Von 27. – 29. August war es dieses Jahr wieder soweit. Der VDP (Verband deutscher Prädikatsweingüter), der die mitunter qualitativ besten Weingüter Deutschlands vereint, lud 200 der wichtigsten Sommeliers, Publizisten und Weinexperten aus 25 Ländern nach Wiesbaden ein, um sich ein Urteil über den neuen Jahrgang der Grossen Gewächse (GG) zu bilden. Als Gewinner der (ersten) VDP Wildcard durfte ich dieses Jahr einen Tag an der Verkostung teilnehmen. Über meine Erlebnisse, Eindrücke und Einschätzungen zu den einzelnen Regionen sowie einem (soweit nach einem Tag Verkostung möglichen) Urteil zu den angestellten VDP GG werde ich in diesem Beitrag berichten.
Max Kaindl, 01. September 2023
Lesezeit etwa 13 Minuten
VDP.GROSSES GEWÄCHS®
PREVIEW 2023 — Wiesbaden
Als Riesling-Liebhaber ist die jährliche Permiere der VDP GG für mich immer ein mit großer Spannung erwartetes Ereignis. Bisher allerdings eher als begeisterter Leser von Blogs und Livetickern der Verkoster vor Ort. Als der VDP eine Wildcard für einen Tag bei der diesjährigen VDP GG Premiere Mitte August ankündigte, wusste ich sofort, dass ich diese Chance ergreifen musste. Also, nichts wie ran vor die Kamera. Stativ aufgebaut, One-Shot-Video über meine Motivation und Hintergrund zum Thema Wein/Riesling gedreht und abgeschickt. Wenige Tage später bekam ich dann die Nachricht über den Gewinn der Wildcard. Ehrlich, ich habe mich gefreut wie ein Schnitzel.
Die Möglichkeit, einige der einflussreichsten Experten der Branche zu treffen und einen exklusiven Überblick über alle neuen VDP GG zu erhalten, ist für mich keine alltägliche Gelegenheit. Dementsprechend war ich voller Vorfreude, positiver Nervosität und einer ordentlichen Portion Neugier auf den Tag in Wiesbaden.
Nach einem sehr herzlichen Empfang durch das VDP Orga Team und einem kleinen Rundgang durch die Verkostungsräume, nahm ich meinen Platz mit der Nummer 53 in den Kolonnaden des Kurhauses ein. Insgesamt standen 471 VDP GG (rot und weiß) zur Verkostung bereit, darunter 345 Rieslinge. Da ich diese große Anzahl an Weinen unmöglich an einem Tag hätte verkosten können, hatte ich mir bereits im Vorfeld einige Gedanken über meine Verkostungsreihenfolge gemacht. Meine Wahl viel auf meine Lieblingsregionen in Sachen Riesling. Mosel, Nahe, Rheinhessen und Pfalz. Vorgenommen habe ich mir 175 Rieslinge. Geschafft habe ich 155. Davon kamen 2 Weine aus 2018, 22 aus 2021 und 136 aus 2022.
Verkostet habe ich, soweit es möglich war, blind. Ich wusste lediglich die zu verkostende Region und die Flightnummer, jedoch nicht die Weine und Weingüter des einzelnen Flights.
Da eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Weine den Rahmen dieses Blogs sprengen würde, möchte ich hier nun vielmehr auf die einzelnen Regionen und deren Highlights näher eingehen sowie ein Fazit zu meinen gesammelten Eindrücken ziehen. Bei den beschriebenen Weinen geht es mir nicht immer um die höchste objektive Bewertung sondern auch darum, ob mich ein Wein berührt und zu mir gesprochen hat. Eines sei hier bereits vorweg gesagt: Alle vier Regionen zeigten sich (mit Bezug auf den 2022er Jahrgang) mit großen Qualitätsschwankungen, wobei manche insgesamt stärker und manche schwächer performten.
Mosel VDP GG (inklusive Saar und Ruwer)
57 Rieslinge gab es zu verkosten. 2022 wenn nicht anders angegeben.
Gestartet habe ich mit der Mosel, denn mein Ziel war es, einmal von Nord nach Süd zu probieren. Insgesamt gab es leider nur wenige Highlights in einem sonst eher ordentlichem Feld an Mosel Rieslingen. Zudem hatte ich den Eindruck, dass die Winzer an Saar und Ruwer besser mit dem in 2022 enormen Trockenstress in den Weinbergen zurecht kamen. Vor allem an der Mittelmosel zeigten einige Weine deutlich wahrnehmbare Noten von Trockenstress. Dies spiegelte sich dann in leicht stechend grünlichen Kräuternoten, flacher Säure, in teilen merklicher Süße und einem fehlenden festen Kern wieder. 2022 war eben kein leichtes, um nicht zu sagen schwieriges, Jahr für trockene Mosel Rieslinge. Dennoch brachte der Jahrgang einige sehr trinkfreudige VDP GG hervor..
