Manche Weingüter machen einfach Wein. Andere machen Geschichte. Georg Rumpf und seine Familie gehören eindeutig zur zweiten Kategorie. Anfang November habe ich die Chance genutzt, das VDP Weingut Kruger-Rumpf an der Nahe zu besuchen – und was soll ich sagen? Hier trifft visionäre Experimentierfreude auf bodenständigen Perfektionismus. Eine Kombination, die nicht nur außergewöhnliche Weine hervorbringt, sondern auch den Status quo infrage stellt.

Max Kaindl, 18. Januar 2025
Lesezeit etwa 6 Minuten

Kruger-Rumpf:
Tradition trifft Experimentierfreude

„Warum nicht?“ – Ein Motto mit Erfolgsgarantie

Schon in den 1980er Jahren hat Stefan Rumpf, der Patriarch des Hauses, Nägel mit Köpfen gemacht: Chardonnay an der Nahe pflanzen, als erster überhaupt. Verrückt? Mag sein. Erfolgreich? Definitiv. Genau diese „Warum nicht?“-Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Weinguts. Ob die Einführung von Blanc de Noir in den 90ern oder das Revival von großen Holzfässern – hier wird nicht experimentiert, um anders zu sein, sondern um besser zu werden.

Als ich im Verkostungsraum mit Georg Rumpf und seiner Frau Julia am Tisch saß, wurde schnell klar: Die beiden leben Wein. Georgs Augen leuchten, wenn er über Böden, Mikroklimata und Spontangärungen spricht. Aber es ist keine leere Begeisterung, sondern das tiefe Wissen eines Winzers, der jede Parzelle seiner Lagen kennt – von der mineralischen Strenge des Im Pitterberg bis zur kraftvollen Wärme des Scharlachbergs.

Die Wahrheit im Glas

Mein persönliches Highlight? Schwer zu sagen, denn jedes Glas erzählt eine eigene Geschichte. Der 2023er Riesling Im Pitterberg GG hat mich mit seiner kristallinen Präzision umgehauen – Schiefer pur, wie flüssiger Stein. Der Burgberg Riesling hingegen kommt mit einer vibrierenden Energie daher, die mich fast aus dem Stuhl gehauen hätte. Und dann der Scharlachberg: Riesling mit roter Seele, dank eisenhaltiger Böden und einer Lage, die vor Geschichte nur so strotzt.

Aber nicht nur Riesling kann Georg. Sein Spätburgunder, unfiltriert und mit einem feinen Spiel von Holz und Frucht, hat mich überrascht. Die Messlatte an der Nahe liegt hoch, und dennoch schafft es Kruger-Rumpf, hier mitzuhalten – nein, Akzente zu setzen.

Im Geländewagen durch die Lagen

Nach der Verkostung ging es mit Stefan Rumpf, dem Vater und Mastermind hinter dem Erfolg des Weinguts, in den Geländewagen. „Hier hat alles angefangen,“ sagt er, während wir durch die steilen Terrassen des Langenbergs fahren. Und hier wird klar: Weinbau ist Knochenarbeit. Die Schafe, die zwischen den Reben grasen, sind nicht nur ein PR-Gag, sondern Teil eines ausgeklügelten Systems, das Nachhaltigkeit und Qualität vereint.

Stefan spricht mit einer Mischung aus Stolz und Bescheidenheit über die Transformation des Betriebs – vom Fassweinlieferanten zum international anerkannten Spitzenweingut. „Es geht immer darum, den nächsten Schritt zu machen,“ sagt er, während wir an den alten Rebstöcken der Abtei vorbeifahren. „Aber ohne die Wurzeln zu vergessen.“

Die großen Lagen:
Im Pitterberg. Burgberg. Scharlachberg. Dautenpflänzer.

Die großen Lagen von Kruger-Rumpf sind mehr als nur ikonische Namen – sie sind das Herzstück des Weinguts und erzählen jeweils eine eigene Geschichte.

