Von 24. bis 26. August war es dieses Jahr wieder soweit. Der VDP lud rund 200 der weltweit wichtigsten Sommeliers, Publizisten und Weinexperten nach Wiesbaden ein, um sich ein Urteil über den neuen Jahrgang der Grossen Gewächse (GG) zu bilden. Dieses Jahr konnte ich zum zweiten Mal an allen drei Tagen probieren. 480 Weine galt es zu verkosten. 478 habe ich geschafft. Über meine Eindrücke und Einschätzungen zu den einzelnen Regionen sowie mein Urteil zu den angestellten Rieslingen werde ich in diesem Beitrag berichten. Meine Eindrücke zu den Burgundern und Silvanern findest du hier.

Max Kaindl, 1. September 2025
Lesezeit etwa 15 Minuten

VDP.GROSSES GEWÄCHS®
Vorpremiere 2025 —
Alles über Riesling

Header und Ende: © VDP by Peter Bender

Bevor es losgeht, ein kurzer Vermerk zur besseren Einordnung meiner Notizen. Verkostet habe ich – soweit möglich – blind. Ich kannte lediglich die zu verkostende Region, die Rebsorte und die Flightnummer, jedoch nicht die Weine und Weingüter des einzelnen Flights. Bei den beschriebenen Weinen geht es mir nicht immer um die höchste objektive Bewertung, sondern auch darum, ob mich ein Wein persönlich berührt hat. Gänsehaut-Feeling? Lagerfeuerstimmung? Oder einfach nur Pure Joy? Faktoren, die ich in meinen unten gelisteten persönlichen Highlights mit einbezogen habe.

Meine hier festgehaltenen Eindrücke können allerdings nur Momentaufnahmen abbilden, die entsprechend eingeordnet werden sollten. Sie ergeben vielmehr ein gesamtheitliches Bild aus vielen einzelnen Puzzleteilen. In meinem Fall: das Bild des Jahrgangs 2024 für Riesling – und vereinzelt 2023. Meine Eindrücke zu den 2023 und 2024er Burgundern und Silvanern findest du hier.

Da eine ausführliche Beschreibung aller 478 verkosteten Weine den Rahmen dieses Blogs sprengen würde, habe ich mich auf die Highlights der einzelnen Regionen sowie deren Gesamteindruck fokussiert.

Mosel-Saar-Ruwer

59 Rieslinge. 2023, wenn nicht anders angegeben.

Der 2024er Jahrgang an Mosel, Saar und Ruwer zeigt sich insgesamt zwiespältig. In der Breite war das Panel solide, echte Höhepunkte in der Spitze aber eher rar. Der Jahrgang wirkt kühl, kristallin und ist klar von einer präsenten, oft sehr dominanten Säure geprägt. Manche Weine zeigten eine fast schon spitze, unreife Säure oder wirkten insgesamt zu dünn geraten.

Und doch gab es diese wenigen, elektrisierenden Momente: Die besten 2024er tanzten brillant, glockenklar und mit vibrierender Energie über die Zunge – Weine, die einen kurzen, warmen Gänsehautmoment bescherten.

Dennoch bleibt mein Fazit eindeutig: Für 2024 heißt es an der Mosel sorgfältig auswählen. Der Jahrgang war kein einfacher, und die besten Weine sind rar. Umso bitterer, dass viele Winzer zusätzlich mit einem verheerenden Spätfrost im Frühjahr zu kämpfen hatten. Die Mengen sind ohnehin klein, die Spitzen noch kleiner.

Kommen wir nun zu den Weinen, die mich wirklich begeistert haben. Wenn mich von einem Weingut mehrere Weine überzeugen, fasse ich das als „Weingutsbericht“ zusammen. Wer sich für mein Bewertungssystem interessiert, findet hier weitere Infos.

Beste Kollektion – Mosel

Hier überzeugte einmal mehr Clemens Busch. Auch wenn 2024 für biologisch, biodynamisch arbeitende Winzer wie Clemens ein immens herausforderndes Jahr war, gelang ihm doch eine präzise von Finesse und Balance geprägte Kollektion. Highlight für mich ganz klar der Marienburg-Rothenpfad. Mit einer feinen, hellen, an weißes Fruchtfleisch erinnernden Aromatik, dazu ein wenig dunkle Würze und Kräuter. Am Gaumen wird der Wein von einem eng verwobenen Netz aus rassiger Säure, zartem Schmelz und einer energetischen Tiefe getragen. Salzig, straff und tänzelnd im langen Finish.

