Letzten Samstag war es endlich soweit. Mein erstes Tasting-Event fand unter dem Motto „Riesling meets Terroir“ im Grapes in München statt. Ein Nachmittag, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Mitten im Herzen der Stadt, tauchten wir tief ein in die faszinierende Welt des Rieslings und seines Terroirs. Dabei galt es, eine ewige Frage unter Weinliebhabern zu lösen: Wo endet der Einfluss des Bodens und wo beginnt die Handschrift des Winzers? Das Tasting sollte spannende und teils auch unerwartete Antworten liefern.

Max Kaindl, 15. August 2024
Lesezeit etwa 10 Minuten

Riesling Meets Terroir: Ein wundervoller Nachmittag im Grapes

Der Auftakt: Ein Ambiente zum Wohlfühlen

Das Grapes, bekannt für sein gemütliches und zeitloses Ambiente sowie seiner exzellenten Weinkarte, bot den perfekten Rahmen für mein erstes organisiertes Wein Tasting unter dem Motto: „Riesling meets Terroir“. Bernd Großschädl schaffte es, mit seiner subtilen, aber aufmerksamen Art, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich jeder sofort wohl fühlte. Die Mischung aus kleinen Häppchen, stets gefüllten Gläsern und dem warmen Flair der Weinbar setzte den Ton für einen unvergesslichen Nachmittag.

Ich selbst führte durch das Tasting, unterstützt von der geschätzten Geologin Annette Bette, die uns mit ihrem tiefen Wissen über die verschiedenen Bodentypen wertvolles, und manchmal auch dringend benötigtes Hintergrundwissen gab. Die Weine wurden blind verkostet. Lediglich die sieben, im Fokus stehenden Bodentypen waren den 14 Teilnehmern bekannt.

Anmerkung: Bei den Notizen zu den folgenden Weinen, handelt es sich nicht um eine differenziert qualitative Beschreibung, sondern vielmehr um einen grundsätzlichen Eindruck gesammelt aus den Bemerkungen der Teilnehmer. Ziel des Tastings war es, einem möglichen Einfluss des Bodens auf den Wein in einer lockeren, von gegenseitigem Austausch geprägten Atmosphäre auf die Spur zu kommen. Daher habe ich mir keine detaillierten Verkostungsnotizen gemacht.

Die Flights: Welchen Einfluss hat das Terroir?

Gipskeuper: Ein subtiler Auftakt

Unser Tasting „Riesling meets Terroir“ begann mit Rieslingen vom Gipskeuper. Er besteht aus Sandstein, Gipsablagerungen, tonigem Schluff und buntem Mergel. Ein schwerer Boden, der sich bei Regen aufquillt und Wasser speichert, während er in Trockenzeiten rissig wird. Der 2016er Gips Marienglas Riesling GG von Aldinger und der Julius-Echter-Berg Riesling GG von Wirsching zeigten sich unterschiedlich, doch beide Weine hatten ihren eigenen Charme.

Während der Marienglas in der Nase zuerst rauchig, kreidig und würzig startete, wurde er dann am Gaumen ungewöhnlich warm, malzig und schmelzig. Es war fast so, als würde der Wein einen Hauch von mineralischer Wärme ausstrahlen. Dagegen überzeugte der Julius-Echter-Berg mit zitrisch kühler Brillanz, feinem Salz, knackiger Säure und einem geschliffen, frischen Finish. Die mineralische Struktur war vor allem bei letzterem deutlich spürbar, doch schien es, als würde die Handschrift der Winzer den eigentlichen Charakter des Bodens überdecken.

Dennoch waren wir uns alle einig, dass der Gipskeuper-Einfluss in beiden Weinen eher subtil war. War es das Terroir oder die Handschrift des Winzers, die beide Weine prägte? Eine Frage, die offen blieb.

Devonschiefer: Die Schiefer Offenbarung

Als wir zum Devonschiefer kamen, wurde es spannend. Dieser Boden ist geprägt von gepresstem, horizontal übereinander abgelagerten Sedimentgestein, das in der Tiefsee unter hohem Druck entstanden ist. Funcaft: Deshalb kann man Schiefer übrigens leicht in Platten brechen. Durch seine dunkle Farbprägung speichert Schiefer Wärme exzellent und verleiht den Weinen oft eine merkliche mineralische Tiefe. Der 2018er Scharzhofberger Riesling GG von Van Volxem und der 2017er Niederberg Helden Riesling GG von Schloss Lieser (beide aus der Magnumflasche) zeigten eindrucksvoll, wie tief und komplex Schieferweine werden können.