  • Im Pitterberg: Diese Lage steht für Präzision und Finesse. Der Boden aus kargem Schiefer verleiht den Weinen eine unglaubliche Mineralität und Klarheit. Der 2022er Riesling GG aus dieser Lage ist wie ein flüssiger Diamant – glasklar, präzise und von einer Eleganz, die einen sprachlos macht.
  • Burgberg: Hier dominiert Quarzit, was den Weinen eine vibrierende, fast elektrische Energie gibt. Der Burgberg Riesling beeindruckt mit feiner Frucht und einer Säurestruktur, die lebendig und balanciert zugleich ist. Ein Wein, der förmlich pulsiert.
  • Scharlachberg: Eisenhaltige Böden und eine Südhanglage machen den Scharlachberg zu einer Ausnahmeerscheinung. Hier entstehen Rieslinge mit einer tiefgründigen, fast mystischen Würze und einer samtigen Struktur. Der „rote“ Charakter des Bodens spiegelt sich beeindruckend im Glas wider.
  • Dautenpflänzer: Eine der kleinsten Lagen der Region, aber mit enormer Strahlkraft. Die Kombination aus Tonschiefer und Quarzit sorgt für kraftvolle, gleichzeitig elegante Weine mit großer Tiefe. Jeder Schluck ist ein Erlebnis, das lange nachhallt.

Und dann gibt es noch die Erste Lage „Abtei“: Eine historische Besonderheit mit alten Rebstöcken, die fast in Vergessenheit geraten wären. Die Weine aus der Abtei vereinen Tradition und Komplexität – hier treffen feine Kräuternoten auf eine erstaunliche Länge und Dichte. Stefan Rumpf bezeichnet diese Lage als „Seele des Weinguts“. Ich kann dem nur zustimmen. Die Weine aus dieser Lage zeigen ungemein viel Charakter. Seit 2018 baut Georg hier seinen „1937“ aus. Ein Wein, der in der Weinwelt noch deutlich unter dem Radar und seinem eigentlichen Potenzial läuft.

Meine Tastingnotizen

Ich durfte mich durch das komplette Sortiment verkosten. Stefan und Georg waren sehr großzügig und haben auch ältere Jahrgänge geöffnet.

Guts- und Ortsweine 2022 & 2023

Löss Weißer Burgunder Gutswein, 2023

Frisch und floral in der Nase, am Gaumen saftig mit rassiger Säure und einer Prise Würze. Leicht phenolisch, perfekt balanciert, und im Finish herb-saftig.

Easy, aber mit Stil!

Weißer Burgunder – S, 2022

Eleganz im Glas! Reife Steinfrucht, würzige Tiefe und ein zarter Schmelz am Gaumen. Leicht bitter, wunderbar kompakt, mit Mandeln und herb-saftigem, schmelzigem Finale.

Klasse und Charakter!

Chardonnay, 2023

Leise Eleganz! Feine Würze statt Frucht – charmant und subtil. Saftig, frisch und balanciert am Gaumen, zart im Finish.

Spaß im Glas, ohne laut zu sein.

Chardonnay – S, 2022

Komplex und kernig! Gelbe Steinfrucht, Kamille und ein Hauch Hefigkeit in der Nase.

Am Gaumen würzig-herb mit malzigem Touch und salziger Tiefe. Langes, herbes Finish.

Ein Chardonnay mit Charakter!

Binger Riesling, 2023

Helle Blüten und Frucht verzaubern die Nase, am Gaumen charmant saftig mit feinem Schmelz und eleganter Säure.

Das Finish? Zupackend, animierend – Riesling mit Esprit!

Zweistrom Riesling, 2023

Reifer Pfirsich und Dosenmandarine laden ein, am Gaumen saftig, kräutrig und stringent mit reifer Frische.

Im Finish kompakt, herb und animierend – ein Brückenschlag über die Nahe!

Lagen-Rieslinge 2023

Münsterer Kapellenberg Riesling 1G, 2023

Intensiv und straff: Kräuter, Tannennadeln und Dosenmandarine in der Nase, fruchtig und geradlinig am Gaumen.

Eleganz trifft Trinkfluss – herb und frisch bis ins Finale!

Bingenbrücker Abtei Riesling 1G, 2023

Zarte Frucht und würzige Tannennadeln dominieren die Nase, am Gaumen feine Struktur mit kitschiger Frucht und eleganter Phenolik.

Kräutrig-herb im Finish – subtil, aber animierend!

Abtei „1937“ Riesling, 2023

Präzise Steinfrucht, Kräuter und ein Hauch Würze – Nase wie ein Gemälde! Am Gaumen komplex, zupackend und leicht bitter mit salziger Dichte.