Nun aber zu meinen persönlichen Highlights von der Mosel, denn diese gab es durchaus. Wenn mich von einem Weingut mehr als einen Wein begeistert hat, so fasse ich dies in einer Art „Weingutsbericht“ zusammen. Wer mehr über mein Bewertungssystem erfahren möchte, der möge hier nachlesen.
Die beste Kollektion der Region hat für mich dieses Jahr Maximin Grünhaus abgeliefert. Alle drei VDP GG vom Grünhäuser Berg waren durchweg excellent. Wobei mir der Brudersberg etwas besser als der Herrenberg und Abtsberg gefallen hat. Alle drei zeigten sich mit dieser typisch grün-würzigen Grünhaus Nase und am Gaumen mit einem sehr festen Kern, ordentlich Salzzitrone, animierender Säure, fein-würziger Phenolik und einer sehr guten, saftigen Länge. Der Brudersberg war dabei eher auf der hellen, etwas minzigen Seite, der Abtsberg hatte in der Nase etwas Mandel und einen leichten Hefeton, während der Herrenberg von Kräutern und einer sehr feingliedrigen Art gezeichnet war.
Van Volxem lieferte mit seinen beiden Rieslingen aus dem Wiltinger Scharzhofberg ebenfalls zwei sehr starke Weine ab. Der Scharzhofberger P zeigte sich in der Nase mit Johannisbeere, dunkler Würze, dezent feinen Kräutern, steinig und insgesamt dunkel durchzogen mit guter Tiefe. Am Gaumen dann zupackend, gezeichnet von einer dunkel-würzigen, festen Phenolik, Johannisbeerblättern, feinem Schmelz, balancierter Säurestruktur sowie sehr guter Länge und Tiefe. n 2022 ein echtes Powerhouse. Excellent.
Ähnlich aber insgesamt etwas heller sowohl in der Frucht als auch Würze zeigte sich der „normale“ Scharzhofberger. Am Gaumen fein, elegant, fast schon tänzelnd und sehr gut balanciert. Das hat durchaus Anlagen für ein paar sehr gute Jahre. Excellent.
Ebenfalls überzeugt hat mich Fritz Haags sehr klassische Interpretation der Juffer-Sonnenuhr. In der Nase zunächst helles Fruchtfleisch, dann minzig und würzig. Recht frisch, fein und komplex. Am Gaumen liefern sich dann feines Salz, zupackende Säure und fester Gerbstoff einen Dreikampf. Alles wirkt sehr kompakt, hell fruchtig-würzig und meiner sehr guten Länge. Excellent. Zillikens Rausch zeigte sich fein und tiefgründig. Zunächst strahlend gelbe Steinfrucht und dann angedeuteter Rauch (aber nicht so intensiv wie sonst für Rausch üblich). In der zweiten Nase dann etwas Kräuter und ein Hauch Quitte. Am Gaumen fein-salzig, mit tief-festem Kern, etwas Rauch und feinem Schmelz. Insgesamt recht intensiv und saftig bei sehr guter Länge ohne schwer zu wirken. Das trinkt sich jetzt schon sehr gut. Very good. Der Hofberg von Grans-Fassian hatte mich bereits im Juli auf dem Weingut begeistert. Durch die Nase zieht sich der für den roten Schiefer so typische rot-beerdige Duft sowie eine eiserne Würze. Am Gaumen dann zupackend mit rot-würziger Phenolik, roten Beeren und einer überraschend rassigen Säure. Finishes fein-saftig, fest und kompakt. Very good. Das mag ich sehr. Auch der 2021er Ohilgsberg von Haart zeigte eine starke Performance. Helle, klassische Rieslingnase. Am Gaumen dann fein-saftig mit leicht süßlichem Kern, zupackender Würze und etwas groben Salz. Das wirkt insgesamt doch recht fest aber ist jetzt schon gut zu trinken. Very good.
