Teil 2: von 25. bis 27. August war es dieses Jahr wieder soweit. Der VDP lud rund 200 der weltweit wichtigsten Sommeliers, Publizisten und Weinexperten nach Wiesbaden ein, um sich ein Urteil über den neuen Jahrgang der Grossen Gewächse (GG) zu bilden. Dieses Jahr konnte ich zum ersten Mal an allen drei Tagen probieren. 462 Weine galt es zu verkosten. 444 davon habe ich geschafft. Über meine Eindrücke und Einschätzungen zu den einzelnen Regionen sowie meinem Urteil zu den angestellten Burgundern und Silvanern werde ich in diesem Beitrag berichten. Meine Eindrücke zu den Rieslingen findest du hier.

Max Kaindl, 03. September 2024
Lesezeit etwa 10 Minuten

VDP.GROSSES GEWÄCHS®
Vorpremiere 2024 —
Burgunder und Silvaner

Anders als in Teil 1 – den Rieslingen – habe ich mich für diesen Bericht auf neues Terrain gewagt: Spätburgunder, Chardonnay, Weißburgunder, Grauburgunder und Silvaner standen auf dem Programm. Eine spannende Abwechslung, denn bislang hatte ich nie die Gelegenheit, mich so intensiv durch die deutschen GGs abseits der mir so vertrauten Riesling-Welt zu probieren. Mit ordentlich Neugier im Gepäck begab ich mich am ersten Tag der Vorpremiere in Wiesbaden also auf Entdeckungsreise. Das Ziel: die großen und entdeckungswerten GGs abseits von Riesling zu finden.

Bevor es losgeht, ein kurzer Vermerk zur besseren Einordnung meiner Notizen. Verkostet habe ich – soweit möglich – blind. Ich kannte lediglich die zu verkostende Region, die Lage und die Flightnummer, jedoch nicht die Weine und Weingüter des einzelnen Flights. Bei den beschriebenen Weinen geht es mir nicht immer um die höchste objektive Bewertung sondern auch darum, ob mich ein Wein persönlich berührt hat. Gänsehaut-Feeling? Lagerfeuerstimmung? Oder einfach nur Pure Joy? Faktoren, die ich in meinen unten gelisteten persönlichen Highlights mit einbezogen habe.

Meine hier festgehaltenen Eindrücke können allerdings nur Momentaufnahmen abbilden, die entsprechend eingeordnet werden sollten. Sie ergeben vielmehr ein gesamtheitliches Bild aus vielen einzelnen Puzzleteilen. In meinem Fall: Das Bild der Jahrgänge 2022 und 2023 für Burgunder und Silvaner.

Da eine ausführliche Beschreibung aller 444 verkosteten Weine den Rahmen dieses Blogs sprengen würde, habe ich mich auf die Highlights der einzelnen Regionen sowie deren Gesamteindruck fokussiert. Wer sich für mein Bewertungssystem interessiert, findet hier weitere Infos.

Ein Hinweis in eigener Sache: Da ich – anders als bei Riesling – bei den Burgundern und Silvanern noch nicht über das nötige tiefe Jahrgangswissen verfüge, werde ich auf Jahrgangsvergleiche weitestgehend verzichten. Ich möchte keine oberflächlichen oder erdachten Vergleiche ziehen, nur um den Schein von Expertise zu wahren.

Spätburgunder

91 Spätburgunder. 2022 wenn nicht anders angegeben

Dieses Mal starte ich mit Rot. Die Spätburgunder, die in Wiesbaden angestellt waren, stammten größtenteils aus dem Jahrgang 2022. Anders als beim Riesling, wo der 22er Jahrgang teils zwiegespaltene Reaktionen hervorrief, wurden die Spätburgunder aus 22 von Winzern und Fachpresse bisher hochgelobt. Das warme Frühjahr ohne Spätfrost beschleunigte die Entwicklung der Reben und sorgte schon im Mai für einen raschen Blütebeginn. Der zwar sehr trockene, aber nicht übermäßig heiße Sommer begünstigte vor allem kühlere Lagen mit ausreichender Wasserversorgung. Jüngere Weinberge hatten es allerdings schwerer und litten teilweise unter Trockenstress. Ähnlich wie 2018 begann die Lese vielerorts bereits Ende August. In den GG-Lagen wurde der Reifezeitpunkt früh erreicht, und wer das Timing perfekt im Griff hatte und bei der Lese auf sorgfältige Handarbeit setzte, konnte gesundes und vollreifes Lesegut einfahren.

