher vermag ich nichts über ein mögliches Alterungspotenzial zu sagen. Im Zweifel lieber etwas jünger als zu spät genießen.
Kuhns Kirschgarten überraschte mich in diesem Jahr mit seiner intensiven roten Kirschfrucht, einer sehr feinen, gut strukturierten Textur und saftigem Finish. Exzellent. Jülgs Sonnenberg KT überzeugte ebenfalls, wenn auch auf niedrigerem Niveau als in den gewohnt starken Vorjahren. Dies ist wohl dem Jahrgang geschuldet, denn auch hier fand ich im Kern eine gewisse Wärme. Wenngleich der Wein deutlich dichter, komplexer und fester wirkte als der Sonnenberg KB.
Zu erwähnen sei bei den Roten auch unbedingt das Weingut Kranz. In den letzten zwei Jahren steigt die Qualität der Weine fast schon exponentiell. Dies setzt sich auch im 2023er Kalmit Spätburgunder fort. Der Wein zeigt sich eher von seiner fruchtigen Seite, dafür aber ungemein saftig und trinkig. Ein Glu-Glu-Wein mit großem Anspruch. Sehr gelungen.
Bei den gereiften Spätburgundern hatte Rebholz mit seinem Im Sonnenschein aus 2020 klar die Nase vorn. Leicht alkoholisch in der Nase, mit etwas Luft dann fester, viel Cassis und etwas Wald. Am Gaumen zeigt er sich mit weichem Tannin, gut eingebundener Säure und etwas mürber roter Frucht. Insgesamt wirkt der Wein aber sehr gut balanciert, mit guter Länge und Tiefe. Persönlich ist das nicht mein Stil, aber qualitativ absolut beachtlich.
Baden
24 Spätburgunder. 2023 wenn nicht anders angegeben
Hier ist die Sache wirklich schnell auf den Punkt gebracht: Huber hat – wie so oft – eine beeindruckende Kollektion hingelegt. Mal wieder eine bärenstarke Leistung aus einem sehr schwierigen Jahrgang, die es eigentlich verdient, dass man blind zugreift – vorausgesetzt, der Geldbeutel spielt mit.
Ein weiterer Wein, der sich in meine Erinnerung eingebrannt hat, ist Kellers Steinriese. Tief und glockenklar – das ist kein Wein, den man einfach mal so nebenbei trinkt. In der Nase diese extrem konzentrierte Kirsche, und am Gaumen dann so klar, so edel und fein, dass man fast den Atem anhält. Poliertes Tannin, rassige Säure, eine herrliche Eleganz, dazu diese erdige Würze – und das Ganze zieht sich ewig ins Finish: saftig, erhaben, einfach großartig. Groß. Der Schlossberg von Keller lag für mich nur knapp dahinter. Beide Weine sind absolute Highlights.
Unbedingt erwähnen möchte ich noch die deutliche Qualitätssteigerung im Weingut Seeger. Mit dem Herrenberg Spätburgunder ist dem Weingut ein gut strukturierter, saftiger, leicht an süßliches Gebäck (Plätzchen?) erinnernder, sehr gut balancierter, hellrotfruchtiger Spätburgunder gelungen. Man darf sehr gespannt sein, wohin sich das Weingut mit dem Einstieg von Anna Seeger entwickeln wird.
Hegers Spätburgunder konnten mich qualitativ auf ganzer Linie überzeugen. Hier ist der Stilwechsel – wie auch bereits bei den Weißweinen angesprochen – mittlerweile deutlich wahrnehmbar. Die Spätburgunder zeigten sich insgesamt von einer feineren, verspielten Seite. Das Holz ist balancierter eingesetzt als in den Vorjahren, und die Saftigkeit der Weine hat deutlich zugenommen. Natürlich macht sich auch hier die Wärme und Konzentration des Jahrgangs bemerkbar, ist aber gut eingefangen worden. Ich bin sehr gespannt, wohin der Weg der Hegers in den nächsten Jahren führt.