Der Scharzhofberger wirkte zunächst eher zurückhaltend, bot aber eine saftige, süße Frucht und einen langen, mineralischen jedoch wiederum leicht süßlichen Abgang. Der Heldenberg war klarer, straffer und zeigte eine kühle, lebendige Säure. Beide Weine lebten von ihrer ausgeprägten mineralischen Struktur, die sie unverwechselbar für Moselschiefer machte.

Hier waren sich alle schnell einig: Der Schiefer drückte diesen Weinen seinen Stempel auf – eine mineralische Intensität, die nicht zu übersehen war.

Phyllit-Schiefer: Ein Hauch von Rauch

Beim Flight mit Phyllit-Schiefer wurde es subtiler. Dieser Boden, reich an Glimmer und Quarz, soll den Weinen eine elegante Struktur mit einem Hauch von Rauch verleihen. Das Gestein entsteht durch Metamorphose aus Tonschiefern und wird schließlich zu Glimmerschiefer umgewandelt. Es ist ein kristalliner Schiefer von grünlich-grauer Farbe und Seidenglanz Der 2019er Abtei „1937“ Riesling von Kruger-Rumpf und der 2016er Gräfenberg Riesling GG von Robert Weil zeigten beide in Andeutung rauchige Mineralität und eine sanfte Eleganz.

Besonders die Abtei begeisterte durch ihre balancierte Säure, raffinierte Tiefe und kühle Stringenz, während der Gräfenberg zunächst verschlossen wirkte und erst mit der Zeit an Tiefe und Eleganz gewann. Zugegeben, ich hatte mir mehr vom Gräfenberg erhofft. Muss jedoch gestehen, dass ich hier nicht gänzlich neutral schreibe, da ich den Weinen aus Kiedrich und mehr noch den Menschen auf Robert Weil seit Jahren eng verbunden bin. Daher bin ich an dieser Stelle eventuell etwas zu kritisch.

Bei beiden Weinen war die Mineralität des Phyllit-Schiefers spürbar, jedoch weniger ausgeprägt als beim Schiefer-Flight.

Quarzit: Ein elegantes Rätsel

Quarzit, ein extrem hartes und verdichtetes Gestein bestehend aus Sandstein, führte bei uns zu Kontroversen. Es bildet oft Kristalle großer Formen- und Farbenvielfalt, deren Flächen Glasglanz aufweisen. Durch den relativ hohen pH-Wert wachsen darauf tendenziell säurearme Weine. Anmerkung: dies traf nicht auf die beiden angestellten Weine zu.

Der 2017er Burgberg Riesling GG von Schlossgut Diel und der 2017er Scharlachberg Riesling GG von Wagner-Stempel zeigten beide eine feine Eleganz, doch der Einfluss des Bodens war, zumindest für uns, subtil. Der Burgberg brillierte mit hellen, gelbfruchtigen Aromen sowie einer herben Mineralik und langem, festem Finish (eines meiner persönlichen Highlights der Probe), während der Scharlachberg mit einer kalkigen Frische und einer gewissen Cremigkeit und einem Hauch Speck am Gaumen überraschte.

Bei diesem Flight war die Diskussion in der Gruppe besonders lebhaft. Beide Weine zeigten eine klare, fast kristalline Struktur, doch blieb der Quarzit als prägendes Element schwer greifbar. Einige empfanden die Weine als „elegant und geradlinig“, doch fehlte ihnen das, was sie „Terroir-Präsenz“ nannten. Es war fast so, als würde der Quarzit im Hintergrund agieren und den Weinen eine feine, aber nicht dominierende Note verleihen. Trotz hoher Qualität beider Weine fehlte hier für viele der spezifische, bodenbedingte „Fingerabdruck“. Der Einfluss des Winzers schien auch hier dominanter als das Terroir.

Kalkstein vs. Muschelkalk: mehr gemeinsam oder doch gegensätzlich?

Ein Highlight des Nachmittags war zweifellos der Flight mit Rieslingen vom Kalkstein und Muschelkalk. Der 2016er Morstein Riesling von Dreissigacker und der 2016er Stettener Stein Riesling GG vom Weingut am Stein zeigten eindrucksvoll, wie stark diese Böden den Charakter eines Rieslings prägen können.