In Wiesbaden spiegelte sich das wider: Die Ergebnisse, sowohl in der Breite als auch in der Spitze, waren durchweg sehr erfreulich. Ich fand es faszinierend zu sehen, wie gut der Jahrgang bei den Spätburgundern gelingen konnte, wenn die Winzer ihre Hausaufgaben gemacht hatten.

Ahr

10 Spätburgunder. alle aus 2022

Die Kollektion von Meyer-Näkel (MN) stach für mich hier besonders heraus. Jahr eins nach der Flut. An der Spitze der Kräuterberg. In der Nase klare rote Kirsche, sehr präzise, fein und elegant, wenig Wald, etwas Leder, dunkler und fester als Vorgänger. Am Gaumen dann zupackender Gerbstoff, leicht laktischer aber fester Kern, straffe Säure, klare rote Frucht, saftig, frisch und mit schönem Trinkfluss. Groß. Was ein schöner Start in ein insgesamt sehr überzeugendes Ohr Spätburgunder Portfolio. Der Sonnenberg zeigte sich dann etwas animalischer und leicht trocknend im Finish. Dennoch mit viel Potenzial. Exzellent.

Stoddens Herrenberg kam dann dunkel, würzig, erdig, Leder, trocknend in der Nase daher. Am Gaumen überzeugte er mich dann vor allem dank seines zupackenden Gerbstoffs, lebendiger Säure, toller Harmonie aus roter (fast schwarzer) Kirsche, Leder und feinem Schmelz, schön eingebundenes Holz, lang, würzig und rotfurchtig im Finish, fester Kern. Exzellent. Ein weiteres Highlight war der Mönchberg vom Deutzerhof. deutlich fruchtiger als MN oder Stodden und dann hintenraus ein wenig erdig, fein, verspielt und stets fruchtbetont bleibend, kühl und elegant. Exzellent.

Ein schöner Einstieg in die VDP Spätburgunder Welt, wenn ich auch sagen muss, dass die Weine sehr heterogen geraten sind. Selbst unter den Weinen des gleichen Winzers habe ich mich schwer getan, eine Winzer-Stilistik zu erkennen. Das mag kein Qualitätskriterium sein, war mir aber jedenfalls eine Notiz wert.

Anmerkung: die VDP GG Vorpremiere des ersten Mosel Spätburgunder GGs überspringe ich hier. Wer hierzu mehr erfahren möchte, dem empfehle ich meinen Beitrag zur Premierenveranstaltung auf Maximin Grünhaus aus dem Frühjahr.

Franken

5 Spätburgunder. alle aus 2022

Würde mich jemand nach der stärksten Region für Spätburgunder fragen, müsste ich eigentlich Franken sagen. Warum? Weil unter den fünf angestellten Weinen gleich drei große und ein absolut exzellenter Spätburgunder dabei waren. Allen voran natürlich das Weingut Fürst – ein Name, der in Franken mit Spätburgunder untrennbar verbunden ist. Sebastian hat auch dieses Jahr wieder gezeigt, warum er zu den besten Pinot-Flüsterern Deutschlands zählt. Sein Schlossberg war für mich der beste Pinot, den ich in Wiesbaden im Glas hatte. In der Nase eine noble, präzise, klare rote Frucht – ungemein fein, zart, pure Eleganz. Am Gaumen setzt sich dieser Eindruck fort: ungemein edel, harmonisch, elegant, tiefgründig. Feinste, klarste rote Kirsche, poliertes Tannin und saftig im vibrierend, langen Finish. Die perfekte Balance aus Gerbstoff, Frucht und lebendiger Säure – glockenklar und einfach umwerfend. Etwas so Schönes habe ich als jungen Pinot noch nie getrunken. Groß.