Auch der Altenberg Weingarten von Schlumberger-Bernhart spielte in der oberen Liga der Region mit. Dichter und feiner, als die Nase zunächst vermuten lässt, zeigt er sich am Gaumen mit zartem Schmelz, lebendiger Säure, getragen von roter Kirsche und einem kühlen, animierenden Saft. Exzellent. Das Weingut zeigte insgesamt, rot wie weiß, eine starke Kollektion in Wiesbaden.
Baden präsentierte sich in Wiesbaden als die beste Region sowohl in der Breite als auch in der Spitze bei den Spätburgundern. Die Region weiß mittlerweile sehr genau, wie man guten Pinot macht.
Württemberg
11 Spätburgunder. 2023 wenn nicht anders angegeben
Württemberg hatte es dieses Jahr bei mir – ich gebe es offen zu – wieder einmal schwer. Trotz einiger wirklich anständiger Weine hat mich die Region in der Breite einfach nicht abgeholt, weder bei den Weißweinen noch bei den Spätburgundern. 2023 gab es weniger Lichtblicke als noch 2022. Bei den Spätburgundern haben mich leider nur zwei Weine überzeugt.
Schnaitmanns Lämmler ist ein Brett. Geprägt von Cassis und einer ordentlichen Portion Würze zeigt sich der Wein mit hellem, klarem Saft, guter Länge, animierender Säure und durchaus festem Tannin. Noch leicht ruppig im Finish, aber der Wein hat Anlagen für viele Jahre.
Auch Dautels Schupen ist gelungen. Würzig, sehr präsent und intensiv, aber mit guter Balance und Länge – das ist eher ein Wein der altdeutschen Klassik, qualitativ aber überzeugend.
Mehr muss ich zu Württemberg auch gar nicht sagen. Manchmal liegt die Würze eben in der Kürze – und das trifft es für diese Region dieses Jahr perfekt.
Silvaner
17 Silvaner. 2024 wenn nicht anders angegeben
Bei den Silvanern waren größtenteils Weine aus 2024 angestellt – alle aus Franken. Der Jahrgang zeigte sich mir sehr feingliedrig, elegant, zart, mit einer lebendigen, gerade so reifen Säure und vielen hellen Tönen. Eine herrliche Kombination aus frischer Frucht, zupackender Säure und einem zarten, kühlen Kern, der für ordentlich Finesse und Frische sorgte. Anfang Juli war ich viel in Franken unterwegs. Schon dort konnte ich mich von den Qualitäten der aktuellen Kollektionen überzeugen – und diese Eindrücke bestätigten sich dann auch in Wiesbaden.
Den ersten Gänsehaut-Moment hatte ich bei Luckerts 2024er Maustal. Sehr zart, kristallin und verhalten in der Nase, mit weißem Pfeffer und Kräuternoten, aber am Gaumen wunderbar elegant, glockenklar und sehr schön balanciert. Der Wein zeigte beeindruckende Finesse und tänzelte förmlich ins Finish. Auch Max Müller I überzeugte mich mit dem 2024er Ratsherr: etwas würziger und grüner als der Maustal, aber ebenso tief und mit viel Substanz.
Ebenfalls erfreulich zeigte sich Paul Weltners 2024er Julius-Echter-Berg. Eine kühle, von Kräutern geprägte Nase. Am Gaumen dann brillant, mit rassiger Säure, festem Kern und einem langen, salz-würzigen Finish. Alles in herrlicher Balance. Wer auf wenig Frucht steht, wird den Wein lieben.
May punktete mit dem 2024er Rothlauf: rotfruchtige, würzige, an rote Beeren erinnernde Nase; am Gaumen fest, salzig und konzentriert, mit einer nahezu kaubaren Struktur und perfekter Balance. Das lange, energetische Finish machte ihn zu einem echten Highlight. Überrascht war ich dieses Jahr allerdings, dass der Himmelspfad mit dem Rothlauf nicht in derselben qualitativen Liga spielte.
