An einem sonnigen Tag Ende August zog es mich mal wieder nach Rheinhessen – genauer gesagt nach Alsheim, zu Elisabeth Muth vom VDP Weingut Rappenhof. Seit vier Jahren komme ich regelmäßig hierher, um ihre Weine zu verkosten und mich mit ihr über die Entwicklungen auf dem Weingut auszutauschen. Diesmal war es aber anders. Denn mit dem Jahrgang 2024 hat sich einiges geändert. Ihr Mann Johannes ist in den Betrieb eingestiegen und kümmert sich jetzt um den Außenbetrieb – und die beiden krempeln das Weingut ordentlich um.

Max Kaindl, 27. Oktober 2024
Lesezeit etwa 8 Minuten

Rappenhof 2.0: Tradition und Vision –
Ein Weingut im Aufbruch

Zitterpartie im Weinberg: 2024 im Zeichen der Naturgewalten

Schon auf der Fahrt zu den berühmten Alsheimer Lösswänden, einem kleinen Abstecher, den wir vor der Verkostung einlegten, spürte ich, wie sehr Elisabeth in Gedanken bei den Herausforderungen des letzten Jahres war. „2024 war eine echte Zitterpartie“, sagte sie mir, während wir auf den weichen Lössboden traten, der sich wie ein Teppich unter unseren Füßen ausbreitete. „Die nasse Witterung hat uns wirklich alles abverlangt. Es war fast unmöglich, die Trauben gesund zu halten.“ Das extreme Wetter erforderte einen enormen Einsatz in den Reben. Gleichzeitig mussten sie beinahe die komplette Mannschaft neu besetzen – eine Herausforderung, die sie gemeinsam mit Johannes jedoch irgendwie gemeistert haben.

Der Lössboden, über den wir liefen, ist ein wahres Naturwunder. Elisabeth erzählte mir von seiner Fähigkeit, Wasser zu speichern, und wie er den Reben in Trockenjahren einen enormen Vorteil verschafft. In diesem Jahr aber, mit dem vielen Regen, wurde es eher zur Belastung. Die Böden waren ständig feucht, was den Krankheitsdruck auf die Reben erhöhte. „Es war ein Jahr der ständigen Anpassung“, erzählte sie. „Wir mussten die Natur nehmen, wie sie kommt.“

Probieren geht über studieren

Zurück auf dem Rappenhof, setzten wir uns in den idyllischen Garten des Weinguts – umgeben von alten Apfelbäumen, durch die die Sonne blitzte, und zwei Hunden, die um uns herumtollten. Wir widmeten uns dennoch der Verkostung des 2023er Jahrgangs. Dieser war, im Gegensatz zu 2024, ein nahezu perfektes Jahr – harmonisch, trocken und mit optimaler Reife. Und das spiegelte sich in den Weinen wider.

Tasting Notizen

Alsheim Chardonnay, 2023

In der Nase zeigt dieser Chardonnay eine dezente helle Frucht, weiße Blüten und eine leichte Zitrusnote.

Am Gaumen kühl und harmonisch mit subtiler Laktik und zartem Hefeton. Das Holz ist zurückhaltend eingebunden, was dem Wein eine elegante Frische verleiht.

Ein leicht zerfließendes, dennoch gut balanciertes Finish mit erfrischender Leichtigkeit.

Oppenheim Riesling Aus Ersten Lagen, 2023

In der Nase charmant und opulent mit ausgeprägter gelber Frucht und blumigen Aromen.

Am Gaumen zeigt sich ein fruchtbetontes Süß-Säure-Spiel, das cremig und weich wirkt.

Ohne die letzte Konzentration, aber dennoch ein „People pleaser“ mit fließendem Charakter und verführerischer Leichtigkeit im Finish.

Alsheim Riesling Wurzelecht Aus Ersten Lagen, 2023

In der Nase hellfruchtig mit weißem Pfirsich, weißen Blüten und einem Hauch von weißem Pfeffer.

Am Gaumen kühl und präzise, unterstützt von rassiger Säure und zitrischen Noten. Der kompakte Körper ist fein texturiert.

Das Finish besticht durch seine salzig-zitrische Mineralität. Das mag ich sehr!