Der Centgrafenberg (exzellent) zeigte sich etwas animalischer, während der Hundsrück (groß) eine wildere Seite offenbarte. Beide großartige Weine, aber sie blieben leicht hinter dem Schlossberg zurück. Aber mal ehrlich: Das ist Meckern auf allerhöchstem Niveau.

Und dann gab es da noch einen Spätburgunder, der mich dieses Jahr besonders positiv überrascht hat: Maustal vom Zehnthof Luckert. Die Weine des Weinguts kenne ich schon eine Weile, vor allem deren Silvaner. Aber die Pinots? Die waren bisher eher unauffällig für mich. Doch im Jahrgang 2022 haben die Luckerts ihre magischen Hände ausgepackt. Was für ein Wein! Saftige, rote Kirsche, glasklar, leicht kitschig und mit einem Hauch von Laktik. Doch dann wird er fester, extrem feiner Gerbstof gepaart mit lebendiger Säure und ein animierend saftiges Finish, das einfach Lust auf mehr macht. Exzellent. Davon bitte mehr in Zukunft!

Was für ein grandioser Flight aus Franken! Ich könnte ewig in diesen Erinnerungen schwelgen…

Rheingau und Sachsen / Saale-Unstrut

9 Spätburgunder. 2022 wenn nicht anders angegeben

Warum fasse ich beide Regionen zusammen? Ganz einfach: Beide Regionen haben insgesamt nur 9 GGs angestellt. Und ehrlich gesagt, gab es in beiden Gebieten nur wenig wirklich Berichtenswertes. Meine Einschätzung zum GG-Niveau im Rheingau habe ich bereits ausführlich in Teil 1 dargelegt – und leider gilt das auch nahezu 1:1 für die Spätburgunder aus der Region.

Trotzdem möchte ich zwei Weine hervorheben. Zum einen August Kesselers Höllenberg. Zugegeben, der Wein wirkt stilistisch etwas mollig und „altdeutsch“, aber er bringt dennoch die nötige Tiefe, Spannung und Balance für ein GG mit. Komplexität und eine angenehme Saftigkeit im Finish runden das Ganze ab – das gefiel mir richtig gut. Exzellent.

Zum anderen die Premiere des Edelackers von Böhme & Töchter aus Saale-Unstrut. Die Nase beginnt leicht medizinal und brandig, dann folgt eine klare, feine rote Frucht, fleischig und lebendig. Am Gaumen wieder diese medizinale Note, dazu saftige rote Frucht, animierende Säure und ein feiner Gerbstoff, der alles wunderbar zusammenhält. Das Finish ist saftig und lädt förmlich zum Weitertrinken ein. Exzellent. Ein durchaus gelungenes Erstlingswerk, das mich neugierig auf mehr macht.

Rheinhessen

8 Spätburgunder. alle aus 2022

Rheinhessen ist bekanntlich (noch) kein Mekka für Spätburgunder-GGs, aber die Region hat sich in den letzten Jahren qualitativ beachtlich gemausert. Der Jahrgang 2022 setzte diesen positiven Trend fort: Die Weine sind saftig, wunderbar ausbalanciert und schon in ihrer Jugend einfach eine Freude zu trinken. Ein echtes Vergnügen im Glas!

Rückblickend muss ich sagen: Wenn ich vor einigen Jahren mal einen Spätburgunder aus Rheinhessen probierte, hatte ich oft das Gefühl, dass die Weine etwas in die Jahre gekommen wirkten – mürbe Frucht, körniger Gerbstoff, genau dieser „altdeutsche“ Stil, der eher etwas platt wirkt. Doch seit den Jahrgängen 2019 und 2020 spüre ich einen klaren Wandel. Mehr Frische, mehr Saft, feinere Tannine, eine schönere Textur – insgesamt also eine deutlich modernere, spannendere Herangehensweise an den Spätburgunder.

Natürlich, die absolute Spitze des deutschen Spätburgunders haben die Rheinhessen (noch) nicht ganz erreicht. Aber die Weine bewegen sich auf einem richtig vielversprechenden Weg. Wenn die Entwicklung so weitergeht – und alles deutet darauf hin – könnte Rheinhessen in den nächsten Jahren ganz neue Akzente setzen. Ich bin jedenfalls gespannt, wohin diese Reise noch führt. Es bleibt aufregend!

