Manchmal merkt man erst beim Wiedersehen, wie sehr man jemanden und einen Ort vermisst hat. So ging es mir im Frühjahr, als ich nach längerer Zeit endlich wieder bei Georg Lingenfelder in Großkarlbach war. Georg kenne ich seit seinem Debüt-Jahrgang 2020, und seitdem verfolge ich seinen Weg eng. Aus der anfänglichen Neugier wurde über die Jahre eine herzliche Freundschaft. Umso schöner war es, an diesem Nachmittag wieder mit ihm durch die Weinberge zu ziehen und tief in seine Lagen – und in den Boden – einzutauchen.

Max Kaindl, 02. Juni 2025
Lesezeit etwa 4 Minuten

Georg Lingenfelder: Kalk. Sand. Und ein spannendes Riesling-Debüt

Kalk. Weiß. Tiefgründig. Stube.

Erste Station: Stube.
 Wir graben uns durch die Erde. Es dauert keine zwanzig Zentimeter, da liegt er frei: weißer Kalkstein. Hart. Trocken. Karg. Hier wachsen Reben unter extremer Spannung. Wasser gibt es nur aus tiefsten Schichten. Keine Reserve. Kein Puffer. Das zwingt die Pflanzen zur Selektion. Kleine Beeren, niedrige Erträge, maximale Konzentration.

Im Glas spürt man das. Die Weine von hier sind keine Blender. Sie sind reduziert. Linear. Mit salziger Präzision. Kalk macht leise Töne. Aber die bleiben.

Sand. Fein. Durchlässig. Musikantenbuckel.

Dann: Musikantenbuckel.
Nur wenige Kilometer entfernt – und doch ein anderer Planet. Reiner Sand. Warm, luftig, ohne Haltevermögen. Wasser läuft durch, kaum gespeichert. Hier müssen die Reben anders arbeiten, schneller reagieren. „Hier darfst du nie die Laubarbeit verschlafen“, sagt Georg. Zu viel Sonne – und die Beeren brennen. Zu wenig – und der Wein wird grün.

Der Unterschied im Charakter?
Musikantenbuckel gibt mehr Duft. Mehr Offenheit. Keine Kalkspannung, dafür ein luftiges, verspielteres Profil.

Georg. Kein Dogma. Viel Haltung.

Was mich bei diesem Besuch erneut beeindruckt hat: Wie klar Georg seinen Weg geht. Er ist überzeugter Biowinzer, ja. Aber keiner, der das auf die Fahne schreibt und dann dogmatisch abnickt. „Mir geht es darum, dass die Weine ehrlich sind. Keine Show. Keine Maskerade.“

Dry Farming? Klar.
Keine Filtration? Standard.
Minimaler Schwefel? Logisch.
Aber alles mit Verstand, nicht mit Ideologie.

Und das merkt man: Seine Weine wirken nie bemüht „anders“, sondern selbstverständlich eigenständig.

Zurück im Hof. Drei Weine. Und einer, der hängen bleibt.

Nach dem Deep Dive in den Boden ging es zurück zum Weingut: kurzer Stopp im Keller (spannende Fassproben), dann raus in den Hof. Frühling, Sonne, drei Weine auf dem Tisch.

Morio Muskat 2023: floral, vibrierend, macht einfach Laune.
Sylvaner 2023: dicht, kräuterwürzig, salzig. Einer der besten Sylvaner, außerhalb Frankens.
Und dann: Stube Riesling 2023.

Stube Riesling 2023. Kein Kompromiss.

In der Nase: reifer Pfirsich, Limette, Holunder.
Am Gaumen: Salz. Phenolik. Ziselierte Struktur.

Was mich an diesem Wein fasziniert: Er verbiegt sich nicht.
Die Säure steht nicht vordergründig da, sondern wird von Kalk und Kräutrigkeit getragen. Das ist kein „Everybody’s Darling“-Riesling. Das ist einer, der fordert. Der klare Kante zeigt. Und dabei enorm animierend bleibt.

Release: Anfang Juni.

Was bleibt nach so einem Nachmittag?

Noch mehr Respekt für das, was Georg Lingenfelder da leise, aber sehr konsequent aufbaut. Seine Weine sind keine lauten Markenprodukte, sondern ehrliche Pfälzer Charakterweine mit Tiefgang. Kein Kalkül. Kein Dogma.

Und ich bin mir sicher: von diesem Namen wird man noch deutlich mehr hören. Ich bleibe dran.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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