Bei den 2023ern überzeugte allen voran der Julius-Echter-Berg von Wirsching. Geprägt von seiner typisch grün-würzigen Aromatik, die mich immer an Haribos Grüne Apfelringe erinnert. Am Gaumen zeigt er sich mit saftig-präsenter, aber reifer Säure, feinem Schmelz und einem salzig-würzigen Finish. Sehr dicht, saftig und gut strukturiert.
Was bleibt also zum Silvaner zu sagen? Die Silvaner aus 2024 zeigten sich oftmals sehr kristallin und feingliedrig, mit lebendiger Säure. Wer die Gratwanderung zwischen rassiger, aber reifer Säure und balancierter, kristalliner Frucht gemeistert hat, brachte feine, zarte und glockenklare Silvaner auf die Flasche. Für mich nach wie vor eine stark unterschätzte Rebsorte. Ihr enormes Potenzial wird zwar in Franken längst erkannt und geschätzt, aber über die regionalen Grenzen hinaus – geschweige denn auf internationalen Weinkarten – bleibt sie leider oft unter dem Radar. Ähnlich wie der Furmint aus Österreich und Ungarn verdient auch der Silvaner viel mehr Aufmerksamkeit. Denn er bietet nicht nur herausragende Qualität, sondern auch großes Trinkvergnügen – und das sollte einfach nicht übersehen werden.
Chardonnay
14 Chardonnay. 2023 wenn nicht anders angegeben
Da die Rebsorte Chardonnay nur in Baden als GG zugelassen ist, war die Auswahl in Wiesbaden recht überschaubar. Aber Huber – das kann man schon fast als gesetzt betrachten – hat hier einmal mehr abgeliefert, wenn auch aus meiner Sicht bei weitem nicht auf dem von der Presse so gefeierten Niveau. Seine Chardonnays aus dem Bienenberg und Schlossberg stachen deutlich heraus. Beide sind geprägt von reduktiven Noten und einem spürbaren, aber gut eingebundenen Holzeinsatz, der den Weinen Struktur und Tiefe verleiht. Am Gaumen zeigen sie Zug, Spannung und eine markante Würze. Lediglich Länge und Intensität hätte ich mir etwas höher gewünscht.
Besonders der Bienenberg wirkte in seiner Jugend etwas zugänglicher, während der Schlossberg noch ziemlich fest und verschlossen daherkommt. Aber genau hier sehe ich das größere Potenzial für die Reife – der Wein hat die Anlagen, sich über die nächsten Jahre zu einem echten Highlight zu entwickeln. Vorausgesetzt, man steht auf Reduktion.
Und die Überraschungen? Hier sei an dieser Stelle Seegers Chardonnay aus dem Herrenberg Lange Wingert erwähnt: ein heller, von feiner Zitrus und zartem Schmelz geprägter, kühl wirkender Chardonnay. Saftig, salzig, mit ordentlich Druck und Länge. Bei Seeger bahnt sich ganz klar ein Stilwechsel an – sehr erfreulich. Einmal mehr positiv überrascht hat mich auch Dr. Hegers Winterberg Hinter Winklen: Frische, Salz, feines Holz und genau die Spannung und Tiefe, die ich von einem GG erwarte. Ein sehr gelungener Wein, der wirklich Spaß macht.
Die Entwicklung von Schlumberger-Bernharts Altenberg Weingarten verfolge ich seit letztem Jahr ebenfalls mit Freude. Und der Wein hat in 2023 wieder geliefert. Klar, von Holz deutlich geprägt, ist er sicherlich nicht jedermanns Favorit, aber seine steinig-dichte, salzige Struktur gepaart mit fantastischer Balance und Länge macht den Wein zu einem Erlebnis für alle Holzfans.
