Manche Begegnungen brennen sich ein. Nicht wegen der großen Gesten. Sondern wegen der Klarheit, mit der sie das Wesentliche in den Mittelpunkt rücken. So war es, als ich kurz vor der Printemps des Champagnes gemeinsam mit Jan Raumland in Ludes Halt machte – bei François Huré.
Max Kaindl, 20. April 2025
Lesezeit etwa 4 Minuten
Huré Frères – Haltung, Herkunft, Handschrift
Ludes – ein stilles Monument der Montagne de Reims
Ludes liegt im Norden der Montagne de Reims, auf den ersten Blick ein ruhiger, unscheinbarer Ort. Nordexponierte Hänge, kalkdurchzogene Böden, teils mit sandigen Einschlüssen – ein Terroir, das nicht gefällig schmeichelt, sondern fordert. Präzision statt Opulenz. Substanz statt Oberfläche. Und genau das spiegelt sich in allem, was bei Huré Frères entsteht.
François Huré empfängt uns ohne große Show. Gemeinsam mit seinem Bruder Pierre führt er das elterliche Haus, das über Jahrzehnte hinweg zu einer festen Größe unter den eigenständigen Grower-Champagnern geworden ist. 11 Hektar in Eigenbesitz, ein paar weitere Hektar werden jedes Jahr zugekauft. Alles mit kompromissloser Sorgfalt bewirtschaftet – ohne Herbizide, ohne modische Spielereien. Was zählt, ist die Idee von Herkunft.




Champagner, der nicht gefallen will, sondern überzeugt
Die Weine von Huré Frères sind nichts für Beiläufigkeit. Sie fordern Aufmerksamkeit. Jeder Rebberg, jede Rebsorte, jede Parzelle wird separat vinifiziert. Kein Detail bleibt dem Zufall überlassen. Die Grundweine durchlaufen keine malolaktische Gärung, um die natürliche Säure und Frische der Lagen zu bewahren. Die Reben wachsen unter einem gezielt geführten Laubdach, das Schatten spendet, Spannung bewahrt und Überreife verhindert – auch in wärmeren Jahren.
Besonders beeindruckend ist die seit 1982 gepflegte perpetuelle Reserve – eine Art vinophile Erinnerungskultur, Jahr für Jahr ergänzt, zu etwa 10 Prozent pro Ernte. In der Flasche resultiert das im Mémoire, einem tiefen, strukturierten, komplexen, fast meditativen Wein.
Die Weine – präzise, kompromisslos, vibrierend
Invitation Extra Brut, 2021
Der Name ist Programm. Die Einladung in die Welt von Huré Frères kommt feinwürzig, mit Noten von süßem Apfel, Brotkruste und Orangenschale. 4 Gramm Dosage – perfekt eingebunden. In sich ruhend, harmonisch und trotzdem voller Energie.
Ein Einstieg mit Anspruch.


Insouciance Rosé, 2022
Zart, saftig, verspielt – aber mit Haltung. Erdbeere, Himbeere, etwas Zitrus. Harmonisch in der Länge, fein im Mousseux.
Zeigt, dass Rosé auch Substanz haben kann, ohne seine Leichtigkeit zu verlieren.
Instantanée Blanc de Noirs, 2018
Ein Jahrgang mit Profil: warme Würze, Orange, leicht jodige Noten. Dicht am Gaumen, vollmundig, mit feiner Perlage und einem offenen, einladenden Charakter.
Gastronomisch, vielschichtig, lebendig.


Inattendue Blanc de Blancs, 2019
Chardonnay pur, teils im Holz ausgebaut, aber niemals vordergründig. Grüner Apfel, kreidige Frische, tänzelnde Präzision. Dicht und gleichzeitig schwerelos.
Ein Blanc de Blancs, der mit jedem Schluck mehr erzählt – ohne je laut zu werden.
Mémoire, 1982-2020
30 Jahrgänge, gebündelt in einer einzigen Cuvée. Ausgebaut im großen Holz, mit unter 2 g Dosage. Tief, würzig, salzig. Brotkruste, Mirabelle, feine Zitrusfrische. Vibrierend, tänzelnd, von fast epischer Länge.
Ein Champagner für den Tisch, nicht für den Empfang.


4 Éléments Pinot Noir, 2018
Ein Pinot Noir wie kein anderer. 18 Monate im Holz, keine Malo, auf Kork vergoren. Warme Frucht, Orangenzeste, aber am Gaumen messerscharfe Frische. Straff, weinig, fokussiert.
Opulent im Ausdruck, streng in der Linie – ein Champagner mit Botschaft.
4 Éléments Chardonnay, 2019
Kalk, Reduktion, Zitrus – und eine Säure, die fordert. Kein Mousseux zum Kuscheln, sondern laserartige Spannung. Reduktive Aromatik, fast burgundisch. Ein Chardonnay, der sich nicht anbiedert, sondern Stellung bezieht. Anspruchsvoll, lang, brillant.
Für Fortgeschrittene – oder für alle, die es werden wollen.

Ein Haus mit innerer Lautstärke
Huré Frères ist kein Champagnerhaus für Etikettentrinker. Aber genau darin liegt seine Stärke. Die Brüder Huré zeigen, was es heißt, Herkunft nicht nur zu respektieren, sondern zum Mittelpunkt des Schaffens zu machen. Hier wird nicht poliert, sondern präzisiert. Nicht nachgemacht, sondern vorgelebt.
Ludes ist ab jetzt für mich mehr als ein Ort. Es ist ein Gefühl. Und Huré Frères? Eine Adresse, die jeder kennen sollte, der Champagner nicht nur trinken, sondern verstehen will.
Danke Jan, dass du mich mitgenommen hast. Und danke François, für die Zeit, die Klarheit und die Champagner. Huré Frères ist kein Haus für Anfänger – aber eins, das man nie wieder vergisst, wenn man einmal dort war.