Finish: fordernd, lang, meisterhaft!

Dautenplänzer Riesling GG, 2023

Minze, Kräuter und salzige Würze – kaum Frucht, dafür glasklar und präzise. Am Gaumen druckvoll, saftig und tief mit reifer Phenolik.

Extrem langes, spannungsgeladenes Finish!

Scharlachberg Riesling GG, 2023

Tänzelnd fein in der Nase, klare Frucht, Kräuter und Rauch im Hintergrund. Am Gaumen straff, balanciert und frisch, rot-würzig und komplex.

Finish: würzig, trocken, unendlich elegant!

Im Pitterberg Riesling GG, 2023

Helle Frucht, Blüten und Schieferwürze – fein und tief. Am Gaumen zupackend, stringent und würzig mit toller Säurestruktur.

Finish: fordernd, ziehend, ein Riesling-Statement!

Burgberg Riesling GG, 2023

Dunkle Tiefe und Rauch in der Nase, am Gaumen saftig mit massiver Phenolik und Gripp. Straffes, vibrierendes Finish.

Riesling, der begeistert – wahrhaft gross.

gereifte und fruchtsüße Weine

Im Pitterberg Riesling GG, 2016

Reife Exotik und Tiefe in der Nase, am Gaumen mit feinem Schmelz, genialer Textur und balanciertem Spiel von Frucht und Kräutern.

Intensiv, dicht und lang – einfach groß!

Im Langenberg Riesling, 2023

Zarte Blüten und hell-gelbe Frucht, leicht süßlich in der Nase. Am Gaumen seidiger Schmelz, gute Balance und feine Süße.

Finish: charmant saftig, aber eher kurz.

Ein herrlicher feinherber Riesling für den alltäglichen Genuss.

Im Pitterberg Riesling Kabinett, 2023

Leichte weiße Blüten, Frische und Eleganz. Tänzelnd am Gaumen mit brillanter Süße-Säure-Balance.

Trinkfluss pur, nichts klebt – Kabinett at its best!

Spätburgunder – S, 2012

Tabak, Waldboden und rote Beeren – intensiv und zart zugleich. Tänzelnd fein am Gaumen mit poliertem Tannin und zarter Würze.

Im Finish ewig lang, harmonisch und wunderschön!

GROSSER STROM – Ein Wein mit Ursprung und Identität

Ein Wein, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist der 2021er GROSSER STROM. Dieser Riesling vereint die Herkunft zweier außergewöhnlicher Lagen: Scharlachberg und Im Pitterberg. Bereits im 19. Jahrhundert wurden Partien beider Lagen zusammen in ein Stückfass gelegt, um einen Wein zu schaffen, der das Beste beider Böden vereint. Diese Tradition wird heute fortgeführt – mit beeindruckendem Erfolg.

Die Kraft und Fülle des roten Schiefers vom Scharlachberg trifft hier auf die filigrane Präzision und die kräutrige Note des blauen Schiefers vom Pitterberg. Das Ergebnis? Ein Wein mit enormer Spannung, druckvoll und dennoch frisch. Der GROSSER STROM ist nicht nur ein großer Riesling, sondern ein Statement – ein Wein, der zeigt, was die Nahe links und rechts ihres Ufers kann.

Fazit: Kein Weingut für Durchschnitt

Kruger-Rumpf ist kein Weingut für die breite Masse. Und das ist gut so. Hier wird nicht produziert, hier wird geschaffen. Jeder Wein trägt den unverkennbaren Fingerabdruck von Georg und Stefan Rumpf – und das spürt man. Mein Besuch hat mir nicht nur fantastische Weine beschert, sondern auch den Glauben daran bestärkt, dass Tradition und Innovation kein Widerspruch sein müssen.

Was mich allerdings überrascht hat: Kruger-Rumpf läuft, zumindest in meiner Wein-Bubble, noch immer ein wenig unter dem Radar. Dabei verdienen die Weine, meiner Meinung nach, deutlich mehr Aufmerksamkeit in der Fine-Wine-Welt. Wer wirklich verstehen will, was die Nahe und das Binger-Eck ausmacht, kommt an Kruger-Rumpf nicht vorbei.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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