Meine Highlights:

Pares von J. Neus: Klare, fast schwarze Kirsche, erdig und fleischig. Am Gaumen saftig, frisch, feiner Gerbstoff, lebendige Säure und ein charmantes, animierendes Finish. Exzellent.

Morstein von Gutzler: Präzise rote Frucht, medizinaler Hauch, Zedernholz. Klarer Saft, polierter Gerbstoff, gute Säure, saftig-fleischiges Finish. Exzellent.

Heerkretz von Wagner-Stempel:
Intensive Traubensaft- und Kirschnoten, leicht laktisch. Am Gaumen saftige rote Kirsche, feinster Gerbstoff, lebendige Säure und ein animierendes Finish. Exzellent.

Pfalz

23 Spätburgunder. 2022 wenn nicht anders angegeben

Die Pfalz hat sich mir in 2022 von einer besonders charmanten Seite gezeigt. Vor allem bei den Spätburgundern habe ich eine beeindruckende Dichte an wirklich gelungenen Weinen entdeckt. Die beste Kollektion kam für mich klar von Christmann. Während ich bei den Rieslingen in diesem Jahr irgendwie nicht den richtigen Zugang gefunden habe, haben mich die beiden Pinots aus dem Idig (groß) und Vogelsang (exzellent) voll und ganz überzeugt. Im Vergleich zum Rest der Pfalz sind sie – ähnlich wie bei den Rieslingen – auf der eleganten, tänzelnden und feinen Seite. Aber gleichzeitig bieten sie mehr Dichte, Saft und Balance. Diese Kombination hat mich richtig abgeholt.

Es wäre allerdings unfair, nur Christmann zu erwähnen. Denn auch Rings hat eine beeindruckende Pinot-Kollektion abgeliefert. Und ja, hier haben mich die Spätburgunder ebenfalls mehr angesprochen als die Rieslinge. Auch Knipser hat mich dieses Jahr – und das zum ersten Mal so richtig – total überzeugt. Die Weine wirkten feiner, heller und saftiger als in den Vorjahren. In der Südpfalz lieferten Becker und Jülg wie gewohnt zuverlässig ab. Beide aber mit einem völlig anderen Stil als die Weingüter an der Mittelhaardt: Erdiger, fleischiger, dichter, und stärker vom Holz geprägt. Das sind Pinots mit ordentlich Muskeln, aber ohne in die Opulenz abzudriften.

Und dann war da noch Rebholz mit seinem “Im Sonnenschein“. Dieser Wein hat mich dieses Jahr positiv überrascht. Früher war er mir oft zu holzig, mit einer mürben Frucht, die für mich die notwendige Frische vermissen ließ. Aber der angestellte 2019er war da anders: In einer wunderschönen Balance, die ich so von ihm nicht kannte. Exzellent. Ein richtig schöner Wein.

Baden

24 Spätburgunder. 2022 wenn nicht anders angegeben

Hier ist die Sache wirklich schnell auf den Punkt gebracht: Huber hat – wie so oft – eine beeindruckende Kollektion hingelegt. Mal wieder eine bärenstarke Leistung, die es eigentlich verdient, dass man blind zugreift – vorausgesetzt, der Geldbeutel spielt mit. Einzig die Alte Burg konnte mich nicht vollends überzeugen. Sie wirkte ein bisschen zu ruppig und trocknend, nicht ganz so harmonisch wie der Rest. Aber hey, wenn das der einzige „Kritikpunkt“ ist, stehen wir hier vor einer wirklich starken Reihe von Weinen. Besonders freut es mich für Julian Huber, dass er in 2022 endlich wieder eine anständige Menge Wein machen konnte, nachdem er in den letzten Jahren mit mageren Erträgen zu kämpfen hatte. Gut zu wissen, dass nicht nur die Qualität, sondern auch die Quantität endlich wieder passt.

