Ein Frühlingstag in Ingelheim, die Sonne steht tief, das Licht ist weich, der Kies knirscht unter unseren Schuhen. Marius Frick neben mir, beide voller Vorfreude. Ich bin zum ersten Mal hier bei Carsten Saalwächter. Einer, der mit Anfang 30 schon Silvaner auf Weltklasse-Niveau macht. Und das, ganz ohne großes Getöse.
Max Kaindl, 03. Juni 2025
Lesezeit etwa 5 Minuten
Silvaner. Saalwächter. Satt.

Der Mann hinter dem Silvaner-Wahnsinn
Carsten Saalwächter ist keiner, der sich selbst lange erklärt. Kein Auftrittsmensch. Eher der leise Typ, der lieber zuhört, als zu reden – bis es um Wein geht. Dann wird er präzise. Klar. Zielstrebig. Und je länger man mit ihm spricht, desto mehr wird einem bewusst, dass sein Weg zwar kurz war, aber alles andere als bequem.
Statt Hochschule: Ausbildung bei Ziereisen, Becker, Stodden und im Burgund. Statt Rezepte zur Weinerzeugung: Erfahrung. Statt Absicherung: Intuition. Der Keller in Ingelheim ist sein Labor – aber ohne sterile Handschuhe. Hier wird angefasst, probiert, gemacht. Und es ist genau dieser unprätentiöse Zugang zum Wein, der seine Silvaner so glaubwürdig macht.
Dass er heute mit Anfang 30 als einer der spannendsten Silvaner-Winzer Deutschlands gilt, ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis aus klarem Anspruch, großem Können – und einem Stück Mut, der dieser Rebsorte in Deutschland aus meiner Sicht oft fehlt.
Ich verfolge seine Weine seit Jahren, vor allem die Silvaner. Sie haben etwas Unbeirrbares. Sicherlich kein Stil, der gefallen will. Sondern einer, der überzeugt – zumindest mich. Mit Substanz, Spannung und dieser unterschwelligen Kraft, so typisch für Carstens Weine.




Warum ausgerechnet Silvaner?
„Weil’s keiner macht.“ Carstens Antwort ist so schlicht wie entlarvend. Denn tatsächlich ist Silvaner hierzulande entweder verkopft oder komplett egal. Beides interessiert ihn nicht. Stattdessen: Muschelkalk, alte Reben, Alte große Holzfässer und eine Stilistik, die man eher in Meursault oder im Jura verorten würde als am Rhein.
Nach einem langen Gespräch im Garten steigen wir hinunter in den alten Keller. Ein paar Fassproben später ist klar: Diese Weine sind kein Zufall. Sie sind Haltung im Glas.
Sein Anteil liegt inzwischen bei über 60 Prozent im Betrieb – ein Statement. Und spätestens nach der 2022er Probe war für mich klar: Was er mit dieser Rebsorte macht, ist nicht nur eigenständig – es ist schlichtweg grandios.
Vier Silvaner, vier Facetten – 2022 im Fokus
Silvaner Alte Reben 2022
Kalk, Osthang, fast 50 Jahre alte Reben. Kein lauter Auftritt, sondern leise Tiefe.
In der Nase Rauch, Heu, etwas Steinobst – zurückhaltend, fast scheu. Am Gaumen dann konzentriert, rauchig, kühl, mit feinem Grip.
Für mich der eleganteste der Vier – getragen von einer inneren Dichte, die man nicht oft findet. Kein Wein, der alles will – sondern einer, der genau weiß, was er ist.


Silvaner Steinkante 2022
Der Newcomer. Und was für einer.
Die Nase schiebt: Nussbutter, schwarzer Tee, Popcorn, dunkler Stein. Null Frucht, null Gefälligkeit. Dafür maximaler Charakter. Im Mund straff, salzig, mit diesem Austerntouch, den ich sonst nur aus dem Jura kenne.
Wer wissen will, wie kompromisslos Silvaner sein kann – hier entlang.
Silvaner St. Laurentius 2022
Das Teschke-Erbe. Wild und trotzdem präzise.
Kurkuma, Quittenschale, ein Hauch Kiwi, dazu dunkles Gestein. Am Gaumen enormer Druck, aber alles bleibt auf Linie. Die Gerbstoffe sind da, spürbar – aber fein. Die Spannung zwischen Herkunft und Handschrift funktioniert.
Das ist kein einfacher Wein, aber ein ehrlicher.


Silvaner Grauer Stein 2022
Der Grand Cru im Quartett. Reduktion, Zitrus, Kalk. Dicht, kühl, fast karg.
In der Nase zwischen Meursault und Arbois, im Mund kristallin, salzig, pur. Kein Silvaner, den man nebenbei trinkt – eher einer, dem man zuhört. Der Wein hat Druck, Zug, Länge – und diese fast greifbare Mineralität, die nicht laut ist, aber bleibt.
Für mich einer der besten Silvaner, die ich je getrunken habe.
Rückblick – und ein Blick nach vorn
Der Besuch bei Carsten Saalwächter war keine Offenbarung. Dafür war ich zu vorbereitet. Ich wusste, was kommt – nur nicht, wie klar und konsequent es schmeckt. Seine Weine sind das Gegenteil von modisch. Sie folgen keiner Welle. Carsten ist kein Silvaner-Winzer. Er ist ein Silvaner-Denker. Er hebt die Rebsorte in Rheinhessen aus ihrem Schattendasein, zeigt, dass Silvaner nicht neutral sein muss, sondern vibrierend, kantig, vielschichtig. Seine Weine polarisieren. Und vielleicht ist es genau das, was sie so besonders macht.
Dass er mit Silvaner in die erste Reihe deutscher Winzer vorgestoßen ist, ist kein Hype. Sondern Handwerk, Herkunft und Haltung. Ganz ohne Lärm.






