Gerhard Retter hat eingeladen – und wenn der Retter ruft, dann kommt man. In diesem Fall zur Masterclass von Erwin Sabathi. Anlass: 375 Jahre Weingutsgeschichte. Ein beachtliches Jubiläum, das sich wie ein tief verwurzelter Rebstock durch die steirische Weinwelt zieht. Und das Line-up? So opulent wie die Historie. Doch der Reihe nach.
Max Kaindl, 19. Mai 2025
Lesezeit etwa 5 Minuten
375 Jahre Sabathi – und ein Nachmittag zwischen Anspruch und Wirklichkeit

375 Jahre Wein, Stolz und Selbstbild
In Rom regierte Chaos, in Wien die Habsburger – und in Gamlitz fing ein gewisser Jerg Sabathi an, Reben zu pflanzen. Die Familie stieg vom einfachen Bauern zur steirischen Winzerdynastie auf. Über Jahrhunderte hinweg, mit Stationen am Pilchenhof, dann am Knappenhof, schließlich in Leutschach, wo heute Erwin Sabathi seinen Stammsitz hat. Oder besser: Erwin Sabathi Junior. 56 Hektar bewirtschaftet das Gut heute, seit 2009 biologisch, spontan vergoren, mit klarem Premiumanspruch.
Und genau dieser Premiumanspruch war an diesem Nachmittag deutlich zu spüren – nicht nur im Glas. Aber mehr dazu später.
Bühne frei: Retter & Sabathi
Die Masterclass selbst war professionell kuratiert: Gerhard Retter souverän wie immer, mit dem ihm so eignen sympathischen Steirer-Witz. Doch leider stand er zu selten im Rampenlicht. Denn Sabathi Junior hatte viel zu sagen. Sehr viel. Über sich, über seine Weine, über Burgund. Und da lag aus meiner Sicht ein kleines Problem.
Denn so gut die Weine auch waren – und ja, viele waren sehr gut – der ständige Vergleich mit Montrachet, Grand Crus und der Weltelite der weißen und roten Burgunder hat ihnen nicht geholfen. Im Gegenteil. Statt ihnen Raum zu geben, wurde ihnen Luft genommen. Weniger ist eben manchmal mehr – und vor allem glaubwürdiger.
Die Weine: Licht und Schatten
Los ging’s mit zwei Jubiläumsweinen aus 2023: einem Sauvignon Blanc und einem Chardonnay. Beide sauber, klar, präzise vinifiziert. Gute Weine. Vielleicht nicht die ganz große Emotion, aber ein solider Auftakt.
Dann kam mein heimliche Star des Tages: ein gereifter 2017er Gelber Muskateller aus der Ried Krepskogel. Trocken, zupackend, fast karg – aber mit so viel Leben und Charakter, dass ich zweimal hinschauen musste. Frisch, jugendlich, vibrierend. Genau so kann Reifepotenzial in der Steiermark aussehen. Der Muskateller hat alle überrascht – inklusive mir.


Sauvignon Blanc Vertikale (2017–2022)
Ried Pössnitzberg – die Spitzenlage des Hauses. Dazu die kleinste Parzelle Kapelle (2020 und 2021). Die Weine: kraftvoll, konzentriert, blockbusterartig. Keine feine Klinge, aber mit Spannung und Tiefe. Der 2017er? Für mich über den Zenit. Etwas breit, mit reifer Frucht und fehlender Präzision. Der 2018er dagegen top: klar, fokussiert, mit tollem Grip. Die Jahrgänge 2019 und 2021 überzeugten mit enormer Dichte und Frische. Stilistisch geschlossen, mit klarer Handschrift. Man spürt: Hier weiß jemand, was er tut.

Chardonnay Vertikale (2017–2022)
Auch hier: Ried Pössnitzbergund Kapelle. Doch im Vergleich zum Sauvignon konnten die Chardonnays nicht ganz mithalten. Klar, sauber, strukturiert – aber oft zu sehr gewollt. Zu viel uneingebundenes Holz, zu viel Burgund-Vergleich. Der Anspruch: Grand Cru. Die Realität: ambitionierter Lagenwein. Und das ist keineswegs schlecht. Nur eben nicht Montrachet. Wenn man die eigenen Weine ständig mit den ganz Großen vergleicht, macht man es ihnen schwer, für sich selbst zu stehen. Schade – denn das hätten sie eigentlich gekonnt.


Pinot Noir 2021 & 2022
Dann kam der Tiefpunkt – und ich sage das bewusst provokant. Zwei Pinots, die nicht schlecht waren, aber eben auch weit entfernt von dem, was angekündigt wurde. Ruppige Tannine, gute Struktur, aber ohne echte Eleganz. Burgund-Niveau? Eher Ortswein mit Potenzial. Und das ist völlig okay! Aber man sollte es auch so benennen. Anspruch und Realität klafften hier deutlich auseinander. Und mit jedem weiteren Burgund-Vergleich wurde diese Kluft größer.
Mein Fazit?
Ein spannendes Tasting mit Höhen und Tiefen. Mit starken Weinen, schwachen Momenten – und einem Winzer, der sich selbst öfter im Weg stand. Ich mag starke Persönlichkeiten – und Erwin ist sicherlich eine solche. Aber ich mag es noch mehr, wenn Weine für sich sprechen dürfen. Sicherlich hat manche im Publikum Erwin Sabathis selbstbewusst offene und ehrliche Art imponiert. Für mich persönlich war sie etwas überzogen. Das soll den Menschen aber nicht schlecht dastehen lassen – denn an diesem Tag habe ich nur den Winzer, nicht den Menschen dahinter kennengelernt.
Was bleibt, ist Respekt: Für 375 Jahre Weingeschichte. Für biologischen Weinbau auf höchstem Niveau. Für die Klarheit in der Jahrgangsinterpretation – denn die war beeindruckend. Und für die Tatsache, dass das Weingut Sabathi ein echtes Schwergewicht der Südsteiermark ist.
Was ebenfalls bleibt, ist ein dringender Wunsch: Weniger Vergleiche. Weniger Selbstinszenierung. Mehr Wein. Weniger Mensch.