Ein weiterer Wein, der sich in meine Erinnerung eingebrannt hat, ist Kellers Steinriese. Tief und glockenklar – das ist kein Wein, den man einfach mal so nebenbei trinkt. In der Nase diese extrem konzentrierte Kirsche, und am Gaumen dann so klar, so edel und fein, dass man fast den Atem anhält. Poliertes Tannin, rassige Säure, eine herrliche Eleganz, dazu diese erdige Würze, und das Ganze zieht sich ewig im Finish – saftig, erhaben, einfach großartig. Exzellent. Der Eichberg von Keller lag für mich nur knapp dahinter. Etwas triftiger, aber nicht ganz so tief und konzentriert wie der Steinriese. Exzellent. Trotzdem: Beide Weine sind absolute Highlights.

Hegers Spätburgunder konnte mich qualitativ auf ganzer Linie überzeugen – keine Frage. Aber auf persönlicher Ebene haben sie mich diesmal einfach nicht berührt. Ich tue mich schwer mit diesem eher „altdeutschen“ Stil, der zweifellos seine Fans hat, aber mich eben nicht so richtig anspricht. Das mindert natürlich nicht die hohe Qualität des Betriebs – die steht außer Frage. Aber am Ende geht es beim Wein ja auch immer um Emotionen, und da hat Heger bei mir diesmal nicht voll eingeschlagen.

Württemberg

11 Spätburgunder. 2022 wenn nicht anders angegeben

Württemberg hatte es dieses Jahr bei mir – ich gebe es offen zu – schwer. Trotz einiger wirklich hochklassiger Weine hat mich die Region in der Breite einfach nicht abgeholt, weder bei den Weißweinen noch bei den Spätburgundern. Klar, die Qualität war da, aber der Funke wollte einfach nicht so richtig überspringen. Trotzdem gab es ein paar Lichtblicke, die ich unbedingt hervorheben möchte. Bei den Spätburgundern haben mich besonders zwei Weine nachhaltig beeindruckt. Beide kamen von Aldinger, der für mich auch die beste Kollektion der Region stellte, und zusätzlich Beurers Mönchberg Öde Halde – ein echter Knaller.

Aldinger’s Gips Marienglas? Frische Erdbeeren, Zedernholz, elegant und tänzelnd. Am Gaumen kühl, saftig, lebendige Säure, poliertes Tannin – einfach Spaß im Glas. Exzellent.

Der Lämmer Kaiser: Etwas kräftiger, intensivere Frucht, mehr Zug, fester und vibrierender.
Beide Weine haben mich voll überzeugt. Exzellent.

Beurer’s Mönchberg Öde Halde? Saftige Kirsche, frisch und klar, Zedernholz und Schoki. Am Gaumen spannungsgeladen, mit toller Säure und einem animierenden Finish. Da will man einfach sofort das nächste Glas. Exzellent.

Mehr muss ich zu Württemberg auch gar nicht sagen. Manchmal liegt die Würze eben in der Kürze – und das trifft es für diese Region dieses Jahr perfekt.

Silvaner

19 Silvaner. 2023 wenn nicht anders angegeben

Zurück zum Jahrgang 2023: Bei den Silvanern aus Franken zeigte sich dieser Jahrgang für mich extrem zugänglich. Eine herrliche Kombination aus frischer Frucht, charmanter Säure und einem festen Kern, der für ordentlich Zug und einen schönen Trinkfluss sorgte. Die meisten Silvaner kamen aus dem Jahr 2023, vereinzelt fanden sich aber auch Weine aus 2022 und sogar einer aus 2019.

Als kleines Vorprogramm zur VDP-Vorpremiere in Wiesbaden war ich am Freitag in Franken unterwegs und habe die Weingüter Castell und May besucht. Schon dort konnte ich mich von den großartigen Qualitäten der aktuellen Kollektionen überzeugen – und diese Eindrücke bestätigten sich dann auch in Wiesbaden. Besonders spannend bei Castell: Seit letztem Jahr bringt das Weingut sein Schlossberg GG erst fünf Jahre nach der Ernte auf den Markt. Entsprechend gab es dieses Mal den 2019er zu verkosten. Wie schon bei meinem Besuch vor Ort zeigte sich der Wein frisch mit ersten Reifeansätzen, wunderbar dicht, zupackend und leicht würzig, mit einem intensiven, saftigen Finish. Exzellent. Ein toller Auftakt in die Silvaner-Welt!