Nik Weis Layet, Heymann-Löwensteins Stolzenberg sowie Wegelers Doctor entpuppten sich als herrliche Weine für den baldigen Genuss. Während der Layet (very good) reife helle Frucht und etwas Pomelo gepaart mit einem am Gaumen angenehmen, saftigen, leicht süßlichem Kern und etwas Kreide zeigte, kam der 2021er Doctor (very good) komplett über die reife, exotische Schiene. Helle Würze und exotischer Fruchtkorb vermischten sich wunderbar mit leicht süßlichem Extrakt und feinem Schmelz. Der Stolzenberg zeigte etwas mehr Kräuter, dann helles Fruchtfleisch und reife Steinfrucht. Am Gaumen dann mit einem leicht süßlichen Kern, eher milder Säure fein-cremig und elegant jedoch nicht in letzter Konsequenz zupackend. Das macht jetzt richtig Spaß, wird aber wohl nicht ewig reifen — very good.
Nahe VDP GG
33 Rieslinge gab es zu verkosten. 2022 wenn nicht anders angegeben.
Weiter ging es an die Nahe, meine geheime Lieblingsregion. Dort erwartete mich in der Breite ein qualitativ hochwertigeres Feld als an der Mosel. An die enormen Höhenflügen der letzten Jahrgänge, konnten die Spitzenbetriebe hier aber nicht in Gänze anknüpfen. Aber mal ehrlich. Wer hatte das nach einem auch an der Nahe derart trockenen Jahr erwartet? Dennoch empfand ich das Feld insgesamt als excellent – drei Weine sogar als great.
Die für mich beste Kollektion an der Nahe hat dieses Jahr Schäfer-Fröhlich (SF) abgeliefert. Mit Ausnahme der Kupfergrube waren alle Weine auf einem konsistent exzellenten Niveau. Die in Teilen sehr expressive Reduktionsnote der letzten Jahrgänge war dieses Mal deutlich weniger agressiv wahrnehmbar. Mir gefiel das sehr gut, bin ich doch kein Fan von übermäßig hervortretenden, teilweise überambitioniert geschaffenen Streichholznoten. Das Felseneck zeigte sich als qualitative Spitze. Zunächst startete der Wein etwas zurückhaltend in der Nase, dann eine feine Reduktion, etwas Feuerstein, Salzzitrone und merklich Kräuterwürze. Am Gaumen dann wieder eine fein-saftige Salzzitrone, gezeichnet von einem angenehm trocken und fest gewirkten Kern, elegant-würzige Textur, helles Fruchtfleisch begleitet den sehr langen und komplexen Abgang. Great. Der Halenberg zeigte sich insgesamt ähnlich, jedoch mit einem leicht laktischen Ton in der Nase und doch eher reifer Steinfrucht sowie deutlich Rauch. Excellent. Positiv überrascht war ich beim Stromberg. Hinter dem anfänglichen Hefeschleier zeigte sich auf den zweiten Riecher eine sehr feine und tiefe Nase von Zitrusabrieb, schmeichelnder Reduktion und floralen Noten. Am Gaumen dann eine schöne helle Frucht, Salzzitrone, animierende Säure, fest und zupackend am Ende. Das war durchaus mitreißend, fest und mit Anlagen zu echter Eleganz. Excellent. Auch der Felsenberg und das Frühlingsplätzchen waren qualitativ excellent, haben mich aber persönlich dieses Jahr nicht abgeholt. Anmerkung: Die sonst für SF so typische Lazerschwert Säure blieb dieses Jahr bei all seinen Weinen aus.
Auch Kruger-Rumpf hat mich dieses Jahr begeistert. Reife aber frisch bleibende Steinfruchtnase beim Burgberg. Danach schwarz und tief werdend, vor allem Pfeffer und etwas Lorbeerblatt. Am Gaumen dann extrem saftig und fest wirkend, Zitronenscheiben, ausreichend würzige Phenolik und ein sehr langer, saftiger Abgang. Sehr gutes Potenzial, braucht aber noch Zeit. Excellent. Der Im Pitterberg kam dann eher über die zurückhaltende, leicht Wiesenblumige Seite. Vor allem am Gaumen zeigte sich dann aber ein sehr schönes, saftiges Frucht-Säure Spiel und guter, fester Kern. Das hatte die nötige Eleganz und Substanz, um gut reifen zu können. Very good.
