Von stillen Meistern bis zu jungen Wilden: Meine spannendsten Neuentdeckungen und Highlights von der Printemps des Champagnes 2025 – pur, präzise, poetisch.

Max Kaindl, 5. Mai 2025
Lesezeit etwa 7 Minuten

Le Printemps des Champagnes 2025: Meine Entdeckungen und Highlights

Meine Entdeckungen

Marie Copinet – Kreide trifft Konsequenz

Was Marie-Laure und Alexandre Copinet in Le Sézannais erschaffen haben, ist nichts Geringeres als ein Meisterwerk auf Kalkbasis. Ihre Champagner sind wie ein Florett – präzise, sehnig, elegant. Der Ausbau? Ein Spielplatz für Textur: Amphoren, Eier, Akazie, 300l-Barriques – alles aus der Region, alles bewusst gewählt. Selbst die Hefen kommen von den eigenen Parzellen. Wer glaubt, Biodiversität sei nur ein Buzzword, sollte sich die Bienenstöcke, Insektenhotels und Marienkäfer-Schutzprojekte in ihren Weinbergen anschauen. Das schmeckt man. Jeder Schluck ihrer Cuvées ist ein poetisch geschliffener Ausdruck von Boden, Zeit und Haltung.

Carré Frères – Chardonnay mit Charakter, nicht Chichi

Eduard Carré? Der neue Blonde am Chardonnay-Himmel – jung, wild, kompromisslos. Seine 21 Hektar? Ein Mosaik alter Reben in Trépail, Verzy und Les Riceys, das klingt wie Musik und trinkt sich noch besser. Spontangärung, Demi-Muids, Biodiversität ohne Bio-Pathos. Die Einzellage Le Champ Jéanvrai? Ein Premier-Cru-Blanc de Blancs von 1964 gepflanzten Reben – 1503 Flaschen. Das ist kein Champagner. Das ist ein Manifest.

Sylvie Moreau – Meunier mit Seele

Wenn man mit Sylvie spricht, hört man die Wurzeln knacken. Ihre Weine kommen aus dem Val de Marne, sind geprägt von Meunier, und zeigen: Eleganz braucht kein Lametta. Handwerk statt Hochglanz. Kupfer, Schwefel, Pflanzentees, null Herbizide. Minimaler Schwefel, maximaler Ausdruck. Ich war überrascht, wie fein, duftig und lang ihre Cuvées sind – nichts Rustikales, alles klar gezeichnet. Ein Haus, das in Ruhe laut wird.

Pascal Mazet – Bio seit bevor es cool war

Schon 2009 biozertifiziert – in der Champagne eine Pionierleistung. Alte Fässer, mindestens fünf Jahre Hefelager, kein Rumgehampel. Hier wird Champagner gemacht, nicht vermarktet. Olivier Mazet führt heute Regie – und wie. Der Stil? Warm, reif, finessenreich. Kein Greenwashing, sondern echte, bodenständige Überzeugung. Und das schmeckt man bei jedem Schluck.

Emmanuel Brochet – 2,5 Hektar Rebellion

Le Mont Benoît ist Brochets Bühne – eine einzige, biodynamisch bewirtschaftete Parzelle voller Energie. Seine Weine? Haben Grip, haben Griff, haben Seele. Kein Schnickschnack, keine Filtration, keine Malolaktik. Dafür Spannung, Tiefe und eine Länge, die du nicht vergisst. Brochet ist kein Showman – aber seine Champagner schreien leise. Und das mit Wucht.

Bardiau – Portlandien Power

Verpilliers-sur-Ource. Noch nie gehört? Genau deshalb müsst ihr Bardiau probieren. Jeremy Bardiau hat das, was viele suchen: Terroir, das anders tickt. Portlandien statt Kimmeridge. Kalk, der die Zunge tanzen lässt. Seine Einzellagen „La Croix Maître Anne“ (Chardonnay) und „Besace“ (Pinot Noir) sind wie zwei Seiten derselben Medaille: vibrierend, mineralisch, komplex. Ein Geheimtipp? Noch. Aber nicht mehr lange.

Meine Highlights

Aurore Casanova – Tanz mit Textur

Ballett war ihr erstes Leben. Champagner ist ihr zweites – und was für eins. Aurore Casanova verbindet Eleganz und Präzision, wie man es selten schmeckt. Ihre Cuvées wirken wie choreografierte Kompositionen: leichtfüßig, klar, dabei tief und fokussiert. Kein Gramm zu viel, kein Move ohne Sinn. Was sie auf 8 Hektar verteilt auf Mesnil, Champvoisy und Puisieulx an Ausdruck schafft, ist hohe Schule. Biodynamisch, charaktervoll, voller innerer Spannung. Wenn Champagner ein Pas de deux sein kann – dann mit Aurore.

Huré Frères – Ludes lehrt Demut

Der Besuch bei François Huré war kein lautes Ereignis. Aber ein prägendes. Hier wird nicht gepoliert – hier wird präzisiert. Alles, was aus Ludes kommt, verlangt Aufmerksamkeit. Kein Champagner für Instagram. Sondern für Menschen, die zuhören können. Das Mémoire, gespeist aus einer perpetuellen Reserve seit 1982, ist mehr als ein Wein – es ist Erinnerung in Flüssigkeit gegossen. Keine Malo, viel Frische, keine Kompromisse. Huré macht nichts, um zu gefallen. Und genau das gefällt mir so sehr.

