Die Provence – allein der Name weckt in mir Bilder von Lavendelfeldern, Olivenhainen und malerischen Dörfern, die sich in sanften Hügeln verlieren. Doch für mich ist es die kleine Subregion Bandol, die das wahre Herz der Provence offenbart. Diese kleine Ecke, eingebettet zwischen Marseille und Toulon, ist nicht nur landschaftlich ein Highlight, sondern auch die Heimat einiger der faszinierendsten und lagerfähigsten Rosé – und vielleicht auch Rotweine – Weine der Welt.

Max Kaindl, 29. September 2024
Lesezeit etwa 10 Minuten

Der Zauber von Bandol:
Zwischen Lavendelfeldern und
„Garrigue“ Düften

Bandol: Mehr als nur ein Name auf der Flasche

Bandol ist anders als der Rest der dem Mainstream bekannten Provence. Es ist wilder, ursprünglicher, rauer – und genau diese Eigenschaften machen die Weine so besonders. Die Weinberge liegen auf einem natürlichen Amphitheater aus Hügeln, das sich majestätisch bis zum Mittelmeer erstreckt. Die Restanques, jene alten Steinmauern, die die steilen Hänge stützen, zeugen von der jahrhundertealten Arbeit der Winzer, die diese Landschaft formten. Hier ist nichts glatt oder einfach; die Reben müssen sich förmlich in den steinigen, trockenen Boden krallen, um zu überleben. Doch genau das ist der Schlüssel zu ihrer herausragenden Qualität.

Diese besonderen Bedingungen machen Bandol zu einer einzigartigen Weinbauregion. Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, an denen die Reben so sehr mit den Elementen kämpfen müssen – und es ist dieser Kampf, der den Weinen ihre unverwechselbare Charakteristik verleiht. Die Böden hier sind eine Mischung aus Kalkstein und Ton, ein ideales Umfeld für die Rebsorte, die Bandol zur Berühmtheit verholfen hat: Mourvèdre.

Mourvèdre: Der König von Bandol

Mourvèdre ist das Herz und die Seele von Bandol. Diese spät reifende rote Traube braucht viel Sonne – und die bekommt sie in Bandol im Überfluss. Mit über 3.000 Sonnenstunden pro Jahr bietet die Region ideale Bedingungen, damit der Mourvèdre seine volle Reife erreicht. Bei meinem Besuch auf Château de Pibarnon lernte ich, das Mourvèdre eine Diva unter den Trauben ist. Sie braucht viel Aufmerksamkeit, aber wenn sie glücklich ist, dann schenkt sie dem Winzer etwas Einzigartiges.

Mourvèdre erfordert viel Geduld und Hingabe. In den meisten anderen Weinregionen Frankreichs reift sie nicht vollständig aus, aber in Bandol zeigt sie sich von ihrer besten Seite. Sie bringt kräftige, tief strukturierte Weine hervor, die gleichzeitig Eleganz und Komplexität besitzen. In jungen Jahren dominiert eine kräftige Frucht von Brombeeren und Kirschen, begleitet von einer würzigen Note, die an mediterrane Kräuter erinnert. Eben dieser in Südfrankreich so allbekannte „Garrigue“ Duft. Doch mit der Zeit entfaltet der Mourvèdre sein wahres Potenzial: Leder, Tabak, Trüffel und ein Hauch von Lakritz. Das macht die Weine von Bandol zu wahren Langstreckenläufern – sie altern nicht nur gut, sie werden mit jedem Jahr besser. Davon konnte ich mich bereits selbst überzeugen: Die 2008er Château de Pibarnon Magnumflasche, die ich letztes Jahr im Restaurant Tantris in München mit Freunden genoss, werde ich so schnell nicht vergessen.

Die Vielfalt der Weine aus Bandol

Obwohl Mourvèdre die Hauptrolle spielt, sind die Weine aus Bandol erstaunlich vielfältig. Neben den kräftigen Rotweinen, die mindestens 18 Monate in Eichenfässern reifen müssen, gibt es auch bemerkenswerte Rosé- und Weißweine, die das Terroir der Region auf ganz andere Weise einfangen.

Die Roséweine von Bandol haben wenig mit den blassen, leicht zu trinkenden Varianten zu tun, die man vielleicht von anderen Regionen der Provence kennt. Sie überzeugen mit Struktur, Tiefe und einer erstaunlichen Langlebigkeit. Der Rosé von Domaine Tempier zum Beispiel besteht zu 50% aus Mourvèdre sowie zu jeweils 25% aus Grenache und Cinsault. Er beginnt frisch und fruchtig, entwickelt aber mit der Zeit eine mineralische Komplexität, die ihn zu einem perfekten Begleiter für gehobene mediterrane Küche macht – von gegrilltem Fisch bis hin zu raffinierten Tapas und sogar leichten Fleischgerichten.

Auch der Weißwein der Region, obwohl seltener, ist eine echte Überraschung. Beim Château de Pibarnon etwa gedeihen die weißen Rebsorten wie Clairette und Bourboulenc auf den kühleren, nordseitigen Terrassen des Weinguts. Diese langsame Reifezeit verleiht dem Weißwein eine Frische und Lebendigkeit, die in Kombination mit seiner feinen floralen Note und der eleganten Mineralität zu einem unvergesslichen Geschmackserlebnis wird. Ich war durchaus überrascht, dass derart frische und elegante Weißweine in so heißen Regionen wie Bandol vinfiziert werden können.

Provence pur: Bandol in all seinen Facetten

Die Weine aus Bandol sind kein Massenprodukt, sondern kleine Kunstwerke, die Zeit, Geduld und Hingabe erfordern. Jeder Schluck erzählt die Geschichte der Region – von den Römern, die die ersten Reben pflanzten, bis hin zu Lucien Peyraud, der Mourvèdre in den Mittelpunkt rückte und Bandol zu dem machte, was es heute ist.