Unbedingt erwähnenswert

Zilliken’s Auf der Rausch aus dem Jahrgang 2023 ist ein herrlich saftiger, nach frischen gelben Früchten duftender Wein. Super balanciert, dicht und komplex, mit leicht exotischem Saft und einem salzig-animierenden Finish. Herrlich. Auch Nik Weiss’ Goldtröpfchen aus 2023 möchte ich hier erwähnen. Rassig, salzig, straff mit langem, energetischem Finish. Die Weine von Nik sind in den letzten beiden Jahren trockener und präziser geworden. Das steht ihnen sehr gut.

Hidden Gems

Neben den großen, bekannten Namen möchte ich aber auch einige „Hidden Gems“ erwähnen. Wiesbaden bietet die wunderbare Gelegenheit, Weingüter zu entdecken, die nicht unbedingt im Rampenlicht der üblichen Weinmagazine stehen. Ein solches Weingut ist Grans-Fassian. Katharina hat in diesem Jahr sehr rassige, würzige und wunderbar balancierte Rieslinge abgefüllt. Mein Highlight der homogenen Kollektion war die Apotheke. In der Nase ein animierender Mix aus schwarzem Pfeffer, Kräutern und Grapefruit. Am Gaumen dann eine regelrechte „Attacke“: Straff, fein, mit heller Frucht und vielen Kräutern. Tief, kompakt, adstringierend und zupackend, mit würziger, zestiger Frische und einem enormen Potenzial im Finish. Ein Weingut, das man im Auge behalten sollte, denn die Weine sind in den letzten Jahren deutlich straffer, trockener und zupackender geworden – genau das, was ich von einem GG erwarte.

Und damit zu meinen persönlichen und qualitativen Highlights

Mittelrhein

2 Rieslinge. Alle aus 2023.

Gerade einmal zwei Weine, ein Weingut – da wäre es nicht fair, von einem repräsentativen Eindruck der Region zu sprechen. Schade, dass sich nicht mehr Betriebe beteiligt haben.

Rheingau

54 Rieslinge. 2023, wenn nicht anders angegeben

Der Rheingau steht ja seit einigen Jahren im Kreuzfeuer der Kritik – oft harsch, manchmal sogar genüsslich ausgeschlachtet. Ich verstehe den Kern dieser Kritik, doch vieles davon ist mir zu platt und zu wenig fundiert. Denn eines muss man klar sagen: Die Weine sind nicht per se schlecht. Ganz im Gegenteil – durch den oft leicht süßlichen Kern haben viele von ihnen beim Verkosten einen gewissen Charme. Für den „Otto-Normalverbraucher“ ist das sogar ein Pluspunkt: Diese Spur Extrazucker sorgt für Gefälligkeit und Trinkfreude, auch schon in der Jugend. Was uns Profiverkoster gelegentlich stört, macht die Weine für viele Weintrinker überhaupt erst zugänglich.

Was gesagt werden muss

Meine Kritik setzt daher an einem anderen Punkt an: Der VDP.Rheingau hat auch in diesem Jahr viele schöne, genüssliche Weine präsentiert, die auf einem soliden bis sehr guten Ortsweinniveau manchmal auch 1G-Niveau überzeugen. Doch genau hier liegt das Problem: Nur wenige Betriebe schaffen es konsequent, mit ihren GGs wirklich in die Liga der nationalen Spitze vorzustoßen. Die qualitative Spreizung bleibt deutlich sichtbar.

Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich das Bild zwar leicht verbessert, die Grundprobleme aber bleiben: zu oft fehlt es den Weinen an Tiefe, Festigkeit und der Komplexität, die man von einem VDP.GROSSES GEWÄCHS® erwartet – besonders bei einem Preisniveau von 35 € und mehr. Rieslinge, die sofort Spaß machen, aber kaum Reifepotenzial zeigen, sollte man ehrlicherweise als Ortsweine oder Erste Lagen etikettieren. Genau das war bereits im letzten Jahr mein Punkt – und er gilt auch heute noch: Wenn das GG-Symbol seinen hohen Stellenwert behalten soll, braucht es einen gleichmäßig hohen Mindeststandard. Dieser ist im Rheingau aktuell nicht gegeben, wobei das leider für alle Regionen gilt.