Was den Rest angeht, halte ich mich dieses Mal lieber an das alte Sprichwort: „Schweigen ist Gold.“
Weissburgunder
24 Weissburgunder. 2024 wenn nicht anders angegeben
Weißburgunder und ich – das war bisher keine Liebesgeschichte. Zumindest nicht, wenn es um Große Gewächse ging. Eher verbinde ich die Rebsorte mit zugänglichen, unkomplizierten Weinen, die einfach Spaß machen. Aber Wiesbaden hat mir einmal mehr gezeigt, dass auch Weißburgunder eine ernstzunehmende GG-Kategorie sein kann. Hier also meine überregionalen Highlights:
Der 2024er Kalmit vom Weingut Kranz aus der Südpfalz überzeugte mit einer deutlich von neuem Holz geprägten Nase, die am Gaumen dann wunderbar von einer erfrischenden Säure und einem Spiel aus Salzigkeit und feiner Steinfrucht gepuffert wird. Insgesamt sicherlich kein Leichtgewicht, aber ein fantastisch gelungener Weißburgunder mit Reifepotenzial. Für mich die qualitative Spitze der Weißburgunder dieses Jahr in Wiesbaden.
Der 2024er Rosenkranz im Untern Kreuz von Theo Minges überraschte mich vollends. Dicht, würzig, kaum Frucht, dazu etwas Salz in der Nase. Am Gaumen dann sehr fest, mit eher hellgelben Tönen, zupackendem Gerbstoff, getragen von einer lebendigen Säure und einem salzigen Finish. Der Wein braucht noch etwas Zeit, dürfte sich aber gut entwickeln. Auch Rebholz’ Im Sonnenschein brillierte mit klarer, steiniger Frucht, expressiver Mineralität, vielen Kräutern und einem dann doch überraschend saftigen, salzigen und hinten raus frisch balancierten Gaumen.
Zum Abschluss ein kurzer Abstecher nach Baden: Habe ich schon über die erfreuliche Entwicklung der Weine von Dr. Heger gesprochen? Seit dem Jahrgang 2022 werden die Weine zunehmend feiner, präziser und weniger vom Holz dominiert. Mir gefällt die eingeschlagene Richtung von Rebecca Heger richtig gut. Ihr Weißburgunder Winklerberg Hinter Winklen zeigt eine von hellen Blüten und weißem Fruchtfleisch getragene Nase, dazu etwas Kräuter und später ein Hauch, aber sehr feines Holz. Am Gaumen dann mit Tiefe, Länge und Struktur. Insgesamt ein eher ruhiger und verhaltener Weißburgunder.
Grauburgunder
15 Grauburgunder. 2023 wenn nicht anders angegeben
Zwei Highlights (Schnaitmann und Schlossberg von Heger), sonst eher durchschnittlich bis „braucht man nicht“ – ich persönlich brauche die Rebsorte als GG nicht. Hier wurde es dünn mit nennenswerten Highlights.
Fangen wir an mit Schnaitmanns 2023er Lämmler. Denn dieser setzte dieses Jahr sicherlich die Benchmark dieser Rebsorte. In der Nase sehr fein, dicht gewoben, geprägt von frischer weißer Steinfrucht, Zitrus und einem Hauch Würze. Am Gaumen setzt sich der erste Eindruck fort: hell, fein, mit festem, salzigem Kern, ordentlich Druck und Spannung sowie einem saftigen, salzigen Finish.
Dr. Hegers 2023er Schlossberg zeigt eine zitrische, leicht brotige und an Birne erinnernde Nase. Am Gaumen dann präzise, mit feinem Gerbstoff, heller Frucht, einer charmanten Säure und insgesamt guter Balance und Länge.
Ach ja, und dann wäre da noch Schlumberger-Bernharts 2023er Altenberg Weingarten. In der Nase leicht spitz, etwas an Tee erinnernd und mit ordentlich Grapefruit. Am Gaumen fügt sich dann alles besser zusammen: etwas Holz, gute Länge und Dichte, frisch und zupackend mit ordentlichem Finish.
Was bleibt nun nach den Grauburgunder-Flights? Ich bleibe bei meinem Urteil aus dem letzten Jahr: Ja, es gibt vereinzelt überzeugende Grauburgunder aus Baden, die auf dem angestrebten Niveau eines GG mitspielen. Der überwiegenden Mehrheit der angestellten Weine dieser Rebsorte fehlt es jedoch an Struktur, Komplexität, Länge und Präzision. Für mich sollte diese Rebsorte daher den Status eines GG aberkannt bekommen. Denn förderlich sind die angestellten Weine für dieses höchste VDP-Gütesiegel trockener Weine aktuell nicht.
