Es ist ein warmer Samstag Mitte Mai, als ich mich auf den Weg zum Stettener Stein mache. Begleitet werde ich von Marius Rau, einem jungen, engagierten Winzer vom VDP Betrieb Weingut am Stein. Marius und seine Freundin Antonia, deren Familie das Weingut in dritter Generation betreibt, haben mich eingeladen, die Besonderheiten dieser Lage hautnah zu erleben. Schon der erste Blick auf den Stettener Stein ließ mich erahnen, was für ein besonderes Stück Land hier vor mir lag. Der Stettener Stein zählt nicht umsonst zu den besten Weinlagen Frankens – ein Ort, der sich in die Landschaft schmiegt wie ein natürlicher Hohlspiegel und durch seine einzigartige Geologie und das spezielle Mikroklima großartige Weine hervorbringt.
Max Kaindl, 07. Juli 2024
Lesezeit etwa 5 Minuten
Ein Tag im Stettener Stein:
Entdeckung einer einzigartigen Weinlage
Erkundungstour durch den Stettener Stein
Als wir die steilen Weinberge hinauffahren, erzählt mir Marius von den geologischen Gegebenheiten, die diese Lage so besonders machen. „Hier am Stettener Stein dominiert der mittlere Muschelkalk“, erklärt er, während wir durch die ersten Parzellen den südlichen Teils des Steins fahren. „Dieser Boden ist skelettreich und karg, aber er speichert die Wärme hervorragend und zwingt die Reben, tief zu wurzeln. Dadurch erhalten die Weine ihre charakteristische Mineralität.“ Das Klima dieser Lage ist geprägt von Luftmassen, die durch natürliche Thermik entlang der Felsen nach oben aufsteigen. Dabei nehmen Sie die im Fels gespeicherte Sonnenenergie als Wärme auf und durchziehen die Weinberge bis zum obersten Rebstock. Im Stein herrscht fast durchgängig ein lauer bis zugiger Wind.
Wenn das Schuhwerk zum Problem wird
Die Steigung ist beeindruckend – 50 bis 75 Prozent Neigung sind hier keine Seltenheit. Die Lage erstreckt sich auf einer Höhe von 230 bis 280 Metern. Als wir durch die Kernparzellen des Steins fahren und hier und dort für eine kleine Erkundung aussteigen, merke ich, dass ich definitiv das falsche Schuhwerk für den heutigen Tag gewählt habe. Rutschige Bootsschuhe mit glatter Sole sind eben keine adäquate Ausrüstung für derart steile Hänge. Note to myself: „Bootsschuhe sind doch eher was fürs Segeln, Max!“
Marius geht begeistert von einer Rebzeile zur nächsten und erzählt mir voller Enthusiasmus von der harten Arbeit, die es verlangt, im Stettener Stein charaktervolle Weine zu erzeugen. Ich hingegen halte mich an einem Draht fest, um überhaupt den nächsten Schritt machen zu können. Marius lacht, als er meinen vorsichtigen Abstieg beobachtet. „Ja, das ist nichts für schwache Nerven. Jeder Schritt muss hier gut überlegt sein.“
Vielfalt als Schlüssel zum Erfolg
Anders als Winzer in vergleichsweise berühmten fränkischen Lagen wie dem Himmelspfad, Julius-Echter-Berg oder Klingenberger Schlossberg, setzt die Familie Knoll im Stein auf eine Vielzahl von Rebsorten. Zwar dominieren die Leitrebsorten Riesling und Silvaner mit bis zu 80 Jahre alten Rebstöcken. Es wird aber auch ein Fokus auf die Burgundersorten Spätburgunder, Grauburgunder, Weißburgunder sowie eine ganz frisch angelegte Parzelle Chardonnay gesetzt. Zudem gesellen sich noch ein paar für Franken typischen Rebsorten wie die Scheurebe und Traditionalisten wie der Traminer hinzu. Und ja, auch Piwis, wie der Cabernet Blanc, sind hier in den Ortsweinparzellen des Steins mittlerweile zu finden. Beim Renommée des Weingut am Stein sollte es nicht überraschen, dass alle Rebsorten hier prächtig gedeihen.
Wir halten an einer besonders schönen Stelle. Marius führt mich hinunter auf ein kleines Plateau mit Blick auf den Main, der sich wie ein glitzerndes Band durch die Landschaft schlängelt. Die Weinberge des Steins erstrecken sich in einem halbkreisförmigen Einschnitt, der wie ein natürlicher Hohlspiegel wirkt. „Diese Formation hilft dabei, die Sonnenwärme zu speichern und die Weinberge gleichmäßig zu erwärmen“, erklärt er.
Biodynamisch. Nachhaltig. Verantwortungsbewusst.