Dass es auch anders geht, beweisen einzelne Betriebe, die Jahr für Jahr überzeugen. Besonders hervorheben möchte ich Peter-Jakob-Kühn (PJK), Barth, Prinz und Weil, die für mich erneut die qualitative Spitze bilden. Daneben gab es Lichtblicke bei August Kesseler, Künstler (auch wenn es nicht meine Stilistik ist), Wegeler in Teilen sowie Oetinger (nicht angestellt).

Was bleibt, ist eine Region voller Geschichte, Charme und großartiger Landschaft, die ich persönlich sehr schätze. Umso mehr wünsche ich mir, dass der Rheingau wieder öfter die trockenen Weine in die Flasche bringt, die dieser Ruf verdient.

Highlights

Genug der kritischen Worte. Wenden wir uns meinen persönlichen Highlights aus dem Rheingau zu – denn die gab es durchaus. PJK lieferte in 2023 wiedermal die überzeugendste Kollektion ab. Die Weine wirkten durchweg saftig, frisch, dicht, sehr gut balanciert und mit dieser typischen von Kräutern und Würze geprägten PJK Aromatik. Sie reihen sich damit sehr gut in die Typizität des Jahrgangs ein. Vor allem die Premiere des Berg Schlossberg gelang dem Weingut aus dem Stand. Geprägt von Kräutern, und einer tiefgehenden dunklen Würze, zeigt er sich am Gaumen recht phenolisch, saftig, sehr präzise mit charmanter Säure und einem überzeugend langen feingliedrigen Finish.

Prinz überzeugte ebenfalls erneut, wenn auch mit weniger Dichte und Komplexität in den Weinen als in vorherigen Jahrgängen. Erwähnen möchte ich auch die seit dem Jahrgang 2021 wahrzunehmende Qualitätssteigerung im Weingut Wegeler. Richard Grosche bringt die Weine hin zu einem trockeneren, strafferen, präziseren Stil. Das setzt sich auch im Jahrgang 2023 fort. Eine begrüßenswerte Entwicklung, die auf viel Gutes hoffen lässt.

Unbedingt erwähenswert

Und dann ist da noch der 2024er Gräfenberg von Robert Weil. Ein Wein, der in seiner Jugend oft unterschätzt wird. Kreidig, mit heller, steiniger Frucht und einem Hauch von weißem Pfeffer, alles sehr leise und zurückhaltend. Genau so schmeckt ein junger Gräfenberg – und das wird oft übersehen. Doch wer die Weine aus Kiedrich nach 6-8 Jahren Reifung kennt, weiß, zu welcher Größe und Eleganz sie heranreifen. Und das Jahr für Jahr, zuverlässig. Ich durfte erst kürzlich wieder bei einer Vertikalverkostung von 2023-2012 des Gräfenbergs GGs teilnehmen und mich von der Güte der Weine überzeugen lassen. (Mein Bericht hierzu folgt in Kürze). Deshalb möchte ich betonen, dass der 2024er Gräfenberg der vielleicht beste junge Gräfenberg der letzten fünf Jahre ist, den ich im Glas hatte. Ich habe das schon über den 23er gesagt, aber 2024 hat nochmal eine Schippe drauf gelegt.

Nahe

23 Rieslinge. 2024, wenn nicht anders angegeben.

Gewohnt stark – und doch irgendwie ungewohnt schwach. Natürlich ist das Meckern auf hohem Niveau, aber das Grundniveau an der Nahe war schon einmal höher. Gleichzeitig muss man in 2024 auch gnädig sein: Die Winzer der Region hatten ein brutales Jahr.

Ein verheerender Frühjahrsfrost kostete nicht wenigen Betrieben fast die gesamte Ernte. Dann folgten Regen, hoher Pilzdruck und ein Herbst, der es extrem schwer machte, gesunde, vollreife Trauben zu lesen. Vielen Nahe-Winzern erging es wie den Winzern an Saar und Ruwer. Unter diesen Bedingungen ist die Leistung der Nahe-Winzer gar nicht hoch genug zu würdigen.