Weiter überzeugt hat mich Dr. Crusius’ Mühlberg. Die Nase verführte mit einem Hauch Melisse, Blüten und heller, klarer Frucht. Am Gaumen mit ordentlich Substanz, fein-saftiger Frucht, spielender Säure und einer würzigen Tiefe, die im Finish lang anhielt. Das könnte schön reifen. Very good.
Die Hermannshöhle von Dönnhoff zeigte sich hingehen eher typisch zurückhaltend, mit etwas Blüten und dunkler Würze, dabei aber stets nobel und tiefgründig in der Nase. Am Gaumen dann fein-salziger, fester, tiefer und floraler Kern, ordentlich Biss und tolle Gerbstoffe, fordernde Säure. Das war great und wird toll reifen. Fasziniert war ich auch vom Goldloch von Joh. Bapt. Schäfer.. Floral, sehr helle und klare Furcht fügte sich mit Kamille und etwas Holunder zu einer elegant-tiefen Nase. Am Gaumen dann feiner Schmelz, fein-saftige Frucht, etwas Salzzitrone, frische Säure und feste Phenolik. Das tänzelte und versetzte einen auf einen Alpenländische Blumenwiese im sehr langen Abgang. Excellent. Den Abschluss meiner Highlights machte das Pittermänchen ebenfalls von Goldloch von Schäfer.. Die Nase zeigte sich ähnlich wie beim Goldloch. Am Gaumen dann fein-saftig, toller Schmelz, leicht zitrisch-zestig mit einer wunderbar spielenden Säure, weißem Pfeffer und tief und hell-würzig im finish. Very good. Welch toller Abschied von der Nahe. Diel‘s Pittermänchen überzeugte mit etwas mehr Tiefe und griffiger Textur sowie einem sehr langen dunkelwürzigen Abgang, ließ in der Nase jedoch etwas an Intensität vermissen. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass sich der Wein in ein paar Jahren zu einem feinen GG entwickeln wird. Excellent.
Anmerkung: Jetzt gut trinkreif zeigten sich der Hermannsberg (excellent) sowie die Kupfergrube (very good) von Gut Hermannsberg. Beide Weine waren late releases aus dem ähnlich trockenen aber wärmeren Jahrgang 2018. Dementsprechend zeigten sie auch beide diese warm-reifen, würzigen Noten, hatten jedoch genügend griffige und saftige Phenolik und Spannung. Das macht jetzt Spaß, würde ich aber nicht ewig in den Keller legen.
Rheinhessen VDP GG
41 Weine gab es zu verkosten. 33 davon waren Rieslinge. 2022 wenn nicht anders angegeben.
Insgesamt gab es in Rheinhessen deutlich mehr Licht als Schatten zu entdecken. Die Spitzenweine strahlten zwar vereinzelt nicht so extrem wie in 2021 aber das hatte ich auch nicht wirklich erwartet. Auch hier waren einzelne Weine von deutlich Trockenstress gezeichnet. Weinberge mit alten Rebbeständen konnten diesen jedoch ziemlich gut pufern. Los geht’s.
Am Binger Eck hat der Scharlachberg dieses Jahr ein deutliches Ausrufezeichen gesetzt. Wagner-Stempel und Bischel lieferten beide beeindruckende Exemplare ab Während Wagner-Stempel’s Interpretation eher in die reifere, zart-schmelzige Frucht und Würze Richtung mit leicht süßlichem Kern aber dennoch fest gewirkter Substanz tendierte, zeigte sich Bischel mit einem sehr hellen, von weißen Blüten gezeichneten, fein-saftigen Vertreter mit ebenfalls leicht süßlichem Kern und würziger Phenolik. Beide hatten ihren gänzlich eigenen Charme. Beide Excellent.
Bischel wartete dann noch mit einer sehr starken, tief-würzigen, fest gewirkten, zupackenden und mit saftiger Steinfrucht versehenen Herrkretz auf. Excellent. Strahlender und feiner fand ich jedoch den Hundertgulden aus gleichem Hause. Die Nase verführte einen auf eine Blumenwiese mit vielen weißen Blüten. Am Gaumen ging es dann jedoch so richtig los. Morz Zug, zitrisch, zestig, fein-saftig, toller Schmelz, sehr fester Kern und dann doch eher tänzelnd, fein und mit mitreißender Kräuterwürze im langen finish. O das war toll. Excellent. Somit lieferte Bischel auf Grund der dichte an fantastischen Weinen für mich auch die stärkste Kollektion der Region ab.