Jules Brochet – Selosse-Schüler mit eigener Stimme

Pierric Brochet hat bei Jacques Selosse gelernt – und das merkt man. Aber er kopiert nicht. In Taissy, südlich von Reims, hat er sich seine eigene Sprache erarbeitet. Die Weine: klar, tief, unaufgeregt pointiert. Biodynamisch? Ja. Spontan vergoren? Ja. Aber nie ideologisch, sondern immer aus Überzeugung. Ein junger Winzer mit Vision. Und einer der wenigen, die die Balance zwischen Komplexität und Trinkfreude wirklich beherrschen.

Bourgeois-Diaz – Das andere Ende der Champagne

Crouttes-sur-Marne. Da, wo der Wald beginnt, hört der Mainstream auf. Jérôme Bourgeois macht kein Weinchen – er macht Charakter. Seine 6,8 Hektar sind biodynamisch wie aus dem Bilderbuch, die Weine komplett ungeschminkt. Alte Korbkelter, wilde Hefen, null Filtration – hier steht nichts im Weg. Stil? Weinig, dicht, steinig, nie laut, nie anbiedernd. Die 3C ist Everybody’s Darling, die raren Cuvées sind Kult – besonders in Japan und Skandinavien. Und: zurecht.

Bonnet-Ponson – Chamerys leiser Riese

Grégoire Bonnet hat 1862 begonnen, heute führt Cyril Bonnet das Haus – mit radikaler Stilwende. Keine Dosage, spontane Vergärung, Null-Filtration. Früher klassisch, heute kompromisslos eigenständig. 10 Hektar, Premier- und Grand-Cru-Parzellen, biologisch bewirtschaftet. Die Weine sind pur, mineralisch und haben einen fast burgundischen Zug. Der Seconde Nature war 2019 schon ein Statement – jetzt sind sie angekommen. In der Spitze. Und bei mir auf der Shortlist.

Etienne Sandrin – Der stille Meister aus Celles

Etienne Sandrin ist vielleicht der unauffälligste Superstar der Côte des Bar. Ehemals Anwalt, heute biodynamischer Terroirflüsterer mit nur 4 Hektar. Kein Holz, keine Dosage-Show, keine Öffentlichkeit. Seine Champagner sind leise – aber sie hallen nach. Der À travers Celles ist pure Energie in Flaschenform. Tiefe, Würze, Textur, Balance. Die Weine sind eigen, aber nie eitel. Wer Sandrin einmal verstanden hat, will mehr. Das Problem: Es gibt fast nichts.

Domaine Vincey – Grand Cru mit Gänsehaut

Oger. Mesnil. Avize. Wer Chardonnay liebt, kennt die Namen. Quentin Vincey bringt sie mit messerscharfer Klarheit ins Glas. Und das auf biodynamischer Basis. Keine Chaptalisierung, lange Fassreife, langes Hefelager. Die Weine sind dichte, elegante Brocken Côte des Blancs – voller Druck, voller Finesse. Der Extra Brut schiebt wie ein Porsche in der Kurve, bleibt aber immer auf der Spur. Ein Winzer mit Haltung, ein Haus mit Zukunft.

Chartogne-Taillet – Der Selosse-Geist lebt

Alexandre Taillet war Schüler von Anselme Selosse. Und das merkt man. Aber er hat längst seine eigene Handschrift gefunden. Merfy, 11 Hektar, biodynamisch. Der Stil: salzig, lang, texturiert, durchdrungen von Herkunft. Es gibt keinen Wein, bei dem man die Böden so schmeckt. Taillet ist kein Lautsprecher – aber er ist laut in der Tiefe. Seine Champagner sind keine Weine für nebenbei. Sondern flüssige Landkarten. Großes Kino.

Pascal Agrapart – Côte des Blancs in Reinkultur

Agrapart ist Legende. Punkt. Avize, Grand Cru, Chardonnay. Aber kein Gramm Arroganz. Pascal Agrapart macht das, was andere predigen: ehrliches Handwerk, biodynamisch, spontan, ohne Chichi. Seine Cuvées – Minéral, Avizoise, Vénus– sind Blaupausen dafür, wie Terroir schmeckt, wenn man nicht dazwischenfunkt. Fast 40 Jahre alte Reben, alte Fässer, keine Zusätze. Wer verstehen will, warum Champagner Weltklasse sein kann – hier beginnt die Reise.

Cazé-Thibaut – Vallée de la Marne, aber anders

Fabien Cazé ist jung, wild und präzise. Schon nach dem zweiten Release bei „Terres et Vins de Champagne“ – das muss man erst mal schaffen. Seine Weine? Parzellengenau, spontanvergoren, kaum geschwefelt, unfiltriert. Der Stil ist glockenklar, salzig, strukturiert. Und: irre selten. Nur 2,6 Hektar, das meiste schon vorreserviert. Wer was bekommt, darf sich freuen. Wer was trinken darf, wird’s nicht vergessen.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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