Eine weitere Besonderheit des Stettener Stein ist die großflächige biodynamische Bewirtschaftung, die hier von der Familie Knoll praktiziert wird. Marius führt mich zu einer kleinen Weinbergshütte, in dem sie gerade biodynamische Präparate vorbereiten. „Wir verwenden natürliche Präparate wie Hornmist, der im Winter in Kuhhörnern vergraben wird. Im Frühjahr wird der kompostierte Mist in Wasser verrührt und auf die Weinberge gesprüht. Das fördert die mikrobielle Aktivität im Boden und stärkt die Abwehrkräfte der Pflanzen.“, führt er aus.
Zugegeben, ich bin beeindruckt von der Hingabe und dem Wissen, das hinter diesen Praktiken steckt. „Im konventionellen Weinbau würden wir auf chemische Mittel zurückgreifen“, erklärt Marius. „Aber hier vertrauen wir auf die Kräfte der Natur und schaffen so ein gesundes, nachhaltiges und lebendiges Ökosystem.“
Mittlerweile bewirtschaften fast alle Winzer den Großteil der Parzellen am Stettener Stein biologisch oder biodynamisch. Zu verdanken ist dies sicherlich der unermüdlichen Arbeit von Antonias Vater, Ludwig Knoll. Ohne seine Überzeugungskraft und seinen unerschütterlichen Glauben an die Kraft und Wirkung der biologisch-biodynamischen Bewirtschaftung, würde der Stein heute wahrscheinlich nicht so saftig und lebendig erstrahlen, wie ich das bei meinem Besuch erleben durfte.
Weingut am Stein: richtungsweisend im nachhaltigen Weinbau
Nachdem wir die Weinberge erkundet haben, kehren wir ins Weingut zurück, das malerisch mitten in die Lage „Würzburger Stein“ – nicht zu verwechseln mit dem besagten Stettener Stein – eingebettet ist. Das Weingut am Stein, geleitet von Sandra und Ludwig Knoll, ist ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Seit über 30 Jahren setzen die Knolls auf biologischen und mittlerweile auf biodynamischen Weinanbau.
Hier, in den kühlen Kellerräumen unterhalb des Weinguts, probieren wir einige der Weine, die noch in den Tanks reifen. Amphoren, Betoneier, Edelstahltanks bis hin zu großen und kleinen, alten und neuen Holzfässern – bei Knolls im Keller findet man eine große Vielzahl an Ausbauarten. Marius reicht mir ein Glas Silvaner, der noch jung und ungestüm ist, aber bereits die feine Mineralität und den klaren Ausdruck des Stettener Stein zeigt. „Wir geben unseren Weinen bis zu zwei Jahre Zeit, um auf der Vollhefe zu reifen“, erklärt Marius. „Das bringt Ruhe und Gelassenheit in den Wein.“
Die Magie des Stein-Weins
Die Leidenschaft und Präzision, mit der hier gearbeitet wird, sind in jedem Schluck spürbar. Die Weine des Weinguts am Stein sind nicht einfach nur Produkte. Sie sind Ausdruck einer Philosophie, die den Weinbau als ganzheitliches Handwerk versteht. „Unsere Weine sollen Freude bereiten und das Herz berühren, nicht nur den Kopf“, sagt Marius lächelnd. Ein ebenso pragmatischer wie sinnlicher Gedanke. Denn verkopft sind die Weine aus dem Stettener Stein keinesfalls.
Zum Abschluss meines Besuchs stehen wir auf der unteren Terrasse des Weinguts und genießen die warme Nachmittagssonne. Mit einem Glas Riesling in der Hand blicke ich über den Garten des Weinguts. Hier wird ab Juli für fast 3 Wochen das mittlerweile Kultstatus behaftete Festival „Wein am Stein“ stattfinden. Ich denke an die harte Arbeit, die in jeder Flasche „Stein-Wein“ steckt. Es ist ein Moment der Ruhe und des Genusses, der die Anstrengungen des Tages in den Hintergrund treten lässt.
Der Stettener Stein ist mehr als nur eine Weinlage. Er ist ein lebendiges Zeugnis für die Verbindung von Mensch und Natur, von Tradition und Innovation. Und die Weine, die hier entstehen, sind wahre Botschafter dieser einzigartigen Landschaft. Sie wären es jedoch nicht, gäbe es nicht Menschen wie Marius und die Familie Knoll, die mit ihrer Hingabe, Leidenschaft und unermüdlich hartnäckigen Arbeit diesem so besonderen Flecken Erde, Weine von internationaler Strahlkraft abringen würden.
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Klasse Bericht, Max,
authentisch und wertschätzend geschrieben.
Den Stettener Stein muß ich mir unbedingt auch mal anschauen.
Und ja, Bootsschuhe sind da eher ungeeignet, dann doch lieber Lauf- oder Wanderschuhe.
😉
Ein Besuch lohnt sich. 😉
Haha ich als Bayer mit Bootsschuhen im Steilhang. Wenn das meine Oma wüsste…