Kalkstein und Muschelkalk, zwei Gesteine mit unterschiedlichen Eigenschaften und doch gleicher Herkunft. Kalkstein ist ein hartes Sedimentgestein, das durch die Ablagerung von Kalkschalen kleiner Meerestiere entsteht und häufig in hellgrauen bis gelblichen Farben vorkommt. Muschelkalk, eine spezielle Form des Kalksteins, enthält besonders viele Muschelreste. Diese kalkhaltigen Böden sind unter Winzern besonders geschätzt, da sie Weinen eine gute Säure und Struktur verleihen. Sie speichern Wärme gut und sind ideal für lebendige, rassige Weine aus kühlen Klimaten.

Der Morstein wirkte kräftig, mit fast salziger Mineralität, die über die Zunge rollte. Nussig, mit einem rauchigen Finish. Der Stein (ebenfalls ein persönliches Highlight) begeisterte mit kalkiger Frische und einer komplexen Aromatik. Er vereinte reife Zitrusfrüchte, Zitruszesten und Steinobst mit nussigen und floralen Nuancen sowie einem Hauch Rauch und pfeffriger Würze. Am Gaumen zeigte er sich mit feiner Säure, kandierten Zitrusfrüchten und einer fast cremigen Textur, die sich mit Luft weiter entfaltete. Das Finish war saftig und jedoch leicht süßlich, unterstrichen von ätherischen Noten. Ein facettenreicher Wein, der nachhaltig beeindruckte.

Bei diesem Flight war sich die Gruppe schnell einig: Beide Weine strahlten förmlich aus dem Boden heraus. Kalk/Muschelkalk war hier in seiner reinsten Form zu schmecken.

Rotliegend: Eine mineralische Explosion

„Rotliegendes“ ist ein alter Bergmannsausdruck. Er verdankt seine auffällig rote Färbung dem Hämatit. Der Boden entstand aus kalkreichen Ton-, Schluff- und Sandsteinen. Rotliegendes hat nur ein begrenztes Wasserspeicherungs-Vermögen, besitzt dafür aber eine gute Durchlüftung des Bodens. Die Durchwurzelung des tieferen Gesteins ist dagegen schwierig.

Der 2016er Pettenthal Riesling GG von Kühling-Gillot und der 2016er Kastanienbusch Riesling GG von Ökonomierat Rebholz zeigten beide eine dichte, fast erdige Tiefe sowie deutliche Anklänge von roten Früchten (Johannisbeere). Der Kastanienbusch wirkte kraftvoll, dunkel und präsent mit kräuter-würzigen Noten, während der Pettenthal zunächst mit reduzierter Nase startete, dann jedoch viel Substanz, dunkle Würze und eine saftige, komplexe Frucht zeigte.

Hier konnte sich die Gruppe nicht abschließend einigen. Einige Gäste sprachen von „bodenständiger Eleganz“, andere von einer „ursprünglichen Kraft“, wiederum andere konnten keine eindeutigen Merkmale zwischen beiden Weinen festmachen.

Vulkanisches Terroir: Melaphyr und Basalt als Feuerwerk

Zum Abschluss der regulären Flights widmeten wir uns dem vulkanischen Terroir – Melaphyr und Basalt. Hierfür standen der 2018er Bastei Riesling GG von Gut Hermannsberg und der 2014er Pechstein Riesling GG von Bassermann-Jordan im Glas.

Melaphyr ist ein feinkörniges Gestein mit einer Farbpalette von Schwarz bis Rötlich-braun. Die Blasen-Hohlräume sind wie kleine Schatztruhen, gefüllt mit Mineralien wie Kalkspat und Quarz. Dadurch bekommen die Weine oftmals eine spannende Würze. Basalt entsteht aus geschmolzenem Magma und steckt voller wichtiger Mineralien für die Rebe. Mit seiner harten Struktur und dem hohen Kalkgehalt sorgt es für Weine mit knackiger Säure und lebendiger Frische.

Der Bastei hatte diesen straffen Duft nach kandierter Zitrus, Steinobst und Kräutern, mit einem Hauch von schwarzen Beeren und Rauch. Er war super saftig mit reifer aber noch jugendlicher Frucht, feiner Säure und griffiger Phenolik. Im Finish leicht süßlich, dennoch mineralisch und saftig. Der Pechstein zeigte sich dagegen mit dunklem, rauchigem Aroma von Zitrusfrüchten, Steinobst und Senfgurken, dazu ein bisschen Kräuter und Speck. Am Gaumen überwog eine reife gelbe Frucht, Curry-scharfe Würze und salzige Noten. Dazu kam ein Hauch Butter im saftig, mineralischen Finish.

