Es gibt Weingüter, bei denen reicht der Name. Fürst. Fertig. Jeder, der sich ernsthaft mit deutschem Spätburgunder beschäftigt, weiß, worum es hier geht. Und trotzdem: Wer einmal selbst durch die Lagen gelaufen ist, wer mit Sebastian Fürst im Keller stand, wer verstanden hat, wie viel Detailversessenheit, Geduld und Demut hinter diesen Weinen stecken, der schaut künftig mit noch mehr Respekt auf jede Flasche aus Bürgstadt.

Mein Besuch war überfällig. Und wie so oft in Franken beginnt alles ziemlich unspektakulär. Kein großes Brimborium, kein Chichi. Stattdessen ein ruhiger, konzentrierter Sebastian Fürst, der genauso gern zeigt wie erzählt. Und genau das macht diesen Tag so besonders.

Max Kaindl, 20. Juli 2025
Lesezeit etwa 6 Minuten

Ein Tag bei Sebastian Fürst – Bürgstadt, Buntsandstein und die große Kunst des Weglassens

Lagen, Mauern, Zukunft

Wir starten draußen, in den Weinbergen. Bürgstadt, Klingenberg – klingende Ortsnamen, große Böden. Aber hier spricht nicht der Boden. Hier spricht der Mensch, der ihn bewirtschaftet.

Unten im Hundsrück zeigt mir Sebastian ein Projekt, das für ihn weit über den eigenen Betrieb hinaus Bedeutung hat: Die Restaurierung der alten Trockensteinmauern. Wer diese Mauern einmal aus nächster Nähe gesehen hat, der weiß, was das heißt: Handarbeit, Stein auf Stein, kaum Maschinen. Es geht um Stabilität, um den Erhalt dieser Terrassen, um ein Stück Weinbaukultur.

Einige Winzer haben mitgezogen. Noch zu wenige, wenn es nach Fürst geht. Aber er ist keiner, der drängt. Er lebt lieber vor, was richtig ist. Und beweist damit einmal mehr sein diplomatisches Geschick.

Ein Hauch von Burgund im Hundsrück?

Sebastians Parzellen gleichen einem Manifest für Präzision. Besonders begeistert zeigt er mir sein spezielles Parzellen-Projekt: enge Pflanzabstände, extrem niedrig erzogen, bestes Pflanzmaterial aus dem Burgund. Kein Quadratmeter verschenkt. Besonders drastisch wird der Unterschied in der Reberziehung dann, wenn man einen Blick nach links und rechts wagt und die klassich deutsche Drahtrahmenerziehung im Vergleich dazu sieht. Sebastian möchte mit dieser Parzelle die Auswirkungen der burgundischen Reberziehung im Verhältnis zur deutschen herausfinden. Und wo macht er das? Nicht etwa in einer unbedeutenden Randparzelle. Nein, im Herzstück des Hundsrück – seiner wohl besten Lage. Das ist Konsequenz auf die Spitze getrieben.

Im Keller: 2024 – Wenig Wein, viel Ausdruck

Zurück im Keller. Die Ernte 2024? Klein. Winzig. Zum Vergessen, wenn’s nur um Menge ginge. Aber Qualität? Das ist eine ganz andere Geschichte.

Die Fassproben zeigen einen Jahrgang auf leisen Sohlen. Kühle Aromatik, straffe Struktur, alles sitzt, nichts drängt sich auf. Wer Lautstärke sucht, wird hier nicht fündig. Dafür Präzision, Länge, Substanz. Keine Eile, keine Moden. 2024 könnte ein Jahr für Puristen werden. Für Leute, die zuhören können.

Stillstand? Nicht in Bürgstadt.

Was mich an Fürst immer wieder beeindruckt: dieser leise, aber unerbittliche Drang zur Verbesserung. Der Betrieb steht längst an der Spitze bei deutschen Burgundern. Und trotzdem: jedes Jahr wird er ein bisschen feiner, ein bisschen klarer, ein bisschen konsequenter.

Das hat Sebastian vom Vater. Paul Fürst hat den Weg bereitet. Sebastian führt ihn weiter. Vielleicht nicht revolutionär anders, aber evolutionär präziser. Und immer mit Blick aufs Ganze: Weinbau, Landschaft, Zukunft. Dass Herkunft der Schlüssel ist – davon ist hier keiner nur theoretisch überzeugt. Man lebt es.

Meine Tasting Notizen

Spätburgunder Grossheubach, 2023

Noch jung, noch leicht ungestüm. Dunkle Kirsche, Schlehe, Minze. Etwas Fleisch am Knochen, aber straff gehalten. Tannin präsent, aber nicht fordernd. Ein Wein mit Ecken, aber Herz.

Spätburgunder Klingenberger, 2023

Feiner, kühler, heller. Sauerkirsche, Hagebutte, ein Hauch Rauch. Am Gaumen ziseliert, mit feiner Säure und präziser Länge. Kein Lautsprecher, eher ein stiller Erzähler.

Spätburgunder Schlossberg GG, 2023 (Preview)

Mehr Tiefe, mehr Dichte, aber nichts Schweres. Seidige Tannine, rote Frucht, kühle Kräuter, ein Hauch Graphit. Balanciert bis ins letzte Detail. Hier zeigt sich die ganze Klasse des Jahrgangs.

Spätburgunder Centgrafenberg GG, 2022

Dunkler, würziger, mit mehr Druck. Schwarzkirsche, Minze, ein Hauch Tabak. Dicht, kraftvoll, trotzdem fein. Ein Wein, der mit Belüftung immer mehr von seiner Vielschichtigkeit zeigt. Große Länge, große Substanz.

Astheimer Chardonnay, 2023

Kühl, steinig, zurückhaltend im Moment. Limette, weißer Pfirsich, ein Hauch Rauch. Viel Salz, viel Spannung. Noch im Kokon, aber vielversprechend.

Bürgstadter Berg 1G Chardonnay, 2023

Etwas reifer, vibrierender. Mehr Zitrusfrische, mehr Länge, mehr Energie. Balanciert, animierend, sehr klar.

Chardonnay R, 2023

Mehr Holz, mehr Volumen, aber alles bleibt auf der Linie. Gelbe Frucht, Nuss, feiner Schmelz, viel Salz im Nachhall. Kein Kraftprotz, sondern ein Balanceakt. Sehr präzise gebaut.

Bürgstadter Berg 1G Weißburgunder, 2022

Sauber, ordentlich, aber ohne große Tiefe oder Emotion.

Riesling Pur Mineral, 2023

Glasklar, steinig, saftig. Zitrus, Apfel, ein Hauch Bonbon. Präzise Säure, guter Zug, feiner Grip. Leichtfüßig, aber nicht banal.

Centgrafenberg Riesling GG, 2023

Konzentrierter, dichter, komplexer. Gelber Apfel, Grapefruit, Stein. Mehr Substanz, mehr Spannung, salziger Nachhall, feines Tannin. Ein Riesling, der Haltung zeigt, ohne sich aufzudrängen.

Mein Fazit?

Wer wissen will, wie Spätburgunder auf Buntsandstein geht, fährt nach Bürgstadt. Wer verstehen will, warum deutsche Spitzenwinzer nicht ruhen dürfen, spricht mit Sebastian Fürst. Und wer glaubt, das sei alles längst erzählt, sollte sich die 2023er ansehen.

Denn bei Fürst entsteht nicht einfach nur Wein. Hier wird Zukunft geschrieben und gebaut. Stein für Stein. Jahrgang für Jahrgang. Und immer ein bisschen besser.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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