Ein Besuch in Ilbesheim, der mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt – im besten Sinne.
Max Kaindl, 19. Juni 2025
Lesezeit etwa 3 Minuten
Kalmit Calling – Frühling bei Kranz

Ein Ort mit Geschichte – und Zukunft
Ilbesheim in der Südpfalz. Auf den ersten Blick ein ruhiges Winzerdorf, auf den zweiten ein spannender Mikrokosmos für ambitionierten Weinbau. Das Weingut Kranz liegt am Ortsrand, eingebettet in Rebland mit langer Geschichte – und inmitten einer Gegenwart, die sich gerade neu sortiert.
Denn mit Xaver Kranz steht die nächste Generation bereit. Jung, wach, klar im Kopf. Kein Auftritt, keine Inszenierung – sondern jemand, der seine Rolle ernst nimmt und trotzdem frischen Wind reinbringt. Man spürt sofort: Hier wird nicht einfach übernommen, sondern weitergedacht. Das Fundament dafür hat Vater Boris gelegt – mit klarem Blick, kalkverliebtem Herz und dem Mut, schon früh auf die Kalmit zu setzen, als andere noch die Hände über dem Kopf zusammenschlugen.
Lagen mit Aussage – Seligmacher, Kirchberg, Kalmit
Der erste Eindruck entsteht im Weinberg. Und der ist bei Kranz ganz klar: Das Terroir steht im Zentrum.
Seligmacher
Der Seligmacher mit seinem Rotliegendem Boden wirkt freundlich, fast einladend. Hier entstehen Weine, die saftig und strukturiert zugleich sein können – Rieslinge mit ruhigem Puls.


Kirchberg
Der Kirchberg ist eine andere Hausnummer. Karger, steiniger. Hier steht die Luft. Die Weine von hier strahlen Wärme und Konzentration aus, brauchen Luft und Zeit. Man merkt, dass die Handschrift hier nicht von der Rebsorte allein kommt – sondern vom Boden, von der Exposition, vom Denken im Weinberg.
Kalmit
Und dann ist da die Kalmit. Diese Lage hat etwas Unbeirrbares. Ein falscher Südhang, durchzogen von Kalksteinblöcken und einer geringen Lössauflage. Die Weine sind nicht laut, sondern eher scharf, geradlinig mit salziger Textur. Genau dieser Stil hatte mich in Wiesbaden bei den VDP-Vorpremieren der letzten beiden Jahre so überrascht und begeistert. Und genau deshalb stand ich jetzt hier – inmitten der Reben, die für mich die spannendste Riesling-Botschaft der Südpfalz senden.
Das einzige, was ich mich nach dem Gang über die Kalmit fragte: Warum wird hier nicht mehr Chardonnay und Pinot Noir angebaut? Denn das Mikroklima und die Bodenstruktur sind geradezu ein Paradis für Burgunder!

Neuer Keller, neue Dynamik
Zurück am Weingut, geht’s in den Keller. Modern, aufgeräumt, logisch. Kein architektonischer Showroom, sondern ein Arbeitsraum – funktional, durchdacht, effizient. Die neue Anlage ist Ausdruck eines Denkens, das Klarheit über Komplexität stellt. Das Ziel: bessere Bedingungen, mehr Ruhe, mehr Präzision.
Die Fassproben sprechen genau diese Sprache. Die Rohweine – noch in der Entwicklung – zeigen bereits Richtung. Kein Make-up, keine Effekthascherei. Stattdessen straffe Linien, kühle Aromatik, feine Phenolik. Die Weine wirken wie auf den Punkt komponiert, ohne künstlich konstruiert zu sein. Besonders spannend: die Weine aus der Kalmit – mit dieser messerscharfen Textur und der hellen, fast kalkigen Aromatik, die sich wie ein roter Faden durchzieht.






Der Tag verfliegt – und hinterlässt offene Kapitel
Ursprünglich war geplant, auch noch die aktuelle Kollektion zu verkosten. Daraus wurde nichts. Nicht aus Nachlässigkeit – sondern, weil die Zeit in den Weinbergen und im Keller so intensiv war, dass alles andere nebensächlich wurde. Kein Moment war überflüssig. Aber eben auch keiner mehr übrig.
Und das ist am Ende auch okay. Denn dieser Besuch hat bei mir einen Eindruck hinterlassen, der mehr war als das bloße Abhaken von Weinen. Es war ein Eintauchen in ein Weingut, das gerade sehr bewusst seinen nächsten Schritt macht. Und dabei aufzeigt, wie man Herkunft, Familiensubstanz und Zukunftswillen klug verbindet und in die nächste Generation führt.
Warum Kranz jetzt besonders spannend ist
Das Weingut Kranz war nie ein lauter Player, aber immer eines, das sich konsequent entwickelt hat. Die Aufnahme in den VDP 2012 war ein Meilenstein. Die Anerkennung der Kalmit als Einzellage: ein Durchbruch. Und jetzt ist da mit Xaver eine nächste Generation, die das Ganze mit neuer Energie auflädt. Nicht revolutionär, aber bestimmt.
Es ist dieser Dreiklang aus Boden, Haltung und Präzision, der die Weine ausmacht. Keine Überreife, keine technischen Kompromisse. Stattdessen trockene, klare, schnörkellose Weine mit Herkunftscharakter. Das wirkt auf den ersten Blick fast nordisch. Und genau das ist das Spannende – diese ruhige Kraft, die von der Kalmit und ihren Nachbarlagen ausgeht.



Was bleibt?
Der Eindruck eines Weinguts, das seinen Zenit noch nicht erreicht hat – weil es gerade dabei ist, sich neu aufzustellen. Der Besuch bei Weingut Kranz war kein orchestriertes Event, sondern ein ehrlicher Blick hinter die Kulissen. Und manchmal ist es genau das, was am meisten hängen bleibt.
Die fertigen Weine werde ich ein andermal verkosten. Aber das Gefühl, dass hier gerade etwas richtig Gutes passiert – das nehme ich schon jetzt mit. Und wer weiß: Vielleicht ist genau das der beste Anfang für eine längere Geschichte.