Nierstein Riesling Aus Ersten Lagen, 2023

Rot-würzige Aromen mit zitrischen Noten in der Nase.

Am Gaumen vibrierend und mineralisch, mit straffer, karger Struktur. Die lebendige Säure trägt den Wein bis ins salzige, adstringierende Finish.

Ein frischer, kompakter Wein mit animierender Eleganz.

Ölberg Riesling GG, 2023

In der Nase gelbe Frucht, rot-würzige Noten und intensive Mineralität.

Am Gaumen ölig und dicht, mit starkem Extrakt und salziger, zitrischer Frische.

Elegant und vibrierend mit straffer Struktur und langem, salzigem Finish.

Pettenthal Riesling GG, 2023

Extrem konzentriert und rot-würzig in der Nase, mit feiner gelber Frucht.

Am Gaumen salzig und mineralisch, straff mit vibrierender Säure. Der elegante, kompakte Körper zeigt viel Würze und Zug.

Das Finish ist spicy und adstringierend mit beeindruckender Länge.

Ein sehr gelungenes GG, mit viel Potenzial und herrlichem Trinkfluss.

Ein leiser Wandel mit großer Wirkung: Die neue Klasse des Rappenhof

Die Weine strahlen eine besondere Eleganz aus, gepaart mit einer unverkennbaren Handschrift, die mich jedes Mal aufs Neue begeistert. Es ist ein subtiler Wandel, der von vielen Experten in der Szene bislang noch übersehen wurde, was ich persönlich nur schwer nachvollziehen kann. Denn es ist erstaunlich, wie präzise und komplex die Weine des Rappenhofs in den letzten zwei Jahren geworden sind. Was hier entsteht, ist nicht weniger als das Werk einer Winzerin, die nicht nur ihr Handwerk versteht, sondern auch ihre eigene Vision kompromisslos umsetzt.

Die 2023er Weine verdienen definitiv mehr Aufmerksamkeit. In meinen Augen ist dies ein Jahrgang, der das Potenzial hat, das Weingut Rappenhof in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken. Erste Anerkennungen wie die Nominierung zum Aufsteiger des Jahres im Vinum oder die hervorragenden Bewertungen für die 2023er Rieslinge bei wein.plus sind wichtige Schritte, doch sie kratzen nur an der Oberfläche dessen, was Elisabeth und ihre Weine wirklich zu bieten haben.

Was mich besonders fasziniert, ist die Spannung, die sich in den Weinen aufbaut, und die Balance zwischen Frische, Tiefe und Finesse. Hier spürt man den Einfluss der herausragenden Lagen im rheinhessischen Alsheim und Elisabeths unermüdliches Streben nach Perfektion. Der Rappenhof ist längst mehr als nur ein Geheimtipp. Dieser Jahrgang beweist: Hier entsteht Großes.

Rappenhof 2.0: Mit frischem Wind und klarer Vision in die Zukunft

Während wir die Weine probierten, sprachen wir über die Zukunft des Weinguts. Elisabeth und Johannes haben große Pläne. Sie wollen nicht nur die Weine weiterentwickeln, sondern auch das Weingut selbst fit für die nächsten Generationen machen. Der Einstieg von Johannes, der sich nun intensiv um den Außenbetrieb kümmert, bringt frischen Wind in die traditionsreiche Geschichte des Rappenhofs. Mit über 400 Jahren Familiengeschichte auf den Schultern und dem Blick fest in die Zukunft gerichtet, stehen sie vor einem neuen Kapitel.

„Es ist nicht einfach, alles unter einen Hut zu bringen – die Kinder, die Hunde, das Weingut und der Umbau des Elternhauses“, erzählte mir Elisabeth. „Aber irgendwie schaffen wir es.“ Die beiden gehen neue Wege, und ich bin gespannt, wohin die Reise sie führen wird.

Eines ist sicher: Das Weingut Rappenhof steht in einer spannenden Umbruchphase. Doch mit der Mischung aus Tradition, Innovation und dem festen Willen, sich nicht von den Launen der Natur unterkriegen zu lassen, führt Elisabeth mit ihrer Familie das Weingut in eine vielversprechende Zukunft.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl