Manche Weine sind wie Geschichten, die man in einem Glas erzählt bekommt – die 2022er Riesling Lagencuvée vom Weingut Prinz Salm gehört zweifellos dazu. Diese Lagencuvée hat bei den Salms Seltenheitswert, denn es ist erst die dritte ihrer Art. Vorher gab es sie nur aus den Jahrgängen 2015 und 2020. Ich kannte den Wein bisher noch nicht und war entsprechend gespannt, was mich erwarten würde. Der 2022er Jahrgang stellte die Riesling Winzer in Deutschland vor große Herausforderungen, doch das Ergebnis hat mich ziemlich überrascht.

Max Kaindl, 02. November 2024Lesezeit etwa 4 Minuten

Riesling Lagencuvée 2022 von Prinz Salm:
Vier große Lagen und ein besonderes Verständnis von Ökologie

Der Boden als Lebensgrundlage: Vier Lagen, vier Böden

Vier VDP.Große Lagen fließen in diese Riesling-Cuvée ein: der Scharlachberg, der Kirchberg, der Johannisberg und das Felseneck. Jeder Boden hier bringt seine individuelle Prägung: Grüner Schiefer im Felseneck – eine echte Seltenheit in Deutschland, Rotschiefer und Schieferton im Johannisberg, Taunusquarzit im Kirchberg und eisenhaltiger Scharlachboden im Scharlachberg. Jeder dieser Böden erzählt seine eigene Geschichte und verleiht dem Wein eine komplexe Textur.

Die Frage, die sich mir beim verkosten sofort stellte: Kann man diese vier unterschiedlichen Böden und ihre Prägungen wirklich herausschmecken? Um ehrlich zu sein: Nein, kann man so direkt nicht. Muss man aber auch nicht, denn jeder Bodentyp bringt hier seine Stärken ein. Im Glas verschwimmen sie für mich zu einer Einheit, und doch spürt man im Wechselspiel der Aromen und der Textur am Gaumen ein harmonisches Zusammenspiel aus den mineralischen Einflüssen jedes einzelnen Bodens.

Die Moste aus den vier Weinbergen werden separat ausgebaut, reifen ein Jahr auf der Feinhefe im großen Holzfass bevor sie anschließend zur Lagencuvée vereint werden. Das Ergebnis ist ein dichter, kraftvoller Riesling mit Tiefgang.

Ökologischer Weinbau -Herzensprojekt der Salms

Der ökologische Ansatz im Weinbau, den Felix und Victoria mit Überzeugung leben, ist mehr als nur ein „grüner Stempel.“ Es geht hier nicht nur um Bio-Labels, sondern um das Verständnis, die Natur zu fördern, statt sie zu bekämpfen. Seit Jahren sind Galloway-Rinder im Binger Weinberg unterwegs, sorgen für Biodiversität und eine natürliche Bodenbelüftung. Eine Direkt-Saat-Maschine, die punktuell die Saat einbringt, ohne die Grasnarbe komplett umzupflügen, zeigt, wie weit die Salms in puncto Bodenschonung denken. Für Felix und Victoria sind gesunde Böden und nachhaltige Landwirtschaft der Schlüssel für ausdrucksstarke Weine, die wirklich die Herkunft widerspiegeln. Sie haben mich damals mit ihrer Begeisterung für diese Methoden angesteckt.

Eine Hommage an die Natur: Das Künstleretikett von Sven Ochsenreither

Ein Blick auf das Etikett der 2022er Lagencuvée lohnt sich allemal. Gestaltet von Sven Ochsenreither, spiegelt es eine tiefere Auseinandersetzung mit Kunst und Natur wider. Der Künstler erklärt, dass er in seiner Malerei nach Formulierungen sucht, die bildliche Erinnerungen hervorrufen und uns zugleich an Vertrautes erinnern. Sein Werk für Prinz Salm, das „fruit basket“, zitiert Caravaggios berühmten Fruchtkorb und ist für ihn eine persönliche Hommage an eines der ersten autonomen Stillleben. Ochsenreither verbindet diesen Kunstklassiker mit seiner eigenen Farb- und Formenwelt und kreiert so eine künstlerische Interpretation, die Tradition und Moderne auf eine lebendige Weise vereint. Dieses Etikett ist also nicht nur Dekoration, sondern eine Einladung, den Wein auf eine ebenso vielschichtige und ehrfurchtsvolle Weise zu erleben.

Meine Eindrücke

Nun genug der großen Vorrede. Wie zeigt sich nun der 2022er Riesling Lagencuvée im Glas? Ich habe den Wein über zwei Tage mehrmals intensiv verkostet, um die Entwicklung ein etwas besser nachvollziehen zu können.

Riesling Lagencuvée, 2022

Der 2022er Riesling Lagencuvée öffnet sich am ersten Tag mit einer wunderbar einladenden Aromatik.

In der Nase zeigen sich reife Steinfrüchte, begleitet von einem Hauch Exotik, feinem Gesteinsmehl und frischen Wiesenkräutern. Eine sanfte Minznote mischt sich dazu, die mit etwas Luft immer deutlicher hervortritt und dem Wein eine interessante Kräuterdimension verleiht. Eine zarte Schärfe von Ingwer schwingt im Hintergrund mit und verleiht der Nase zusätzliche Spannung.

Am Gaumen präsentiert sich der Wein überraschend frisch und mineralisch. Die vier Lagen kommen hier in Form von salzigen Noten zur Geltung, die von einer dezenten Cremigkeit umrahmt werden und dem Wein Fülle verleihen. Zitrische Aromen, eine zupackende Phenolik und eine reife, doch gut eingebundene Säure schaffen Spannung und Tiefe.

Das Finish ist lang und fest, mit der bereits bekannten Ingwerschärfe und reifen Fruchtnoten. Schon jetzt zeigt der Wein einen besonderen Charme, auch wenn die Aromen noch nicht ganz ausbalanciert wirken.

Riesling Lagencuvée, 2022

Am zweiten Tag wirkt der Wein insgesamt feiner und eleganter.

Die Frucht in der Nase hat sich zurückgenommen und zeigt sich jetzt heller und zarter, begleitet von intensiverer Minze, einer feineren Ingwerschärfe und einem Hauch Wasabi, was dem Bukett eine filigrane und leicht kühle Note verleiht. Auch das Gesteinsmehl ist präsent, jedoch mit einer subtileren Kraft als am Vortag.

Am Gaumen entfaltet sich der Wein jetzt cremiger und weicher, mit einer charmanten Extraktsüße, die den Körper sanft umhüllt. Die Balance hat sich spürbar gefestigt und verbindet die Komponenten zu einem harmonischen Gesamteindruck, auch wenn mir die Power und Dichte des ersten Tages ein wenig fehlt.

Im Finish zeigt sich die Ingwernote erneut, begleitet von einer feinen hellen Frucht und einem zarten Schmelz, der den Wein fließend und animierend erscheinen lässt. Dieser zweite Tag bringt mehr Harmonie und Balance, mit einem lebhaften Trinkfluss, der große Freude bereitet.

Zur Einordnung

Für mich bringt dieser Wein die Herausforderungen des Jahrgangs 2022 und sein Potenzial auf den Punkt – und das auf eine Weise, die mich wirklich beeindruckt hat. Die Wärme dieses heißen Jahrgangs ist zwar spürbar, doch er gerät nie in diese überreife, marmeladige Richtung, die oft droht. Stattdessen zeigt die Lagencuvée eine unglaubliche Konzentration und Struktur, die fest und elegant zugleich wirkt. Es ist wie eine Primaballerina mit kraftvoller Muskulatur – grazil, aber voller Energie und Ausdruckskraft.

Für mich muss dieser Wein nicht die nächsten zehn Jahre im Keller liegen, um zu reifen. Er entfaltet schon jetzt eine warme, kraftvolle Präsenz, die mich direkt anspricht und zeigt, wie viel Herzblut Felix und Victoria Salm in diesen Wein gesteckt haben. Diese Tiefe, Dichte und beeindruckende Länge haben mich ehrlich überrascht und bestätigen die große Klasse und das handwerkliche Geschick der beiden Winzer.

Das Besondere: Vier Lagen, eine Philosophie

Prinz Salm zeigt mit seiner Riesling Lagencuvée, dass Weine nicht nur die Herkunft, sondern auch die Leidenschaft und Überzeugung ihrer Macher widerspiegeln. Der 2022 Riesling Lagencuvée ist ein Wein, der die Natur respektiert und den Boden lebendig macht. Wer einmal in Wallhausen war, wird verstehen, dass dieser Wein eine Hommage an die vier Lagen und den kompromisslosen Weg ist, den Felix und Victoria eingeschlagen haben. Ein Wein, der nicht nur im Glas, sondern auch in der Seele nachklingt.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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