Das qualitative Highlight der Region sowie auch meiner gesamten Verkostung fand ich allerdings am Roten Hand. Genauer gesagt am Rothenberg. Gunderloch und Kühling-Gillot (KG) lieferten jeweils zwei typische, wenn auch sehr unterschiedliche, Vertreter des berühmten rotliegenden Berghangs bei Nackenheim ab. Während Gunderloch eher mit einer sehr ausgeprägten rot-würzigen, rotbeerigen, extrem fein wirkenden Interpretation mit einem ungemein dunklen, fein-saftigen, salzigen und festen Kern überzeugte, bespielte KG mehr die etwas wärmere dennoch feste und zupackende Version des Jahrgangs. Trotz der Wärme fand ich bei KG mehr Tiefe, festere Phenolik, höhere Spannung und eine ungemein betörende tänzelnde Art. Beides auf seine Weise great. Am deutlichsten, wenn auch mir persönlich etwas zu extrem, war die Bodentypizität des Roten Hangs im Hipping bei allen Vertretern zu spüren. Hier überwog vor allem bei Gunderloch eine extrem rotbeerige, eisen-würzige Nase (excellent). Zu erwähnen sei hier auch noch der ebenfalls excellent gelungene Ölberg von KG. Eine Lage, die mir in den letzten Jahren nicht sonderlich zugesagt hatte. Dieses Mal überzeugte sie aber mit sehr fein marmorierter Säure, festem Kern, sehr würzigen, dunklen Noten und animierend reifer Frucht.
Der Wonnegau tat sich in einem ingesamt hervorragenden Rheinhessen Feld etwas schwer. Bei Wittmann überzeugte mich dieses Jahr, einmal mehr, besonders die Aulerde und überragte ihre beiden großen Brüder Morstein und Brunnenhäuschen sogar ein wenig. Die Nase zeigte sich zwar mit der für die Lage typisch reifen gelben, fast schon exotischen Frucht. Vor allem am Gaumen legte dann aber ein wahres Feuerwerk los. Lebendige Säure spielte tänzerisch mit fein-saftiger Frucht und weißem Pfeffer, dabei stets mit guter Spannung und Tiefe bewahrend. Im finish zeigte sich dann ein charmanter Schmelz und vibrierende Würze. Sehr gelungen. Excellent.Battenfeld-Spaniers Weine zeigten sich alle doch noch etwas molliger als bei meinen ersten Eindrücken im Juni. Dieses Jahr hatte der Zellerweg am Schwarzen Herrgott die Nase vorn. In der Nase helle, klare Frucht, dann steinig und leicht kreidig, jedoch nicht so tief wie gewohnt. Am Gaumen zunächst leicht laktisch (das verflog aber beim zweiten Schluck), wich dann viel rauchig-würziger Textur, saftigem Apfel und feiner Säure. Trotzdem wird das wohl stets ein opulenter Vertreter bleiben. Excellent.
Anmerkung: Als Weine zum jetzigen Genuss präsentierten sich das Pettenthal von Rappenhof (leicht süßliche, reife gelbe Frucht, cremiger Schmelz, rote Beeren und feine Säure mit guter Tiefe) sowie der Höllberg von Wagner-Stempel (reife, leicht exotische Frucht gepaart mit charmantem Säurespiel und saftigem Finish) Beide very good. Knewitz Steinacker hat mich erst beim Nachverkosten abgeholt. Dann aber so richtig. Steinige, gelbfruchtige, blumige und strahlende Nase mit etwas Kamille dahinter. Am Gaumen dann, wie der Name verrät, sehr steinig, hell mit merklicher Säure, zupackender Phenolik und skelettartiger Struktur. Sehr gelungen. Excellent.
Pfalz VDP GG
104 Weine gab es zu verkosten. 67 davon waren Rieslinge. 2022 wenn nicht anders angegeben.
Auf Grund der vielen interessanten und ausführlichen Gespräche während und nach dem Mittagessen, war die noch verbliebene Zeit zu gering um alle 67 Rieslinge aus der Pfalz zu verkosten. Ich habe es bis an die Mittelhaardt geschafft und werde daher hier kein abschließendes Urteil über die gesamte Pfalz fällen können. Eines bleibt jedoch festzuhalten: Vor allem Rund um Deidesheim und Forst zeigten sich teilweise große betriebliche Unterschiede, wodurch es mir nicht immer gelang, einen klaren und eigenständigen Lagencharakter über alle Weine einer Lage hinweg herauszuschmecken. Mit dieser Meinung war ich am Dienstag auch nicht allein. Nun meine persönlichen Highlights.
