Es gibt diese Reisen, die dich verändern. Nicht weil du dich darin verlierst, sondern weil du dich in etwas Größerem wiederfindest. Die Printemps des Champagnes 2025 war genau das für mich: kein klassisches Event, keine normale Verkostung, kein Pflichttermin – sondern ein tiefes Eintauchen in eine Welt, die so komplex wie verführerisch ist. Mein erstes Mal auf der Printemps – und ganz sicher nicht das letzte.

Max Kaindl, 21. April 2025
Lesezeit etwa 5 Minuten

Le Printemps des Champagnes 2025 –
Champagne unplugged

Was ist die Printemps des Champagnes?

Fünf Tage. 27 Winzervereinigungen. Hunderte Champagner. Tausende Eindrücke. Die Printemps ist kein Festival, sie ist ein Ausnahmezustand – exklusiv für Fachbesucher, die bereit sind, sich auf eine tief gehende Erfahrung einzulassen. Zwischen Reims und Épernay öffnen die Winzer ihre Keller, präsentieren ihre Weine – von Vins Clairs über gereifte Jahrgänge bis hin zu Experimental-Cuvées. Es ist ein Parcours der Sinne, ein Labor der Ideen, ein Schaufenster dessen, was Champagne heute ausmacht – und morgen sein kann.

Die Region Champagne: Luxus, Kreide und Konsequenz

Keine Region steht so kompromisslos für Qualitätsschaumwein wie die Champagne. Hier, im nördlichsten Zipfel des französischen Weinbaus, wächst Exzellenz auf Kalk. Die drei Leit-Rebsorten Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier prägen das Bild – jede Sorte mit ihrer eigenen Bühne, jedem Terroir seine eigene Sprache.

Und dann ist da noch der Luxusaspekt: Champagner ist nicht nur ein Wein. Er ist ein Versprechen – auf Präzision und Lebensgefühl, auf Größe im Glas. Und dieses Versprechen erfüllt sich nirgendwo so greifbar wie bei den Winzern, die aus kleinen Parzellen große Ideen keltern. Winzerchampagner ist kein Trend. Er ist eine Bewegung.

Mein Eindruck: tief, ehrlich, fordernd

Ich kam mit einer Erwartung. Ich ging mit Demut. Die Printemps hat mir gezeigt, was Champagner abseits der bekannten Marken bedeutet: Transparenz. Identität. Mut. Über 500 Weine habe ich verkostet – von kristallklaren Vins Clairs über knochentrockene Brut Nature bis zu expressiven Jahrgangschampagnern.

Und ja, ich habe viel gelernt. Dass ich noch lange kein Experte bin, zum Beispiel. Aber auch: dass man sich Geschmack erarbeiten kann. Dass Pinot Meunier völlig unterschätzt wird. Und dass ein Blanc de Blancs aus Avize auf Kreide so glockenklar singen kann, dass einem schwindlig wird.

Meine Highlights und spannendsten Neuentdeckungen kannst du hier nachlesen.

Climate X Champagne: Realität ohne Weichzeichner

Einer der intensivsten Momente war die Masterclass „Climate X Champagne“ von Terres et Vins. Keine Floskeln, keine Show – sondern ehrlicher Diskurs. Der Klimawandel ist kein Zukunftsszenario. Er ist längst da. Die meisten Winzer der Champagne begegnen ihm nicht mit Dogmen, sondern mit Anpassung: präziser Lesezeitpunkt, selektive Erträge, neue Kellerstrategien.

Wir diskutierten intensiv über Anpassungen im Laubwandmanagement, der Bodenbearbeitung, Der Re-Vitalisierung von Böden, Anpassungen der Ernteprozesse, neue Pressverfahren, Zusammensetzung der Presscuvée und vieles mehr. Kurzum: Es war freakig aber leerreich und hoch spannend.

Die begleitende Verkostung sprach Bände. 2003: warm, satt, spannungslos. Dagegen 2013, 2018, 2022: fokussiert, kraftvoll, voller Leben. Wer zuhört – und probiert –, spürt: Die Champagne steht am Scheideweg. Aber die Meisten sind bereit, ihn zu gehen. Nicht laut, nicht dramatisch – sondern entschlossen und mit Substanz.

Jahrgang 2024: Kompliziert, aber vielversprechend

Wenn es ein Wort gibt, das den Jahrgang 2024 beschreibt, dann ist es wohl „kompliziert“. Fast jeder Produzent sprach davon, dass 2024 eines der herausforderndsten Jahre der letzten Dekaden war. Dauerregen, Hagel, Mehltau, Frost – das volle Programm. Nicht wenige haben mehr als die Hälfte ihrer Erntemengen verloren. Und dennoch: Ausgerechnet dieses Jahr hat viele Weine mit Tiefe, Frische und Charakter hervorgebracht. Kleine Mengen, große Spannung.

Was bleibt? Die Grundweine zeigen klaren Fruchtkern, präzise Säure und echtes Entwicklungspotenzial. Die Kunst wird sein, dieses Potenzial im Keller klug zu formen.

Was bleibt?

Ein Notizbuch so voll, dass es kaum zugeklappt werden kann. Ein Kopf voller Fragen. Ein Herz voller Begegnungen. Die Printemps war für mich vor allem eines: menschlich. Ich habe kluge, leidenschaftliche Menschen getroffen. Menschen mit Haltung, mit Vision, mit Geschmack. Winzer, die mehr können als nur Flaschen füllen – sie erzählen Geschichten. Im Glas, im Gespräch, in ihrer Art, die Dinge anzugehen.

Champagne ist kein Hype – sie ist Haltung

Die Printemps ist kein Event, das man einfach abhakt. Sie ist eine Schule – und ein Spiegel. Wer hier zuhört, versteht schnell: In der Champagne geht es nicht (mehr) nur um Prestige, sondern um Präzision. Um Herkunft. Um Ideen. Und um die Bereitschaft, mit der Zeit zu gehen ohne das man mit der Zeit geht.

Ich bin mit großer Hochachtung zurückgereist. Und mit dem Gefühl: Die Champagne ist spannender denn je. Und ich stehe ganz am Anfang. Und das ist gut so.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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