Es ist eine mutige Idee, die da aus Baden-Württemberg kommt: Mit Tamino will eine Gruppe ambitionierter Winzer das Image und die Relevanz pilzwiderstandsfähiger Rebsorten (Piwi) auf ein neues Level heben. Das Ziel? Ein Rotwein im mediterranen Stil, der Nachhaltigkeit, Qualität und Trinkfreude vereint – und dabei nicht nur ein Nischendasein fristet, sondern den Massenmarkt aufmischt. Die Theorie klingt bestechend, doch hält Tamino in der Praxis, was es verspricht? Ich habe die Weine in einer ausführlichen Verkostung gegen einige der aktuell besten Piwi-Weine aus Deutschland, Österreich und Südtirol probiert.

Max Kaindl, 19. Februar 2025
Lesezeit etwa 9 Minuten

Tamino & die Revolution des Piwi-Weins – Wo stehen wir wirklich?

Tamino – ein Projekt mit Anspruch und Ambition

Hinter Tamino stehen mehrere Weingüter, die sich für nachhaltigen Weinbau einsetzen. Das Fundament des Projekts: robuste Piwi-Rebsorten, die deutlich weniger Pflanzenschutz benötigen als klassische Sorten. Das reduziert nicht nur den ökologischen Fußabdruck, sondern bringt auch eine völlig neue Herangehensweise an den Weinbau mit sich.

Doch Tamino ist mehr als nur ein weiteres Piwi-Projekt. Der zentrale Unterschied: Hier stehen nicht die oft schwer verständlichen und unbekannten Rebsorten im Mittelpunkt, sondern ein einprägsamer Name und eine klare Markenbotschaft. Genau das könnte der Schlüssel für den zukünftigen Erfolg von Piwi-Weinen sein. Denn seien wir ehrlich: Kein Konsument kauft einen Wein nur, weil er nachhaltig ist. Am Ende muss die Qualität überzeugen – das ist das einzige Argument, das langfristig Bestand hat.

Die Herausforderung? Die Winzer haben viel Freiraum in der Komposition ihrer Tamino-Weine. Die einzige Vorgabe ist, dass mindestens 85 % der verwendeten Rebsorten aus der Piwi-Familie stammen. Klingt erstmal nach Vielfalt, sorgt aber auch für ein stilistisches Problem – doch dazu später mehr.

Piwi-Weine – Relevanter denn je

Lange Zeit als „Ökoweiße“ belächelt, haben Piwi-Rebsorten inzwischen bewiesen, dass sie ernsthafte Alternativen zu klassischen Sorten wie Spätburgunder, Merlot oder Riesling sind. Sorten wie Cabernet Cortis, Monarch oder Prior bringen mittlerweile eine Tiefe und Struktur ins Glas, die vor Jahren noch undenkbar war. Dazu kommt: In Zeiten des Klimawandels sind Piwis nicht nur eine umweltfreundliche Option, sondern oft auch schlichtweg die pragmatischere Wahl. Weniger Pflanzenschutz, weniger Wasserverbrauch, eine höhere Resilienz gegen extreme Wetterereignisse – warum sollte man sie nicht weiter vorantreiben?

Aber damit Piwi-Weine sich wirklich durchsetzen, müssen sie zugänglicher werden. Und das geht nur, wenn man auf Cuvée-Namen oder fiktive Bezeichnungen setzt – eben genau wie Tamino. Kein Mensch entscheidet sich spontan für einen „Cabernet Cortis“ oder „Monarch“, wenn er diese Rebsorten noch nie gehört hat. Doch eine starke Marke mit Wiedererkennungswert? Die kann Kunden begeistern – solange der Wein hält, was das Label verspricht.

Die Tamino-Weine in der Verkostung

Nun zum spannenden Teil: Wie schlagen sich die Tamino-Weine im direkten Vergleich? Zunächst einmal die gute Nachricht: Für ihren Preispunkt von 10-15 Euro sind die Weine durch die Bank gut gemacht. Einige Winzer wie Dreher, Schmidt oder Kuckuckshof haben es sogar geschafft, wirklich beeindruckende Weine auf die Flasche zu bringen – mit Dichte, Balance und einer Vielschichtigkeit, die zeigt, dass Piwi mehr kann als nur „anständig“. Hier merkt man: Wer sich auf die neuen Rebsorten fokussiert, kann erstaunliche Qualitäten erreichen.

Aber: Das Projekt Tamino befindet sich noch in einer Findungsphase. Der größte Schwachpunkt liegt für mich in der fehlenden Stilistik. Während man bei anderen erfolgreichen Weinprojekten oft eine klare Handschrift erkennt – sei es eine bestimmte Aromatik, Struktur oder ein wiedererkennbares Profil – steht bei Tamino aktuell noch jeder Wein für sich selbst. Das macht es für Konsumenten schwer, sich mit der Marke zu identifizieren. Wer eine Flasche Tamino kauft, weiß aktuell nicht genau, was ihn erwartet.

Meine Favoriten

Kaufmann Tamino, 2022

Frische dunkle Kirsche trifft auf eine feine laktische Note. Dicht gewoben, harmonisch balanciert und mit einer eleganten Länge – ein spannender, finessenreicher Wein.