Bandol Wein ist gemacht für Genießer, für diejenigen, die Zeit haben, sich auf den Wein einzulassen und ihn wirklich zu entdecken. Es ist kein Wein, der sich aufdrängt; er lädt vielmehr ein, sich mit ihm zu beschäftigen. Vielleicht ist es genau das, was mich so sehr an dieser Region fasziniert hat: die Verbindung von Natur, Geschichte und Handwerk, die in jeder Flasche spürbar ist.

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Domaine Tempier

Mein Besuch auf der Domaine Tempier war wie eine Zeitreise. Schon die Anfahrt durch die schmalen Straßen von Bandol ließ mich ahnen, dass hier ein besonderer Ort auf mich wartet. Angekommen, fällt der Blick sofort auf die alten Mauern und den charmanten Keller, der einst von Léonie Tempier in den 1880ern errichtet wurde. Diese Frau hat das Weingut aus einer Krise gerettet, als die Reblausplage Europa heimsuchte, und das Vermächtnis, das sie hinterlassen hat, ist noch immer in jeder Ecke dieses Gutes spürbar.

Im Gespräch mit der Frau des Winzers Daniel Ravier wurde klar, dass hier Tradition und Innovation Hand in Hand gehen. Sie sprach mit Leidenschaft über die Bedeutung des Terroirs und der Mourvèdre-Traube. „Unser Ziel ist es, die Seele des Bodens in den Wein zu bringen“, sagte sie. Der Stolz des Weinguts sind die Weinberge von La Tourtine und La Migoua. Diese beiden Lagen bringen Weine hervor, die so unterschiedlich sind, dass man kaum glauben kann, dass sie aus der gleichen Region stammen. La Tourtine, mit seinen kräftigen, strukturierten Weinen, und La Migoua, das weichere, elegantere Weine bietet – beide spiegeln die Vielfalt des Bandol-Terroirs perfekt wider.

Der Höhepunkt meines viel zu kurzen Besuchs war natürlich die Verkostung. Der Domaine Tempier ist berühmt für seine kraftvollen Rotweine, die Mourvèdre in all seiner Pracht zeigen. Der 2017er La Tourtine, den ich probierte, war ein wahres Monument von einem Wein: Dunkle Früchte, eine straffe Tanninstruktur und eine schier unendliche Länge. Dieser Wein wird in den nächsten Jahren noch besser werden, und ich kann es kaum erwarten, die mitgenommene Flasche bei gegebenen Anlass zu öffnen. Auch der aktuelle rote Einstieg, der 2023er Lulu & Lucien, überzeugte mich mit seiner jugendlichen Frische, saftigen roten Furcht und Zugänglichkeit.

Château de Pibarnon

Das Château de Pibarnon ist ein Weingut, das sich wie ein verborgenes Paradies anfühlt. Die Fahrt hinauf in die Hügel war ein Erlebnis für sich. Die Landschaft, die sich vor mir ausbreitete, war wie aus einem Film. Die Weinberge von Pibarnon sind wie ein antikes Amphitheater angelegt. Ich bekam schnell das Gefühl, dass hier nicht nur Wein, sondern auch Geschichte und Kultur auf höchstem Niveau gepflegt werden.

Ich hatte meinen spontanen Besuch nicht angemeldet, wurde aber dennoch sehr nett empfanden und durfte mich einer Verkostung einer französischen Familie anschließen. Mourvèdre ist hier oben ganz klar der Star. Er liebt diese Höhe, diese Sonne, und diese steinigen Böden. Und das merkt man, wenn man den Wein im Glas hat.

Der rote Château de Pibarnon ist ein wahres Meisterwerk. 90% Mourvèdre, der Rest Grenache – ein Wein, der Kraft und Finesse perfekt vereint. Ich konnte den 2019er und 2021er Jahrgang verkosten, und die Aromen von dunklen Früchten, Veilchen und Lakritz waren überwältigend. 2019 war dabei der deutlich strukturierte, tiefere, komplexere Wein. Dagegen überzeugte mich der 2021er vor allem durch seine Frische, Finesse und seinen unwiderstehlichen Charme. Doch das Spannende an diesem Wein ist seine Entwicklung: Mit den Jahren wird er immer komplexer, voller und verführerischer.

Auch die beiden Rosé von Château de Pibarnon hat mich überrascht. Der 2020er Nuances war dabei etwas wilder, mit mehr funk und Würze, dennoch mit wunderschönes fruchtig-saftigen Trinkfluss. Dagegen hat mich der „klassische“ Rosé des Hauses aus 2022 vor allem durch seine herrliche Balance, aus Würze, Phenolik, satter Frucht und einem Hauch Garrigue überzeugt. Oft unterschätzt man Roséweine, doch dieser war anders. Er hatte eine Tiefe und Struktur, die ihn fast zu einem Rotwein in Verkleidung machte.

Ein unvergesslicher Sommer in Südfrankreich

Was bleibt nun? Meine Reise durch Bandol war mehr als nur eine Weinreise. Es war die Entdeckung eines Ortes, der sich seinen ursprünglichen Charakter bewahrt hat. Die Weine von Bandol sind Ausdruck einer Kultur, einer Landschaft und einer tiefen Verbundenheit der Menschen mit der Natur.

Bandol, mit seinen kraftvollen, charakterstarken Weinen, hat mein Herz erobert. Und ich kann es kaum erwarten, zurückzukehren. Ich möchte noch mehr über dieses faszinierende Fleckchen Land und die Menschen, die es bewirtschaften, erfahren.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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