In der Spitze finden sich auch 2024 wieder fantastische Weine: kristallin, zart, mit rassiger Säure und viel innerer Spannung. Das sind keine Weine für den schnellen Genuss, sondern Langstreckenläufer, die ihre ganze Klasse erst mit Zeit und Geduld zeigen werden.

Beste Kollektion – Nahe

Die Kollektion des Jahres lieferte an der Nahe dieses Mal Schäfer-Fröhlich (SF). Sein 2024er Felseneck ist ein leises Monument. Klar, die typische Stinkernase von Schäfer-Fröhlich zu Beginn, dann viel Salzzitrone, helle Blüten, helle Würze alles fein und sehr dicht verwoben. Am Gaumen zeigt er sich salzig, zupackend, sehr kompakt und lebendig mit einem sehr langen bissigen Finish. Ein wahrlich großer Wein.

Bei Dr. Crusius möchte ich unbedingt die Kupfergrube erwähnen. Ein Wein, der alles hat. Feine reife Nase, zarter Schmelz am Gaumen, ordentlich Druck und ein langes saftiges Finish. In der üblichen starken Nahe Range gehen mir die Weine manchmal etwas unter. Wie ich finde allerdings zu unrecht. Denn die Güte der Weine ist für mich unbestritten.

Bei Dönnhoff war ich zu Beginn etwas am Hadern. Die Hermannshöhle zeigt sich zwar in der Jugend stets von ihrer leisen Seite, so leise wie in 2024 hatte ich sie jung allerdings noch nie im Glas. Mit viel Luft und Zeit offenbarte sie aber dann noch ihr ganzes Können. Könnte in 10 Jahren ein großer Wein werden.

Unbedingt erwähnenswert

Joh. Bapt. Schäfer’s Goldloch zeigte die für das Weingut so typische kristalline und sehr präzise herausgearbeitete Frucht. Hell, fein, saftig und mit einer spannenden, beißenden Phenolik am Gaumen überzeugte mich vor allem das dunkel-würzige Finish. Ein sehr gelungener Wein.

Zum Abschluss noch Kruger-Rumpf. Die zweitbeste Kollektion nach SF mit durchweg sehr überzeugenden GGs. An der Spitze der Burgberg. Dieses Jahr von seiner fruchtigen Seite. Sonst noch etwas verschlossen aber mit ungemein viel Zug, Spannung, sehr guter Balance , Salzigkeit und Länge am Gaumen. Ein sehr schönes GG.

Ich muss gestehen: Die Weine von Emrich-Schönleber haben mich in diesem wenig überzeugt und ratlos zurückgelassen. Vor allem der Halenberg wirkte überraschend reif und etwas müde ohne die gewohnte Spannung und Vibration. Immer noch ein gutes GG, verglichen aber mit den Vorjahren auf einem niedrigen Niveau.

Rheinhessen

31 Rieslinge. 2024, wenn nicht anders angegeben.

Nach der Pfalz zeigt sich Rheinhessen in diesem Jahr als die überzeugendste Region für Riesling. Das Grundniveau ist sehr hoch, und vor allem die Lagen rund um den Roten Hang haben 2024 von der guten Wasserversorgung profitiert. Lediglich die sonst so typische rote Würze habe ich hier ein wenig vermisst – die Weine wirkten insgesamt heller als gewohnt, zeigten dafür aber fantastische Länge, Dichte, Balance und Salzigkeit.

Wittmann liefert für mich die stärkste Kollektion: ein grandioses Brunnenhäuschen, dicht gefolgt vom Morstein – beide beeindruckend in Tiefe, Präzision und Ausstrahlung. Lediglich das neue GG aus dem Höllenbrand hinterlässt Fragezeichen: Sowohl stilistisch als auch qualitativ empfinde ich es nicht als sinnvolle Ergänzung zur sonst so klaren, ausdrucksstarken und hochklassigen Range der Wittmann-Rieslinge.

Battenfeld-Spanier überzeugte vor allem mit den Weinen aus dem Zellertal: Für mich der bisher beste Frauenberg von H.O., und auch der Kreuzberg ist in 2024 herausragend gelungen – auch wenn er streng genommen schon in der Pfalz liegt. Wenn wir von Herkunft sprechen, dann sind die Weine von Spaniers für mich Benchmark Exemplare. Wohl kaum einem Betrieb in Deutschland gelingt es bei Riesling so verlässlich die Reinheit der Herkunft ins Glas zu bringen. Weg von Winzer-Stilistiken wie künstlich erzeugter Reduktion oder starkem Einsatz von Neuholz.

