Die ersten Monate 2025 haben bei vielen Winzern für gute Laune gesorgt. Endlich mal wieder ein Frühjahr zum Durchatmen. Pünktlicher Austrieb, regelmäßiger Niederschlag, keine Frostschäden – das klingt banal, ist aber nach den letzten Jahren fast schon ein kleines Wunder.
Max Kaindl, 06. Juli 2025
Lesezeit etwa 3 Minuten
Frühjahr 2025 – Der perfekte Auftakt?

The Art of Riesling on the road
Ich war in den letzten Wochen viel unterwegs. Rheinhessen, Pfalz, Franken, Rheingau, Mosel, Saar, Ruwer. Und überall dieselbe Botschaft: So ruhig, so kontrolliert, so normal war’s schon lange nicht mehr. Wer im Frühjahr gut dasteht, hat Rückenwind für den Rest der Saison. Aber – und jetzt kommt der entscheidende Punkt – mehr eben auch noch nicht.
Denn machen wir uns nichts vor: Bis die Trauben geerntet sind, ist es noch ein weiter Weg. Der Juni hat bereits gezeigt, wie schnell das Blatt sich drehen kann – punktueller Starkregen und Hitzewellen, die teilweise zu Sonnenbrand führte. Und die ganz heißen Wochen? Stehen uns noch bevor.
Was es braucht für einen Jahrhundert-Jahrgang?
Mehr als ein stabiles Frühjahr. Viel mehr. Es braucht einen Sommer, der warm ist, aber nicht verbrennt. Es braucht kühle Nächte, die für Aromatik sorgen. Es braucht Wasser – aber zur richtigen Zeit. Und einen goldenen Herbst, der durchzieht bis zur Lese. Trocken, aber nicht zu trocken. Warm, aber nicht zu heiß. Ein Balanceakt. Ein Drahtseilakt auf Klimakante.
Schauen wir zurück: 1959, 1971, 1975, 1990, 2001, 2015, 2019 – das sind Jahrgänge, die aus dem Stand Geschichte geschrieben haben. Warum? Weil alles gepasst hat. Weil Natur, Mensch und Timing auf den Punkt abgestimmt waren. Und weil die Weine nach Jahren immer noch erzählen, wie genial das Zusammenspiel war. Kein Hype, kein PR-Konstrukt, sondern Qualität mit Ansage. Davon sind wir 2025 noch ein ganzes Stück entfernt.
Ich persönlich? Ich habe über die Jahre ein Faible für die kühleren Jahrgänge entwickelt. 2004 zum Beispiel. Oder ganz aktuell: 2021. Sicher, jung wirken solche Weine oft harsch, kantig, verschlossen. Aber gib ihnen Zeit – und sie blühen auf wie kaum ein anderer Jahrgang. Präzision, Frische, Langlebigkeit. Keine vordergründige Opulenz, sondern Substanz mit Tiefgang. Wer das einmal im Glas erlebt hat, weiß: Größe zeigt sich nicht immer sofort.



Deshalb:
Nein, von einem Jahrhundertjahrgang zu sprechen, ist nicht nur verfrüht – es ist schlicht Unsinn. Gute Voraussetzungen, ja. Spannende Anlagen, ja. Aber ob 2025 wirklich groß wird, entscheidet sich im August und September – nicht im Mai.
Was aber auffällt: Die Winzer sind vorbereitet. Gelernt aus den letzten Jahrgängen. Viele arbeiten flexibler, reaktionsschneller, präziser. Und das kann im heißen Herbst Gold wert sein – im wahrsten Sinne.
Ich für meinen Teil bin vorsichtig optimistisch. Und freue mich auf alles, was kommt. Denn das Frühjahr 2025 hat etwas geschafft, das selten geworden ist: Es hat Hoffnung gemacht. Und das ist vielleicht schon der größte Erfolg.





