Weinrunden – das sind diese besonderen Abende, an denen die Welt einen Moment stillzustehen scheint. Hier zählt nur das, was im Glas funkelt und was im Raum an Worten, Blicken und Aromen schwebt. Doch was macht diese Abende wirklich unvergesslich? Wann wird aus einer Weinrunde ein echtes Erlebnis – und wann eine Enttäuschung? Eine gute Weinrunde ist nämlich weit mehr als eine zufällige Ansammlung von Flaschen und Menschen – es ist ein kleines Kunstwerk.
Max Kaindl, 30. Oktober 2024
Lesezeit etwa 4 Minuten
Das Geheimnis einer perfekten Weinrunde
Die richtige Mischung: Charaktere und Kontraste
Was eine gute Runde braucht? Menschen mit Mut zur Meinung. Da sind die Klassikerliebhaber, die Bordeaux und Burgunder über alles stellen. Und dann gibt es die Experimentierfreudigen, die gerne mal mit einem Naturwein in die Runde platzen – ganz bewusst, um Diskussionen zu entfachen. Das ist der Kern: unterschiedliche Charaktere und Meinungen, die aufeinandertreffen. Ich selbst? Meistens irgendwo dazwischen, immer neugierig auf das Unbekannte, und doch auch ein bisschen klassisch unterwegs.
Einer meiner liebsten Abende war letztes Frühjahr. Ein Freund brachte einen wilden Orange Wine mit, und noch bevor die Flasche richtig offen war, ging es schon los: „Essig!“, rief einer, „überraschend spannend“ der andere. Ich war fasziniert, genau das ist es nämlich, was eine Runde für mich besonders macht: echte Meinungen, die aufeinanderprallen, keine Floskeln oder leeren Phrasen. Es gibt hier nicht „die eine Wahrheit“, sondern nur das, was jeder für sich im Glas entdeckt. Das ist das Schöne.
Die perfekte Bühne: Ambiente und Details
Für mich ist die Atmosphäre das Herzstück. Kein perfektes Porzellan, kein steifer Tisch – ein großer Holztisch, Kerzenlicht und viel Platz für Gläser. Zwölf Gläser pro Nase? Kein Problem. Ich liebe es, wenn der Raum von einem Hauch Unordnung lebt, wenn alle Flaschen auf dem Tisch stehen und jeder Wein eine neue Geschichte erzählt. Die Snacks? Einfach, ehrlich – Brot, Käse, ein paar Nüsse. Die Runde soll dem Wein Raum geben, sich zu entfalten, und das gelingt am besten, wenn der Rahmen locker bleibt. Das Geheimnis ist, dass jeder etwas mitbringt: einen besonderen Wein, eine Geschichte oder einfach eine witzige Anekdote, die den Abend noch lebendiger macht.
Der Moment der Stille
Es gibt diesen Augenblick, den ich an jeder Runde besonders liebe. Alle nehmen denselben Schluck, und für ein paar Sekunden herrscht absolute Stille. Da ist nur der Wein, und jeder ist ganz bei sich, tief in seinem Glas versunken. Dann – fast wie auf ein unsichtbares Signal – fangen wir an zu sprechen. Struktur, Balance, Säure. Es geht gar nicht um Bewertungen, sondern um echtes Staunen, um das Teilen des Moments. Hier sind wir alle auf derselben Reise, auch wenn jeder eine eigene Richtung einschlägt.
Wann enttäuscht eine Weinrunde?
Es gibt Abende, an denen der Funke einfach nicht überspringt. Es passiert meistens dann, wenn alles zu perfekt wirkt, wenn die Weine nur zum Angeben da sind und die Gespräche hohl bleiben. Wenn die Leute nur gekommen sind, um sich selbst zu bestätigen, statt sich wirklich auf den Wein und die anderen einzulassen, wird eine Runde für mich schnell belanglos. Da verliert der Abend seinen Zauber, und Wein wird zum Statussymbol. Das ist die größte Enttäuschung für mich, wenn Wein nur Mittel zum Zweck ist – ein Accessoire ohne Seele.
Warum ich Weinrunden so liebe
Am Ende geht es mir immer um das gemeinsame Erleben. Eine gute Weinrunde ist wie ein kleines Fest des Geschmacks – frei von Erwartung, von Bewertungen, von Ego. Es ist kein Wettkampf um den besten Wein, sondern ein Eintauchen in die Vielfalt, die uns alle verbindet. Für mich ist das die Essenz einer echten Weinrunde: Offenheit, Ehrlichkeit und ein echtes Gefühl von Gemeinschaft.