Dreher Tamino, 2022

Erdige Würze verbindet sich mit feiner Frucht von Erdbeere und Himbeere. Tiefgründig, ausgewogen und mit schöner Länge – ein Wein mit Charakter und Charme.

Schmidt Tamino, 2018

Frisch, prickelnd und elegant. Struktur und Balance sorgen für einen tollen Trinkfluss, während die feine Länge Lust auf den nächsten Schluck macht.

Kuckuckshof Tamino, 2018

Reife Wärme, würzige Holznoten und ein Hauch von Krokus. Kraftvoll, gut integriert und mit schöner Länge – ein Wein mit Tiefe und Ausdruck.

Dilger Tamino, 2022

Saftig, elegant und tiefgründig. Feine Eisen-Mineralität, helle Frucht und perfekte Balance sorgen für ein langes Finish und charmanten Trinkfluss.

Was muss sich ändern?

Damit Tamino langfristig erfolgreich wird, müssen zwei zentrale Stellschrauben nachjustiert werden:

1

Einheitlicheres Auftreten

Das Branding wirkt bisher uneinheitlich. Eine klarere visuelle Identität – sei es durch ein konsistentes Flaschendesign oder ein einheitliches Etikettenkonzept – würde helfen, Tamino als Marke zu etablieren.

2

Stilistische Homogenität

Die Weine brauchen einen stärkeren gemeinsamen Nenner. Natürlich dürfen einzelne Handschriften der Winzer erkennbar bleiben, aber ein roter Faden sollte sich durch die Tamino-Weine ziehen. So entsteht Wiedererkennungswert und Vertrauen bei den Konsumenten.

Piwi – die Zukunft des Einstiegssegments?

Eines ist klar: Die besten Piwi-Weine können mittlerweile mit vielen „traditionellen“ Weinen mithalten. Aber wo sehe ich Weine wie Tamino mittelfristig? Ganz klar als Ergänzung oder sogar als Ersatz für klassische Basis-Cuvées im Einstiegssegment. Die Qualität ist inzwischen so gut, dass sich Piwi-Weine in diesem Bereich nicht mehr verstecken müssen – gerade, wenn man sich konsequent auf sie fokussiert.

Denn genau das hat die Verkostung gezeigt: Die überzeugendsten Weine kamen von den Weingütern, die sich zu 100 % auf Piwi-Rebsorten konzentrieren. Wenn man Piwi als „Nebenprodukt“ betreibt, bleibt man bestenfalls solide. Wer sich hingegen mit vollem Einsatz darauf einlässt, kann Weine erschaffen, die echte Alternativen zu klassischen Sorten darstellen. Und ist das aus meiner Sicht letztlich der Weg, der Piwi Weine zum Erfolg führen wird: nicht als ökologisch korrekte Randerscheinung, sondern als ernstzunehmende Kategorie mit eigenständigem Charakter und Profil.

Ein weiterer entscheidender Punkt für die Zukunft von Piwi-Weinen ist ihre Platzierung in den besten Weinlagen. Bisher kennen wir Piwi-Weine fast ausschließlich aus Randlagen, wo traditionell auch klassische Rebsorten nur mittelmäßige Ergebnisse liefern. Doch das volle Potenzial dieser neuen Sorten wird sich erst zeigen, wenn sie auch in den besten Terroirs gepflanzt werden. Nur wenn Winzer den Mut haben, Piwi mit demselben Anspruch anzubauen und auszubauen wie klassische Topweine, wird sich zeigen, welches qualitative Maximum diese Rebsorten tatsächlich erreichen können. Was es hierfür braucht? Zeit und Mut der Winzer.

Tamino ist auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel

Tamino ist eine großartige Idee, die zeigt, wohin sich der Weinbau entwickeln kann – nachhaltiger, widerstandsfähiger und zukunftsfähiger. Die ersten Jahrgänge beweisen, dass das Potenzial enorm ist. Vor allem die wärmeren Jahrgänge wie 2018 und 2019 haben mich nachhaltig überzeugt. Aber es bleibt Arbeit zu tun: Ohne eine klarere Stilistik und ein einheitlicheres Auftreten wird es schwer, aus Tamino mehr als eine interessante Randnotiz im Piwi-Kosmos zu machen.

Doch wenn die Weingüter die richtigen Weichen stellen, könnte Tamino in ein paar Jahren als Benchmark für moderne, nachhaltige Rotweine im mittleren und Einstiegssegment stehen. Und dann wäre es nicht nur ein weiteres Weinprojekt, sondern ein echtes Statement für die Zukunft des Weinbaus.

Ein weiterer Punkt, der das Projekt Tamino bereichern könnte, wäre eine gleichwertige Weißwein-Cuvée aus Piwi-Sorten. Aus meiner Sicht gibt es mittlerweile mehr überzeugende weiße als rote Piwi-Weine, und auch der Markt entwickelt sich in diese Richtung: Während Rotweine Marktanteile verlieren, nimmt die Nachfrage nach Weißweinen – insbesondere im Einstiegsbereich – stetig zu. Eine hochwertige Piwi-Weißweincuvée könnte das Portfolio von Tamino perfekt ergänzen und das Projekt weiter stärken.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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