Fazit
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Was bleibt also nach diesen drei langen, intensiven und lehrreichen Tagen als Essenz übrig? Zunächst einmal möchte ich betonen, dass meine Eindrücke immer Momentaufnahmen sind und entsprechend eingeordnet werden sollten. Es sind Puzzleteile, die sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen.
Einige der in Wiesbaden angestellten Weine (auch die roten und weißen Burgunder sowie Silvaner) hatte ich bereits im Frühsommer als Fassprobe auf meinen Weingutsbesuchen verkostet. Oft hat sich mein Ersteindruck bestätigt oder gar gefestigt.
Die Silvaner und weißen Burgunder präsentierten sich dieses Jahr von ihrer frischen, kühlen und oft eleganten Seite – zumindest, wenn reif genug gelesen wurde. Ansonsten gab es leider auch einige Winzer, deren Weine in meinen Augen deutlich zu dünn, grün und unreif geraten sind. Dennoch möchte ich meinen Appell vom letzten Jahr wiederholen: Trinkt mehr Silvaner! 2024 war ein großartiges Jahr für die Winzer, die diese Rebsorte meisterhaft beherrschen – und das sollte man nicht verpassen.
Die Spätburgunder konnten 2023 nicht mit den Qualitäten des hervorragenden 2022er Jahrgangs mithalten. Nun mögen derartige Vergleiche unfair oder unangebracht klingen. Ich finde es dennoch wichtig, die Weine in Perspektive zu setzen. 2023 war ein sehr warmes Jahr. Fäulnis und Botrytis setzten während der Lese schnell ein. Wer nicht früh und zügig genug gelesen hat und vor allem nicht extrem penibel bei der Selektion der Trauben vorgegangen ist, hatte große Mühe, Spitzenrotweine in 2023 zu vinifizieren. Und selbst den Besten ist es nur mit großer Anstrengung gelungen. Viele Weine zeigen sich jetzt bereits mit etwas Luft gut trinkbar und bestätigen einmal mehr meine Überzeugung zur Reifung von Burgunderweinen: lieber jünger im großen Glas oder der Karaffe genießen, als zu lange warten.
Sowohl 2023 bei den Burgundern als auch 2024 bei den Rieslingen und Silvanern empfehle ich keine Blindkäufe. Vielmehr rate ich dazu, eine gut durchdachte Selektion zu treffen und – wenn möglich – beim lokalen Fachhändler des Vertrauens vorzuprobieren.
Merci
Zum Abschluss möchte ich dem VDP und dem gesamten Orga-Team rund um Theresa Olkus und Hilke Nagel in Wiesbaden ein großes Dankeschön aussprechen – für die Einladung zu dieser außergewöhnlichen und perfekt organisierten Veranstaltung. Es war mir eine echte Freude und Ehre, dabei zu sein! Sehr gut gefiel mir dieses Jahr, dass der VDP nun den Aufbau der Flights geändert hat. Es wurde nicht mehr primär nach den Lagen, sondern nach den Jahrgängen sortiert. Das gab uns Verkostern die Chance, die Jahrgänge im direkten Vergleich besser einzuordnen. Eine, wie ich finde, gelungene Änderung im Verkostungsschema.
Noch ein Hinweis: Nur weil ein Wein es nicht in meine detaillierten Beschreibungen geschafft hat, bedeutet das keineswegs, dass er qualitativ schwach war. Ich habe alle Rieslinge verkostet und dabei sowohl versucht, sie objektiv zu bewerten als auch meine ganz persönlichen Eindrücke festzuhalten.
Meine Eindrücke zu den Rieslingen gibt es hier zu lesen.
That’s it für meine diesjährigen Eindrücke der VDP GG Vorpremiere aus Wiesbaden. Over and out.