May punktete mit dem 2023er Rothlauf: Rotfruchtige, würzige Nase, am Gaumen fest, salzig und konzentriert, mit einer nahezu kaubaren Struktur und perfekter Balance. Das lange, vibrierende Finish machte ihn zu einem echten Highlight. Exzellent.

Den ersten Gänsehaut-Moment hatte ich bei Luckerts 2023er Maustal. Anfangs etwas verhalten in der Nase, mit weißem Pfeffer und Kräuternoten, aber am Gaumen wunderbar elegant, tief und harmonisch. Der Wein zeigte beeindruckende Finesse und tänzelte förmlich im Finish. Groß. Auch Max Müller I überzeugte mich mit dem 2023er Ratsherr. Etwas würziger und reifer als der Maustal, aber ebenso tief und mit viel Substanz.

Bei den 2022ern gefielen mir der Stettener Stein vom Weingut am Stein und Bickel Stumpf’s Mönchshof am besten. Alle exzellent. Der Stein präsentierte sich würzig und grün mit einem salzigen Finish, während der Mönchshof rotfruchtig, leicht wärmend und pfeffrig im Abgang war. Beide sehr dicht und strukturiert.

Was bleibt also zum Silvaner zu sagen? Für mich nach wie vor eine stark unterschätzte Rebsorte. Ihr enormes Potenzial wird zwar in Franken längst erkannt und geschätzt, aber über die regionalen Grenzen hinaus, geschweige denn auf internationalen Weinkarten, bleibt sie leider oft unter dem Radar. Ähnlich wie der Furmint aus Österreich und Ungarn, verdient auch der Silvaner viel mehr Aufmerksamkeit. Denn er bietet nicht nur herausragende Qualität, sondern auch ein großes Trinkvergnügen – und das sollte einfach nicht übersehen werden.

Chardonnay

12 Chardonnay. 2022 wenn nicht anders angegeben

Da die Rebsorte Chardonnay nur in Baden als GG zugelassen ist, war die Auswahl in Wiesbaden recht überschaubar. Aber Huber – das kann man schon fast als gesetzt betrachten – hat hier einmal mehr abgeliefert. Seine Chardonnays aus dem Bienenberg und Schlossberg (beide exzellent) stachen deutlich heraus. Beide sind geprägt von reduktiven Noten und einem spürbaren, aber gut eingebundenen Holzeinsatz, der den Weinen Struktur und Tiefe verleiht. Am Gaumen zeigen sie Zug, Spannung und eine markante Würze. Besonders der Bienenberg wirkte in seiner Jugend etwas zugänglicher, während der Schlossberg noch ziemlich fest und verschlossen daherkommt. Aber genau hier sehe ich das größere Potenzial für die Reife – der Wein hat die Anlagen, sich über die nächsten Jahre zu einem echten Highlight zu entwickeln.

Und der Rest? Naja, ehrlich gesagt, da gab es in meinen Augen schon einen respektablen Abstand zu Huber. Eine Ausnahme möchte ich aber hervorheben: Schlumberger-Bernhart’s Altenberg Weingarten hat mich positiv überrascht. Besonders angesichts des Preises von rund 30 Euro ist das ein echter Geheimtipp. Frische, feines Holz und genau die Spannung und Tiefe, die ich von einem GG erwarte. Ein sehr gelungener Wein, der wirklich Spaß macht. Exzellent.

Was den Rest angeht, halte ich mich dieses Mal lieber an das alte Sprichwort: „Schweigen ist Gold.“

Weissburgunder

26 Weissburgunder. 2022 wenn nicht anders angegeben

Weissburgunder und ich, das war bisher keine Liebesgeschichte – zumindest nicht, wenn es um Grosse Gewächse ging. Eher verbinde ich die Rebsorte mit zugänglichen, unkomplizierten Weinen, die einfach Spaß machen. Aber Wiesbaden hat mir gezeigt, dass auch Weißburgunder eine ernstzunehmende GG-Kategorie sein kann. Hier also meine überregionalen Highlights:

Der 2023er Edelacker von Weingut Pawis aus Saale-Unstrut überraschte mit grüner Würze, feiner Eleganz und saftigem Pfirsich. Am Gaumen leise und tief, elegant, mit heller Frucht, Würze und leichtem Salz im Finish. Lediglich ein Hauch von Dropsigkeit am Ende störte mich etwas. Exzellent.