Knipsers Mandelpfad aus 2021 setzte das erste größere Ausrufezeichen mit Mandeln, heller Würze, etwas Malz und weißen Blüten in der insgesamt zarten und tiefen Nase. Straff, zupackende Säure, fester würziger Kern, stoffig, weiße Blüten, helles Furchtfleisch, tief und komplex mit feinem Schmelz. Tolle Balance, gute Struktur. Das mag ich sehr. Excellent. Auch der Saumagen von Rings überzeugte mich, wenngleich er diese sonst so typisch rassige Schärfe, Säure und Spannung aus den Vorjahren nicht gänzlich halten konnte. Dunkle, steinige und würzige Nase mit feiner Reduktion und Fenchel sowie einem leichtem Stinker zu Beginn. Am Gaumen wirkt er geschmeidig, fast schon sanft und dann später doch zupackend, fest und tief-würzig. Fein-saftiges, von dunklem Stein durchzogenes, salzig-zupackendes Finish. Das würde ich jetzt gerne trinken. Great.
Der Pechstein Flight bereitete mir etwas Probleme. Die sonst so typisch schwarze Gesteinsnote fand ich lediglich bei Bürklin-Wolf. Dunkel, etwas rotbeerig, dennoch noch zurückhaltend und aber überraschend leicht alkoholisch in der Nase, straffte sich der Wein am Gaumen dank zupackender Säure, festem würzigen Kern, der den Wein mit hellem Fruchtfleisch und dunkler Würze zu einem sehr langen Finish verhalf. Excellent. Am ehesten kam hier noch Karl Schaefer heran, dessen Interpretation etwas zitrischer und salziger ausfiel.Very good. Auch beim Ungeheuer Flight hatte Bürklin-Wolf klar die Nase vorn. Hier aber heller als im Pechstein, sowohl in der Würze als auch der Frucht. Am Gaumen mit straffer, zupackende Säure, fest gewirktem Kern, weiße Blüten, hellem Furchtfleisch sowie einem tiefen, komplexen und fein-schmelzigem Finish. Das holte mich irgendwie ab, braucht aber sicherlich noch etwas Zeit. Excellent.
Christmann’s Idig, Meerspinne, Ölberg-Haart und Vogelsang fand ich dieses Jahr in diesem jungen Stadium etwas offener und zugänglicher als im doch recht von Salz, kühlem Gestein und vor allem extremer Säure geprägten 2021er. Das gefiel mir sehr. Als eines der wenigen Weingüter konnte man hier über alle Weine hinweg auch eine ganz deutliche Handschrift des Winzers erkennen. Alle vier Weine waren von einem kühlen, gletscherartigen Kern gezeichnet, dazu etwas weiße Blüten, feinste Salzzitrone, charmanter Schmelz und eine zupackende Säure. Die beeindruckendste Tiefe zeigte der Idig (great), die größte Eleganz die Meerspinne (excellent). Auf Grund der Dichte an Spitzenweinen stellte Christmann für mich daher die beste Kollektion in der Pfalz – ohne mir ein Urteil über die nicht verkostete Südpfalz bilden zu können.
Anmerkung: Überraschend gut und jetzt schon gut trinkbar fand ich das Ungeheuer von Mosbacher. Weiße Blüten, weißer Pfeffer und helles Fruchtfleisch in der Nase verband sich harmonisch mit einem saftigen, von Salzzitrone durchzogenen Gaumen. Tänzelnd, fest und gute Balance. Excellent. Ähnlich erging es mir beim Saumagen von Phillipp Kuhn, da der Wein durch seine kalkig-cremige Struktur und einer saftig-zitrischen Note wunderbar schmeichelnd über die Zunge glitt. Sehr schön. Excellent.
Fazit: Wo Licht, da auch Schatten
Was bleibt nun nach diesem langen, intensiven, erkenntnisreichen Tag als Kern vom Kern? Zunächst möchte ich festhalten, dass meine hier festgehaltenen Eindrücke nur Momentaufnahmen sind, die entsprechend eingeordnet werden sollten. Sie ergeben eher insgesamt ein Bild aus vielen Puzzleteilen. In meinem Fall: Das Bild des Jahrgangs 2022 für die Rieslinge von der Mosel, Nahe Rheinhessen und Teilen der Pfalz.