Generell lässt sich festhalten, dass alle Lagen, die sonst stärker unter Trockenstress und Hitze leiden, enorm von der guten Wasserversorgung profitiert haben. Das zeigt sich beispielsweise im Höllberg von Wagner-Stempel, der für mich dieses Jahr stimmiger und balancierter wirkt als die Heerkretz.

Eine Erwähnung verdienen auch die Knewitz-Weine, die nicht nur ein neues Design tragen, sondern sich auch stilistisch spürbar verändert haben: mehr Finesse, mehr Ausdruck, weniger Opulenz – auch wenn hier immer noch eine (für mich zu deutliche) Winzerstilistik zu schmecken ist. Besonders Knewitz’ Steinacker ist in 2024 aber eine absolute Bank.

Was gesagt werden muss

Ein Wort muss ich – so schwer es mir fällt, weil ich die Menschen sehr schätze – zu den Weinen von Schätzel verlieren. Der inzwischen vollständig vollzogene Stilwechsel hin zu von Flor geprägten Weinen ist mit dem angestellten Pettenthal aus dem Jahrgang 2017 unübersehbar. Der Wein erinnert mich stärker an Sherry oder Vin Jaune aus dem Jura als an von Herkunft geprägte trockene Rieslinge. Selbst neutral verkostet, im direkten Vergleich mit ihren Nachbarn aus der Lage Pettenthal, ist die Herkunft nicht mehr erkennbar oder differenzierbar. Der Wein ist handwerklich zweifellos gut gemacht, aber für mich passen sie stilistisch nicht mehr in den Rahmen eines Riesling GG.

Und genau hier sehe ich den VDP gefordert: Ich frage mich, wie Weine dieser Stilistik die Anerkennungsprobe für ein Riesling GG bestehen können? Der Verband muss extrem aufpassen, nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wenn derartig stark von Winzerstilistik geprägte Weine eine GG-Zertifizierung erhalten, öffnet das langfristig Tür und Tor: Dann kann man im Prinzip alles als GG vermarkten, das nicht gerade nach Essig riecht.

Das klare Profil eines Riesling GG verwässert dadurch immer mehr – und genau das birgt die Gefahr eines langfristigen Vertrauensverlustes beim Konsumenten. Burgund und Bordeaux sind oder waren über lange Zeit hinweg auf einem sehr hohen Preisniveau, weil der Käufer sich unter anderem blind darauf verlassen konnte, einen klar definierten Geschmackstypus ins Glas zu bekommen. Wenn der VDP diese Positionierung auch für das GG erreichen und verhindern will, dass künftig nur einzelne Betriebe in die höchsten Preisregionen vordringen, während das GG als Ganzes an Strahlkraft verliert, muss hier dringend gehandelt werden.

Das ist keine Kritik an der handwerklichen Qualität einzelner Weine – die ist teilweise überragend. Aber ich frage mich, was das noch mit Herkunft zu tun hat, wenn der Geschmack von Stilistik dominiert wird.

Pfalz

71 Rieslinge. 2024, wenn nicht anders angegeben.

Insgesamt ein starkes Feld: ausdrucksstarke, körperreiche, aber kaum fette Weine. Die Kühle des Jahrgangs steht der von Grund auf warmen Pfalz spürbar gut.

An der Mittelhaardt stach für mich Bürklin-Wolf klar heraus – eine gewohnt souveräne Kollektion, die Herkunft und Tiefe vereint. Von Winning liefert ebenfalls qualitativ gute Weine, doch der massive Holzeinsatz verdeckt hier viele Unterschiede; die Herkunft tritt dadurch kaum hervor. Hier sind wir wieder beim angesprochen Thema der Winzerstilistik (siehe meinen Part zu Rheinhessen). Bassermann-Jordan zeigt 2024 eine sehr homogene Linie, leider mit oft ähnlicher, fast schon kitschiger Nase und wenig Charakter.