Die Pfälzer Lage Kirschgarten präsentierte sich als echtes Weißburgunder-Mekka. Knipser brachte eine eher würzige, noch verschlossene Variante mit dezentem Holz ins Glas, während Kuhn (2022) auf intensivere Gelbfrucht und kräftigere Holzaromatik setzte. Beide GGs hatten ihren Reiz. Beide exzellent.

Meine Highlights kamen aber aus der Südpfalz: Rebholz, Siegrist, Jülg und Kranz überzeugten auf ganzer Linie. Der Mandelberg von Rebholz zeigte sich rauchig, reduktiv und mit straffer Säure. Exzellent. Der Sonnenberg von Jülg war üppig, hefig und kraftvoll – ein echtes Powerhouse (exzellent), während Kranz mit seiner Kalmit die elegante, tänzelnde Seite des Weißburgunders präsentierte. Mineralisch, hellfruchtig und mit feiner Struktur. Exzellent.

Zum Abschluss ein kurzer Abstecher nach Baden: Dort hat mich Heger’s 2022er Winklerberg Hinter Winkeln beeindruckt. Tief, würzig, mit speckigen Noten und doch fein und elegant am Gaumen, mit guter Säure und Balance. Exzellent. Daneben habe ich ein für mich bisher noch ungekannte Weingut entdeckt. Bercher. Deren Weißburgunder aus dem Feuerberg Halsen war frisch, kräutrig und kompakt am Gaumen. Ein spannender Neuzugang für mich. Exzellent.

Grauburgunder

14 Grauburgunder. 2022 wenn nicht anders angegeben

Grauburgunder als GG? Das bleibt wirklich eine heiß diskutierte Angelegenheit – zumindest in Baden und Württemberg. Was soll ich dazu sagen? Es wäre leicht, sich den vielen Stimmen anzuschließen, die seit Jahren die Abschaffung des Grauburgunder GGs fordern. Aber wäre das wirklich fair? Eine zu komplexe Frage, um sie in einem kurzen Review endgültig zu klären. Trotzdem will ich einen Gedanken loswerden: Qualitativ betrachtet hat der Grauburgunder durchaus seine Daseinsberechtigung als GG. Auch in Wiesbaden gab es dieses Jahr einige sehr schöne Grauburgunder auf GG-Niveau, gerade aus Baden.

Mein eigentliches Problem liegt woanders: bei der Verwässerung der Marke GG. International würde es uns guttun, das GG auf eine Handvoll Rebsorten zu beschränken, um die Marke klarer zu positionieren. Spätburgunder im Rotweinbereich, bei den Weißweinen Riesling, Silvaner und – vielleicht in naher Zukunft – auch Chardonnay. Gerade letzterer wird in der Pfalz zunehmend forciert. So könnte man das GG klarer und wiedererkennbarer machen. Klare Linien und weniger Sorten würden die Marke auf dem internationalen Markt stärken, den Konsumenten Orientierung geben und langfristig könnte sich das auch in höheren Preisen für die Weine niederschlagen. Denn diese haben viele GGs definitiv verdient.

Aber genug der Theorie – kommen wir zu den Weinen, die bei mir wirklich Eindruck hinterlassen haben.

Salweys 2021er Eichberg war frisch, würzig und kräutrig in der Nase. Am Gaumen saftig, mit schöner Struktur, straffer Säure und gut integriertem Holz. Kompakt und kraftvoll. Richtig gelungen. Exzellent.

