Es passiert nicht oft, dass drei Weine in einem Monat so dermaßen ins Schwarze treffen, dass sie mich noch Tage später beschäftigen. Diese drei Kandidaten – so unterschiedlich sie auch sind – haben genau das im März geschafft: überrascht, inspiriert, begeistert. Hier kommt eine Reise von der biodynamischen Ruhe Portugals über ein radikal frisches Alvarinho-Debut bis zu einem Mosel-Süßwein, der mich zu Tränen rührte.

Max Kaindl, 07. April 2025
Lesezeit etwa 4 Minuten

Collector’s Gem –
Meine neuesten Entdeckungen

Loureiro 2023 – Quinta da Palmirinha

Was für eine Energie! Ein Loureiro, der so gar nichts mit dem gängigen Vinho-Verde-Klischee zu tun hat. Keine leichte, grüne Spritzigkeit, sondern Dichte, Tiefe und ein fast meditativer Fokus. In der Nase steht sofort eine reife Honignote im Raum, dicht verwoben mit getrockneten Blüten, frischer Zitronenmelisse und einem Hauch Ricola-Kräuterbonbon. Am Gaumen dann ein Spiel aus Frische und Konzentration – kühl, fast kristallin in der Textur, aber mit enormem aromatischem Nachdruck: Holunderblüten, Zitruszesten, ein bisschen Heu, ein bisschen Muskat, ganz viel Spannung. Die Säure ist präsent, aber perfekt eingebunden, sie trägt den Wein und verlängert den Nachhall, der einen minutenlang beschäftigt. Der vielleicht ehrlichste Loureiro, den ich je im Glas hatte – und das für 7,50€ ab Hof. Völlig irre.

Hintergrund: Fernando Paiva ist kein Winzer wie jeder andere. Der ehemalige Geschichtslehrer betreibt in Sousa, mitten im Vinho Verde-Gebiet, ein Weingut, das fast mehr Garten Eden als landwirtschaftlicher Betrieb ist. Biodynamie aus Überzeugung – nicht als Verkaufsargument. Keine Filtration, kein Schwefel, sondern ein patentiertes Verfahren mit Esskastanienblüten. Was klingt wie Hexenküche, ergibt unfassbar reine, stabile, ehrliche Weine. Gemeinsam mit seinem Enkel João bewirtschaftet er das kleine Weingut mit einer Ruhe und Sorgfalt, die man in jedem Tropfen schmeckt. Die Weine von Quinta da Palmirinha zeigen, was passiert, wenn Natur, Erfahrung und Intuition zusammenkommen: Leise, aber intensive Weißweine, die sich ins Herz brennen.

GuRi 2024 – VineVinu

Alvarinho mit Augenzwinkern. Der GuRi wirkt beim ersten Schnuppern wie ein scheuer Typ mit Charme – floral, leichtfüßig, zartgrün. Petersilie, frische Wiesenkräuter, weiße Blüten, alles ganz dezent und verspielt. Und dann: Schluck. Der Gaumen explodiert nicht, er tänzelt. Eine animierende, fast neckische Säure küsst die Zunge, dazu kommt ein Hauch Zuckersüße, aber sowas von fein austariert, dass es mehr Schwung gibt als Süße. Zitrus, ein Hauch Melone, grüner Apfel, ein bisschen Fenchelgrün. Der Wein hat Leichtigkeit, aber auch Struktur. Nichts Wässriges, sondern pure Frische mit Haltung. Im Finish schwingt eine salzige Ader mit, die sofort Lust auf den nächsten Schluck macht. Kabi-Vibes, aber auf Portugiesisch – und genau das macht ihn so spannend.

Hintergrund: Ein Erstlingswerk mit Ansage. VineVinu ist das Projekt von Vater-Sohn-Duo Luís und Manuel Cerdeira – alte Soalheiro-Schule trifft auf neue Ideen. 2024 gegründet, 2025 schon Gesprächsthema. Und das zu Recht: Was Luis und Manuel da abliefern, ist mehr als nur ein Newcomer-Wein – es ist ein Versprechen. Manuel, jung, neugierig, blitzgescheit, hat in England Weinbau studiert und kommt jetzt mit einer Leichtigkeit um die Ecke, die der Region guttut. Wenn das so weitergeht, wird VineVinu ein Fixpunkt in der portugiesischen Weinwelt.

Zeltinger Himmelreich Riesling Beerenauslese 2006 – Markus Molitor

Süße als Kunstform. Man kennt süße Rieslinge, man liebt sie – und dann kommt Molitor um die Ecke und hebt das Ganze auf eine neue Ebene. Was dieser 2006er aus dem Zeltinger Himmelreich bietet, ist nicht einfach nur opulent. Es ist pure Eleganz, gepaart mit Tiefe und messerscharfer Präzision. In der Nase fliegen Mangoschale, Orangenöl, zerstoßener Schiefer, weißer Pfeffer und Blütenstaub wild durcheinander, aber nie überbordend. Am Gaumen dann diese Textur: seidig, kristallin, vibrierend. Wellen von Honig und reifer Exotik, balanciert von einer elektrisierenden Säure und einer steinigen, dunklen Mineralität. Alles tänzelt, nichts ist schwer. Das Finish? Unendlich. Ein Wein, der einen Demut lehrt und mir beim Verkosten Ende März vor Ort mit Sebastian Molitor Tränen in die Augen trieb.

Hintergrund: Markus Molitor ist eine Erscheinung an der Mosel. 1984 übernahm er mit gerade mal 20 Jahren das Weingut seines Vaters – und hatte Großes vor. Heute bewirtschaftet er über 120 Hektar, ausschließlich in Steillagen, und zeigt mit einer unglaublichen Konsequenz, was Riesling kann: trocken, feinherb oder edelsüß – immer präzise, immer charaktervoll. Molitor steht für penibelste Handarbeit im Weinberg, späte Lese, extreme Selektion und lange Reifezeiten. Im Keller wird spontan vergoren, kühl und langsam, oft über Monate, der Ausbau erfolgt in Edelstahl und großem Holz. Seine eigene Kapsel-Farblogik ersetzt das Prädikatssystem – Weiß für trocken, Grün für feinherb, Gold für fruchtsüß. Wer Molitor einmal ernsthaft verkostet hat, versteht, dass hier kein Kompromiss zählt – sondern nur Qualität. Mit jedem einzelnen Wein, Jahr für Jahr. Markus Molitor ist ein Wahnsinniger – im besten Sinne. Seit Jahrzehnten treibt er kompromisslose Selektion, Spontangärung, Präzision und Handarbeit auf die Spitze. Für mich ist dieses Weingut über jeden Zweifel erhaben. Wer weit über 100 einzelne Parzellen Jahr für Jahr in einer derart konsistenten Qualität auf die Flasche bringt, besitzt zurecht Legendenstatus.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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