Dafür brilliert einmal mehr Acham-Magin mit einer Kollektion, die für mich die beste Pfälzer Klassik verkörpert. Ein echter Underdog an der Mittelhaardt, der jedes Jahr konsequent abliefert und dennoch viel zu wenig Beachtung findet.

Unbedingt erwähnenswert

Ein besonderes Wort möchte ich noch über die Rieslinge von Kranz verlieren. Hier ist in den letzten beiden Jahren ein deutlicher Qualitätssprung zu beobachten. Normalerweise sehe ich die Kalmit vor dem Kirchberg, da Letzterer in der Regel die wärmere und trockenere Lage ist. Doch das kühle, nasse Jahr 2024 hat dem Kirchberg extrem gutgetan: Entstanden ist ein heller, dichter, balancierter Riesling, geprägt von Salz, Kräutern und einer durch und durch kühlen Ader. Absolut beeindruckend, wie steil die Qualität hier aktuell nach oben zeigt. Ich habe es letztes Jahr in meinem Bericht bereits erwähnt und wiederhole es dieses Jahr gerne nochmal. Für mich aktuell der Rising-Star in der Pfalz.

Franken

16 Rieslinge. 2024, wenn nicht anders angegeben.

Ein solides Jahr für Franken – mit durchgehend gutem Grundniveau und einer Spitze, die erfreulich stark ausfällt. Die Weine zeigen sich kühl, fein und präzise, wirken dabei aber insgesamt etwas reifer und dadurch zugänglicher als an der Mosel. Dieser leichte Reifetouch steht vielen Weinen ausgesprochen gut.

Natürlich blitzt hier und da noch der Kitsch mancher alteingesessener Betriebe durch, aber selbst dort gab es positive Überraschungen: Das beste Beispiel ist der Stein-Berg vom Bürgerspital zum Hl. Geist – klar, elegant und deutlich fokussierter, als ich es erwartet hätte.

An der Spitze des fränkischen Rieslings thront auch 2024 wieder das bewährte Triumvirat: Fürst, Luckert und Weltner setzen die Messlatte hoch. Dicht dahinter folgen Weingut am Stein, Wirsching und das Bürgerspital, die allesamt mit sehr gelungenen Kollektionen überzeugten. Ebenfalls hervorzuheben ist Max Müller I, der mit zwei hervorragenden Rieslingen auf Augenhöhe mit der Spitze agiert.

Franken liefert damit erneut eine Kollektion, die Lust macht, die Region noch intensiver ins Glas zu nehmen.

Württemberg / Baden

17 Rieslinge. genannte aus 2023

Die wenigsten Rieslinge zeigen sich hier leider auf GG-Niveau. Deutlich heraus stechen allerdings die Lagen und Betriebe des Remstals – allen voran Haidle und Schnaittmann, die mit viel Ausdruck, Präzision und Tiefe überzeugen.

Ein Blick nach Baden lohnt sich bei den Weinen von Burg Ravensburg. Das Weingut präsentierte zwei anerkennenswert gereifte Rieslinge, die sich angenehm vom restlichen Feld abheben.

Fazit

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Was bleibt also nach diesen drei langen, intensiven und lehrreichen Tagen als Essenz übrig? Zunächst einmal möchte ich betonen, dass meine Eindrücke immer Momentaufnahmen sind und entsprechend eingeordnet werden sollten. Es sind Puzzleteile, die sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen.

Einige der in Wiesbaden angestellten Rieslinge hatte ich bereits im Frühsommer als Fassprobe auf meinen Weingutsbesuchen verkostet. Oft hat sich mein Ersteindruck bestätigt oder gar gefestigt.

Zum Jahrgang 2024

2024 zeigt sich für mich insgesamt als ein homogener Riesling-Jahrgang: wenige Ausreißer nach oben, ebenso wenige nach unten. Die Weine wirken oft fein, kristallin und zart, mit einer rassigen, aber nicht ganz so fordernd spitzen Säure wie 2021. Allerdings gibt es auch Weine, die – wenn sie nicht ganz reif genug gelesen wurden – eine deutlich spitzere, fast grüne Säure zeigen, die den Trinkfluss im Moment klar einschränkt.