Ein paar der in Wiesbaden angestellten Weine durfte ich bereits als Fassprobe im Frühsommer auf einigen meiner Weingutsbesuchen verkosten. Oftmals hat sich mein Ersteindruck bestätigt beziehungsweise verfestigt. 2022 war ein extrem trockenes aber bei weitem nicht so heißes Jahr wie beispielsweise 2018. Dementsprechend präsentierten sich auch die Weine. Einige der Weine aus den vier verkosteten Regionen zeigten einzelne Spuren von trocknender Phenolik, leicht kratzenden, grünen Tönen und fehlender Spannung und Tiefe. Jedoch zeigten sich weniger warme Töne und wiesen auch vielfach frischere Säurestrukturen auf, als die 2018er. Darüber hinaus waren die qualitativen Schwankungen dieses Jahr sehr deutlich, nicht nur zwischen den Regionen sondern auch teilweise innerhalb einzelner Lagen. Während es einige wunderschöne “Aha”-Momente gab (wie in meinen oben beschriebenen Highlights), gab es auch in fast jedem Flight VDP GG Weine, die deutlich unter den hohen Standards des VDP lagen. Sollte sich dieses Bild in den kommenden Jahren fortsetzen, wäre das sowohl aus Winzer- als auch aus Verbrauchersicht sehr zu bedauern.
Das GG Symbol auf der Flasche steht weithin für beste Qualität trockener Weine. Eine Qualität, die auf einem einheitlich sehr hohen Mindeststandard fußt. Daher ist es unerlässlich, Weine, die als VDP GG eingereicht wurden, in einem Jahrgang, der nicht das gewünschte Niveau erreichte, auszuschließen. Nur so bleibt die über nunmehr 2 Jahrzehnte hart erarbeitete und hoch verdiente hohe Reputation für das VDP.GROSSES GEWÄCHS® dauerhaft erhalten.. Das derzeitige Aufsichtskomitee der VDP GG Winzer scheint in dieser Hinsicht die erforderliche Konsequenz zu vermissen. Verbraucher vertrauen darauf, dass sie beim Kauf eines VDP GG stets die beste Qualität erhalten. Für die von mir verkosteten 155 Rieslinge kann ich das leider nicht gänzlich unterschreiben. Zu groß waren doch die qualitativen Unterschiede – unabhängig von der Stilistik des Jahrgangs. Kürzlich hat der VDP angekündigt, sein aktuelles Klassifikationsschema zu überarbeiten. Zukünftig soll die bewiesene Anerkennung eines Winzers in einer Lage im Vordergrund stehen und nicht, welches Potenzial ein Weinberg möglicherweise hätte. So soll sich das Potenzial des Weinbergs mit dem Können des Winzers zu einer Einheit zusammenfügen. Es wird interessant sein zu sehen, welche Auswirkungen dies auf VDP GG Weine haben wird.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Jahrgang 2022 insgesamt einige aufregende, überzeugende und faszinierende Rieslinge unter den VDP GG bietet. Die besten Winzer haben auch dieses Mal tolle Ergebnisse abgeliefert und faszinierende Weine in die Flasche gezaubert. Talent, Fleiß und kontinuierlich zielstrebige Arbeit macht sich eben vor allem in schwierigen Jahren bezahlt und ist am Ende auch im Glas schmeckbar. Dennoch ist es kein Jahrgang zum „blind“ kaufen. Vielmehr empfehle ich eine gutfgdvcfdew bedachte Selektion und, wenn möglich, Vorverkostung beim lokalen Fachhändler des Vertrauens.
Ich möchte dem VDP und dem Orga-Team in Wiesbaden herzlichst für die Einladung und Möglichkeit an der Teilnahme dieser einzigartigen und perfekt organisierten Veranstaltung danken. Es war mir eine große Freude und Ehre!
Anmerkung: Nur weil ein VDP GG Wein es nicht in meine detaillierten Beschreibungen geschafft hat, bedeutet das nicht, dass er in Bezug auf Qualität schlecht abschnitt. Ich konnte in der begrenzten Zeit einfach keine emotionale Verbindung zu ihm aufbauen. Dennoch habe ich alle 155 verkosteten Weine objektiv bewertet und meine Einschätzungen dokumentiert.