Seit mehr als 100 Jahren ist die ehemalige preussische Staatsdomäne, das heutige Gut Hermannsberg, Bewahrer der Weinbautradition an der Nahe. Lagen wie Kupfergrube, Felsenberg, Steinberg, Bastei und vor allem die Monopollage Hermannsberg sind untrennbar mit dem Aufstieg, Fall und der Renaissance des Weinguts und seiner Region verbunden. Folge mir auf einer kleiner Zeitreise in die bewegte Geschichte von Gut Hermannsberg – die auch ein wenig über die Geschichte der Region Nahe erzählt.
Max Kaindl, 06. Januar 2024
Lesezeit etwa 10 Minuten
Gut Hermannsberg:
Große Tradition neu gedacht
Ruhm, Krisen und die Herausforderungen zweier Weltkriege
Das Weingut wurde im Jahr 1902 gegründet und trug ursprünglich den Namen „Königlich-Preußische Weinbaudomäne Niederhausen-Schlossböckelheim“. Es wurde vom preußischen Staat ins Leben gerufen, um Weine für den deutschen Adel zu produzieren.
Die Weinberge wurden Anfang 1901 erworben und auf steilen, terrassierten Hängen angelegt, die sich bis zu 380 Meter über dem Meeresspiegel erheben. Die Reben wachsen auf einem außergewöhnlichen Bodentyp, der hauptsächlich aus Porphyr besteht – einem vulkanischen Gestein – und verwittertem roten Sandstein. Diese einzigartigen Böden eignen sich besonders gut für den Anbau von Riesling-Trauben, die bis heute den Großteil der Weinbergsbepflanzungen ausmachen.
Die ersten Jahre bis zum Beginn des 1. Weltkriegs waren durchaus schwer für die Staatsdomäne.
Zum einen viel die Zeit der Gründung mitten in die Reblaus-Katastrophe, die bis Ende des 19. Jahrhunderts weite teile Europas befiel und viele Weingüter vor ernsthafte Existenzprobleme stellte.
Zum anderen erforderte es immenser körperlicher Anstrengung, die Weinberge rund um das Weingut anzulegen. Denn in den meisten Teilen der heute weltbekannten Lagen wie Hermannsberg und Kupfergrube – hier wurde bis ca. 1910 noch eine Kupfermine betrieben – gab es bis dato keine kultivierten Reben. Sämtliche Wege und Weinbergsparzellen mussten also größtenteils mit rein händischer Arbeit angelegt und in den steilen Felsen gehauen werden.
Weinbaulicher Exkurs zur Reblausplage:
Wissenschaftler konnten lange Zeit keinen wirksamen Schutz gegen den Schädling finden. Die dramatische Situation im Weinbau besserte sich erst Jahre später, als Forscher herausfanden, dass einige einheimische amerikanische Rebstöcke immun gegen die Krankheit waren.
Als Folge wurden die amerikanischen Rebwurzeln umveredelt, in dem der europäische Trieb auf die amerikanischen Wurzeln gepfropft wurde. Dieses Verfahren wird bis heute angewandt Als Folge der Reblauskatastrophe ist das Pflanzen wurzelechter Reben in weiten Teilen der Welt bis heute verboten. Jetzt aber genug mit der Vermittlung weinbaulichen Wissens, zurück zur Geschichte von Gut Hermannsberg.
Dennoch schafften es die Weine der Preußischen Staatsdomäne bereits früh zu beträchtlichem Ruhm. Das erste Ausrufezeichen setzte man mit dem 1911er Jahrgang. Ein für Deutschland allgemein herausragendes Jahr, brachte es neben einer beträchtlichen Erntemenge auch fantastische Qualitäten hervor und ging somit als zweiter legendärer Kometenjahrgang nach 1811 in die Geschichte ein.
Kurz darauf folgte auch die erste Versteigerung durch den „Verband der deutschen Naturweinversteigerer“ dessen Nachfolgeorganisation der heutige VDP (Verband der deutschen Prädikatsweingüter) ist.
Nach dem Krieg ist vor dem Krieg
Die 20er Jahre waren geprägt von den folgen des ersten Weltkriegs und einer massiven Inflationsrate durch die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen Ende 1922. Ein Jahr zuvor hatte man noch einen bis heute legendären Riesling auf dem Hermannsberg vinifiziert. Eine Riesling Trockenbeerenauslese aus der Kupfergrube mit unglaublichen 308º Oechsle. Es folgten glorreiche Jahre bis zur „Great depression“ in 1929.
Mit dem Beginn der Nazi-Herrschaft ab 1933 wandelte sich das Image des Deutschen Weins von einem Spitzenpreise erzielenden Luxusgetränk zu einem „Volksgetränk“ und everyday drink für die Deutschen. Mit der Verbannung der Juden aus dem Weinhandelsgeschäft wurde schließlich auch der Grundstein für den späteren Niedergang des deutschen Weinbaus dem zweiten Weltkrieg besiegelt, denn diese waren zum großen Teil führend im weltweiten Vertrieb deutscher Spitzenweine.
Wiederaufbau, superbe Rieslinge für Königinnen und schwere Zeiten
Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Weingut schwer beschädigt und geriet in einen Zustand des Verfalls. In den 1960er und 70er Jahren erlebte das Staatsweingut dank des unermüdlichen Einsatzes von Gutsdirektor Hermann Goedecke und seinem Team zwar noch einmal eine kleine Erfolgsphase. Bei einem Bankett von Queen Elisabeth II. im Buckingham Palace wurde ein 1969er Kupfergrube Riesling serviert.
Danach geriet das Weingut jedoch langsam aber sicher in einen Dornröschenschlaf, aus dem es auch durch eine erste Privatisierung im Jahr 1998 nicht erwachen konnte. Aus diesem Grund werde ich in diesem Beitrag nicht näher auf diese Jahrzehnte bis zur Übernahme durch die Familie Reidel eingehen.
Erwachen aus dem Dornröschenschlaf
Jens Reidel und seine Frau Christine Dinse erkannten das Potenzial des Anwesens und seines einzigartigen Terroirs und erwarben es im Jahr 2009. Sie benannten das Weingut nach dem nahegelegenen Dorf Niederhausen-Hermannsberg in „Gut Hermannsberg“ um. Unter ihrer neuen Führung hat Gut Hermannsberg eine vollständige Transformation durchlaufen. Unter ihrer neuen Führung hat Gut Hermannsberg eine vollständige Transformation durchlaufen. Das Weingut wurde renoviert und modernisiert, und die Weinberge wurden neu bepflanzt und restrukturiert.
Der Fokus liegt nun vollständig auf der Produktion hochwertiger Riesling-Weine, die das einzigartige Terroir des Weinguts widerspiegeln. Das Weingut kann aus einem reichen Lageportfolio schöpfen, da es sieben Weinberge besitzt, die alle als Grand Cru-Lagen zertifiziert sind. Im Jahr 2010 erhielt Gut Hermannsberg aufgrund seiner einzigartigen Lage und Böden den Status als Mitglied im VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter) und zählt somit zu den besten Weingütern Deutschlands. Eine Rückkehr zu den Wurzeln. War man doch bereits im frühen 20. Jahrhundert Mitglied der Vorgängerorganisation des VDP, dem „Verband der deutschen Naturweinversteigerer“.