Es war einer dieser Julitage, an denen die Sonne erbarmungslos auf den Boden knallt und die Luft über den Reben flirrt. Der perfekte Moment, um mal wieder bei Christoph im Weingut am Schlipf – Schneider vorbeizuschauen. Der südlichste Zipfel des Markgräflerlands, nur einen Steinwurf von der Schweizer Grenze entfernt, war wie gemacht für ein Glas gut gekühlten Wein – und noch besser für ein Wiedersehen mit einem Freund.

Max Kaindl, 12. Oktober 2024
Lesezeit etwa 8 Minuten

Ein Nachmittag am Schlipf:
Zu Besuch bei Freunden

Leise Töne, starke Wurzeln

Christoph Schneider ist nicht der Typ Mensch, der mit großen Gesten oder lauten Worten auffällt. Im Gegenteil, auf den ersten Blick wirkt er fast schon schüchtern. Doch genau das macht ihn so besonders. Christoph ist einer dieser Menschen, die erst lange zuhören, bevor sie sprechen. Und wenn er spricht, dann trifft er den Nagel auf den Kopf – präzise, durchdacht, immer auf den Punkt. In Sachen Reben und Weinberge kann Christoph so schnell niemand etwas vormachen. Dabei bleibt er aber stets bescheiden, freundlich und charmant, mit einem Hauch von Witz, der einem erst dann bewusst wird, wenn man schon längst lächelt.

Gemeinsam mit seinem Bruder Johannes führt er das Weingut am Schlipf – Schneider in Weil am Rhein. Das Weingut hat eine lange Geschichte, die bis ins Jahr 1465 zurückreicht, als die Familie Schneider erstmals in der Region sesshaft wurde. Der entscheidende Wendepunkt kam jedoch 1892, als Christophs Ur-Ur-Großvater Johannes Schneider den heutigen Gutshof unterhalb des Schlipfs erwarb. Christoph und Johannes setzen heute auf moderne Methoden, ohne dabei die Tradition aus den Augen zu verlieren – eine Balance, die den beiden beeindruckend gut gelingt.

Die beiden Brüder arbeiten im stillen Einklang daran, das Weingut auf die nächste Stufe zu bringen. Sie haben eine klare Vision: Naturnaher Weinbau, der die Tradition ehrt und gleichzeitig offen für moderne Einflüsse bleibt. Diese Philosophie zieht sich durch das gesamte Weingut – von den Weinbergen bis hinunter in den Keller, wo die Weine so schonend wie möglich verarbeitet werden, um ihren authentischen Charakter zu bewahren.

Die Weinberge im Markgräflerland – Wo Charakter wächst

Wir starteten den Tag mit einer kleinen Tour durch die Parzellen am Weiler Schlipf – der Hauslage der Schneiders. Im Hintergrund der Tüllinger Berg, majestätisch und stolz. Von hier kommt der beste Pinot Noir der Region. Die Reben standen kräftig da, trotz des des bis dato extrem nassen und von Feulnisdruck geprägten Frühjahrs. Christoph erklärte mir mit der ihm eigenen Ruhe, wie das Klima und die Böden – dieser wunderbare Mix aus Kalkstein und Tonmergel – den Weinen ihre Einzigartigkeit verleihen. Und auch, wie er und sein Bruder mit biodynamischen Methoden den Boden und die Reben zum Leben erwecken. Da steckt so viel Liebe zum Detail drin, dass man die Leidenschaft förmlich spürt.

Zurück im Keller – angenehm kühl und wohltuend nach der Hitze draußen – ging es ans Verkosten. Die 2023er Rotweine lagen noch ruhig in den Fässern und warteten auf ihre große Stunde. Christoph versprach, dass diese Weine später einmal Großes offenbaren würden. Und damit versprach er nicht zu viel. Im Kopf blieb mir besonders die 23er Sonnhohle Spätburgunder Fassprobe. Mehr dazu aber dann, wenn der Wein gefüllt ist.

Weingut am Schlipf Schneider, Weingut am Schlipf Schneider, Weingut am Schlipf Schneider

Die Highlights des Tages – Ein Trio der Extraklasse

Auf der Terrasse vor dem Weingut wollten wir uns dann den Rosés und Weißen des Hauses widmen. Die Roten? Die blieben vorerst in ihrer Barrique-Kuschelzone.

Der 2022er Manyer war das erste Highlight im Glas. Für mich ein Wein, der wie der Inbegriff dieser besonderen Region ist. 100% Weissburgunder. Eine komplexe Nase aus weißen Blüten, Aprikosen und etwas nassem Stein – ja, nasser Stein! Das klingt vielleicht seltsam, aber genau das macht diesen Wein so faszinierend. Am Gaumen war er fast seidig, mit einer frischen Säure, die ihn trotz seiner Fülle leicht und verspielt wirken lässt. Ein Weißwein, dem ich mit Sicherheit noch häufiger begegnen möchte.

Dann folgte der 2018er Weiler Schlipf Chardonnay – und was soll ich sagen? Der Wein hat mich umgehauen. Schon der erste Schluck war wie eine kleine Reise an die französische Küste. Salzige Meeresbrise, reife Zitrusfrüchte und ein Hauch von gerösteten Mandeln – so könnte man das beschreiben. Aber was mich wirklich fasziniert hat, war die Balance zwischen dieser straffen Mineralität und der weichen, fast cremigen Textur. In einem so trocken-heißen Jahr wie 2018 ein Kunststück. Ein Wein, der zeigt, dass auch das Markgräflerland großes Chardonnay-Potenzial hat. Und der Abgang? Der blieb lange, sehr lange – genau wie das Grinsen auf meinem Gesicht.

Der 2021er Grès Rosé war der Abschluss des Tastings – und, oh Junge, der hat mich wirklich überrascht. Fruchtig, frisch und doch so elegant. Hier dominiert keine plumpe Erdbeerbombe, sondern eine feine Würze, die perfekt mit der Mineralität spielt. Jeder Schluck war wie ein leichter Sommerwind, der gerade noch rechtzeitig über die Felder weht, bevor die Hitze wieder die Oberhand gewinnt. Ein Rosé für Genießer, nicht für den schnellen Durst. So muss das sein.

Haus GuPi – Weine für Individualisten

Während wir so in die Gläser schauten, erzählte Christoph mir von seiner anderen Wein-Linie „Haus GuPi“, die er gemeinsam mit seinem Bruder Johannes ins Leben gerufen hat. Die Weine, benannt nach den beiden Leitrebsorten Gutedel und Spätburgunder, werden nach dem Motto „weniger ist mehr“ gemacht. Naturbelassen, ohne Schnickschnack – kein Schwefel, keine Filtration, nur die natürliche Hefe aus dem Weinberg. Diese Weine sind für die, die wirklich tief in die Materie eintauchen wollen. Sie polarisieren, sie provozieren, aber genau das ist der Reiz. Keine Weine für jedermann, sondern für echte Individualisten.

Nachmittag im Weingut am Schlipf, Nachmittag im Weingut am Schlipf, Nachmittag im Weingut am Schlipf, Nachmittag im Weingut am Schlipf

Und so verging der Nachmittag wie im Flug. Die Gespräche wurden tiefer, die Gläser leerer und die Sonne sank langsam hinter den Rhein. Und ich? Ich komme ganz sicher wieder – spätestens, wenn die 2023er Rotweine aus dem Keller geholt werden.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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