Beide Rieslinge zeigten, mit welcher Deutlichkeit vulkanische Böden Weinen eine außergewöhnliche Tiefe, Rauchigkeit und Intensität verleihen können. Hier war das Terroir eindeutig greifbar – eine dunkle, tiefe Energie, die beide Weine einzigartig machte.

Das Finale: Eine hefig, süße Verführung

Zum Abschluss des Nachmittags gab es zwei außergewöhnliche Rieslinge: den FIO 2015 von Niepoort und Kettern sowie die 2003er Rausch Riesling Auslese von Forstmeister Geltz Zilliken. Wer den Text und das Programm des Tastings bis dato aufmerksam verfolgt hat, wird sich nun fragen: „Was? Wieso um alles in der Welt mischt der Typ nun zwei derart unterschiedliche und nicht zum Thema „Riesling meets Terroir“ passende Rieslinge in die Runde? Und dann noch in einem gemeinsamen Flight? Absolut berechtigte Fragen, auf die ich eine ebenso traurige wie dann hoffentlich auch einleuchtende Antwort habe.

Ursprünglich hatte ich noch einen Flight zu Rieslingen mit langem Hefelager und gereiften, restsüßen Rieslingen geplant. Die Gegenspieler zum FIO und Rausch sind aber leider beide nicht rechtzeitig bei mir eingetroffen. Da ich beide Weine jedoch unbedingt zeigen wollte, entschied ich mich kurzerhand, sie gemeinsam am Ende zu Flammkuchen, Brot und Iberico-Schinken einzuschenken. Um die Frage vorwegzunehmen: Beide waren die perfekten Speisebgeleiter und somit ein wunderbarer Abschluss eines rundum gelungenen Tastings.

Der FIO Riesling von Niepoort und Kettern war ein Paradebeispiel der alten Mosel-Schule. Nach dreijährigem Hefelager in einem 60 Jahre alten Fuderfass kommt er erst nach weiteren Jahren zusätzlicher Flaschenreife auf den Markt. Tief goldgelb, komplex und fast Sherry-artig in seiner Tiefe und Struktur. Die 2003er Auslese von Zilliken beeindruckte mit ihrer exotischen Frucht, Finesse und tänzelnden Leichtigkeit. Trotz des heißen Jahrgangs blieb der Wein frisch und lebendig, mit dramatischer Säure und hedonistischer Saftigkeit.

Die Erkenntnisse: Riesling meets Terroir oder doch Winzermagie?

Was bleibt nach einem solchen Nachmittag? Von der Reise zu „Riesling meets Terroir“? Nun, die Erkenntnis, dass der Boden nicht immer gleich stark im Wein spürbar ist. Während manche Böden wie Schiefer und Kalkstein klar ihre Handschrift hinterließen, blieben andere wie Gipskeuper und Quarzit eher subtil. Das Terroir ist wichtig, keine Frage, sollte aber nicht isoliert betrachtet werden. Der Dialog zwischen Boden und Winzer macht letztendlich den Unterschied zwischen gutem und großem Wein. Die beste Kombination scheint mir folglich die zu sein, bei der talentierter Winzer und herausragendes Terroir sich gegenseitig ergänzen.

Ein großer Dank geht an Annette für ihre lehrreichen Einführungen in die verschiedenen Bodenarten, an Bernd und das Grapes für die wunderbare Gastfreundschaft, an die Winzer für die generöse Öffnung ihrer Schatzkammern und an alle Teilnehmer, die dieses Tasting so unvergesslich gemacht haben. Es war ein intensiver Nachmittag mit spannenden Gesprächen in lockerer Atmosphäre. Wein muss eben nicht snobby sein – auch wenn das Thema durchaus freeky war. Genau dies zu vermitteln war mein Ziel.

Das Feedback der Teilnehmer war überwältigend positiv und hat mich dazu inspiriert, zukünftig weitere Tastings dieser Art zu anderen Themen zu veranstalten. Deshalb freue ich mich schon auf das nächste Mal, wenn wir uns wieder auf Entdeckungsreise begeben!

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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