Hegers 2022er Schlossberg zeigte dunkle Würze, Rauch und Speck in der Nase. Am Gaumen dicht, salzig, mit straffer Säure und festem Kern. Schöne Länge. Ganz stark. Exzellent. Gleicher Winzer, andere Lage. Der 2022er Vorderer Winklerberg bot ebenfalls dunkle Würze und Rauch. Am Gaumen ähnlich kompakt und salzig, mit festem Kern und vibrierender Säure. Exzellent.

Fazit

Mehr Licht als Schatten

Was bleibt also nach diesen drei langen, intensiven und lehrreichen Tagen als Essenz übrig? Zunächst einmal möchte ich betonen, dass meine Eindrücke immer Momentaufnahmen sind und entsprechend eingeordnet werden sollten. Es sind Puzzleteile, die sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen.

Einige der in Wiesbaden angestellten Weine (auch die roten und weißen Burgunder sowie Silvaner) hatte ich bereits im Frühsommer als Fassprobe auf meinen Weingutsbesuchen verkostet. Oft hat sich mein Ersteindruck bestätigt oder gar gefestigt. Der VDP beschreibt den 2023er Jahrgang sehr treffend als einen “Spezialistenjahrgang”. Wer es mit viel Mühe und Hingabe geschafft hat, den schwierigen Witterungsbedingungen im Sommer sowie dem teils verregneten Herbst zu trotzen, konnte extrem klare, konzentrierte und vibrierende Trauben ernten.

Die Silvaner und weißen Burgunder präsentierten sich dieses Jahr von ihrer balancierten, saftigen Seite – ohne Frage. Auch wenn sie vielleicht nicht ganz so strahlten wie die Spätburgunder, haben sie dennoch eine gute Figur gemacht. Und hier nochmal ein dringender Appell: Trinkt mehr Silvaner! 2023 war ein großartiges Jahr für diese Rebsorte, und das sollte man nicht verpassen.

Bei den Rotweinen, vor allem den Spätburgundern, konnte ich eine beeindruckende Reihe saftiger, balancierter und strukturell gut gemachter 2022er verkosten. So homogen in der Qualität wie dieses Jahr habe ich sie selten erlebt. Wenn ich meine bisherig überschaubaren Erfahrungen mit deutschem Spätburgunder heranziehe, wage ich zu sagen: 2022 war ein wirklich vielversprechender Jahrgang. Viele der GGs hatten so viel Trinkfluss, dass ich einige davon problemlos schon im nächsten Jahr öffnen würde – ohne ein schlechtes Gewissen. Trotzdem merkt man ihnen auch an, dass sie die Dichte, Konzentration und den Stoff für ein langes Reifepotenzial haben. Da schlummert noch einiges, was in den nächsten Jahren erst richtig aufblühen wird.

Allerdings werden nicht alle Großen Gewächse – egal ob weiß oder rot – von langer Reife profitieren. Hier empfehle ich: Ruhig mal früher die eine oder andere Flasche öffnen und sich selbst überzeugen. Ein Qualitätscheck sozusagen – und in den meisten Fällen dürfte der Genuss garantiert sein.

Dennoch sind sowohl 2022 als auch 2023 kein Jahrgänge, den man einfach blind kaufen sollte. Vielmehr rate ich dazu, eine gut durchdachte Selektion zu treffen und, wenn möglich, beim lokalen Fachhändler des Vertrauens vorzuverkosten.

Merci

Zum Abschluss möchte ich dem VDP und dem gesamten Orga-Team in Wiesbaden ein großes Dankeschön aussprechen – für die Einladung zu dieser außergewöhnlichen und perfekt organisierten Veranstaltung. Es war mir eine echte Freude und Ehre, dabei zu sein!

Noch ein Hinweis: Nur weil ein Wein es nicht in meine detaillierten Beschreibungen geschafft hat, bedeutet das keineswegs, dass er qualitativ schwach war. Ich habe alle Rieslinge verkostet und dabei sowohl versucht, sie objektiv zu bewerten als auch meine ganz persönlichen Eindrücke festzuhalten.

Meine Eindrücke zu den Rieslingen gibt es hier zu lesen.

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That’s it für meine diesjährigen Eindrücke der VDP GG Vorpremiere aus Wiesbaden. Over and out.

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Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl
Header und Ende: © VDP by Peter Bender

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