Es ist ein Jahrgang, der Zeit braucht – die wahre Güte wird sich wohl erst in 5 bis 10 Jahren zeigen. In der Spitze gefällt mir 2024 bereits jetzt besser als 2023; es erinnert mich eher an 2014, vielleicht sogar an 2004. Klar, 2024 bringt nicht die sofortige Saftigkeit und den frühen Spaß von 2023 mit, doch ich bin überzeugt: Die besten 24er werden die besten 23er in 10 bis 15 Jahren in puncto Brillanz, Finesse und Länge übertreffen.

Aus Konsumentensicht heißt das daher umso mehr: sorgfältig auswählen. Denn sauer macht lustig mag vielleicht an Halloween gelten – beim Reifen großer Rieslinge aber ganz sicher nicht. Besonders die Mosel hatte es 2024 schwer: Einige Weine wirkten hier zu dünn, mit unreif-spitzer Säure, wobei dieser Eindruck auch in anderen Regionen immer wieder aufblitzte.

Merci

Zum Abschluss möchte ich dem VDP und dem gesamten Orga-Team rund um Theresa Olkus und Hilke Nagel in Wiesbaden ein großes Dankeschön aussprechen – für die Einladung zu dieser außergewöhnlichen und perfekt organisierten Veranstaltung. Es war mir eine echte Freude und Ehre, dabei zu sein! Sehr gut gefiel mir dieses Jahr, dass der VDP nun den Aufbau der Flights geändert hat. Es wurde nicht mehr primär nach den Lagen, sondern nach den Jahrgängen sortiert. Das gab uns Verkostern die Chance, die Jahrgänge im direkten Vergleich besser einzuordnen. Eine, wie ich finde, gelungene Änderung im Verkostungsschema.

Noch ein Hinweis: Nur weil ein Wein es nicht in meine detaillierten Beschreibungen geschafft hat, bedeutet das keineswegs, dass er qualitativ schwach war. Ich habe alle Rieslinge verkostet und dabei sowohl versucht, sie objektiv zu bewerten als auch meine ganz persönlichen Eindrücke festzuhalten.

Meine Eindrücke zu den Burgundern und Silvanern gibt es hier zu lesen.

That’s it für meine diesjährigen Eindrücke der VDP GG Vorpremiere aus Wiesbaden. Over and out.

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Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl
Header und Ende: © VDP by Peter Bender

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Regina Rosenkohl
    September 4, 2025 20:32

    Ganz toll diese Analyse, vielen Dank fürs Teilhaben lassen!
    Zum Thema Flor-Wein vs. GG: ich habe die Tage darüber gegrübelt inwieweit sich Tradition und Innovation ausschließen, konkret auch mit Bezug zum VDP. Und dann habe ich von den Schätzel-Weinen gelesen und gedacht: „Super, Innovation trotz Tradition, geht ja doch!“ Aber Deinen Punkt verstehe ich auch, denn wenn die Ziele des ganzen GG-Gedöns nicht klar genug definiert sind, fängt man an Birnen und Äpfel zu vergleichen, das macht auch keinen Sinn. Aber irgendwie finde ich es von Schätzel schon ziemlich cool, und ja, innovativ, die Regeln des VDP dermaßen auszutesten.

    Antworten
    • Danke dir für deinen Kommentar! 🙌

      Ich finde es großartig, dass Schätzel so konsequent seinen eigenen Weg geht – und ja, das hat definitiv etwas von mutiger Innovation. Gleichzeitig sehe ich genau hier die Herausforderung für den VDP: Wenn die Spielregeln für ein GG nicht klar und verbindlich definiert sind bzw. diese ohne Konsequenzen so stark gedehnt/überdehnt werden wie mit Schätzel 17er Pettenthal GG, geraten wir schnell in eine Situation, in der völlig unterschiedliche Stilistiken unter demselben Label (GG) laufen. Dann vergleicht man irgendwann Äpfel mit Birnen, und der Verbraucher weiß nicht mehr, wofür ein Riesling GG eigentlich steht.

      Das Spannende ist ja: Innovation innerhalb klarer Leitplanken kann extrem befruchtend sein. Wenn diese Leitplanken aber fehlen oder zu weit gefasst sind, droht das Profil der Kategorie zu verschwimmen – und langfristig leidet die Glaubwürdigkeit.

      Ich glaube, das ist genau der Spagat, vor dem der VDP steht: Wie viel Innovation verträgt ein GG, ohne dass Herkunft und Typizität auf der Strecke bleiben?

      Antworten

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