Wenn man sich in der Welt des Rieslings bewegt, stolpert man unweigerlich über das Weingut Keller – oder besser gesagt, man wird von ihm magisch angezogen. Doch wer jetzt eine weitere Lobeshymne auf die Kellers erwartet, den muss ich enttäuschen. Ich bin nicht hier, um den Xten Beitrag zu schreiben, der Klaus Peter und Julia Keller als Halbgötter des Weinbaus feiert. Es geht mir um die Weine. Punkt. Und was für Weine! Bei Bella’s Weinbar Anfang November hatte ich die einmalige Gelegenheit, sechs Weine der 2016er Keller-Kiste zu verkosten. Eine Erfahrung, die selbst für einen alten Hasen wie mich alles andere als Routine war.
Max Kaindl, 08. Dezember 2024
Lesezeit etwa 4 Minuten
Keller Kiste 2016
Über das Weingut Keller – Mythos und Realität
Das Weingut Keller ist, und das sage ich ohne Übertreibung, eine Institution. Riesling aus Flörsheim-Dalsheim, der es mit den großen Burgundern aufnehmen kann? Absolut. Doch was macht Keller so besonders? Es ist die kompromisslose Qualität und der tief verwurzelte Respekt vor der Natur. „Den Boden ins Glas bringen“ – diese Worte von Klaus Peter Keller sind keine leeren Floskeln. Hier wird gearbeitet, geforscht, und manchmal einfach nur gewartet, bis die Natur bereit ist. Der Fokus liegt nicht auf Masse, sondern auf Exzellenz, und das merkt man jedem einzelnen Wein an.
Doch genug der Fakten. Kommen wir zum eigentlichen Star des Abends: der Keller-Kiste aus 2016.
Ein Jahrgang mit Charakter
2016 war ein Jahr der Extreme – ein Wechselbad der Gefühle für Winzer in Deutschland. Nach einem nassen Frühjahr und massivem Peronosporadruck schien der Jahrgang bereits verloren. Besonders Bio-Betriebe kämpften mit erschwerten Bedingungen, da ein bewährtes Mittel aus dem Arsenal gestrichen worden war. Doch dann kam der Wendepunkt: Ein trockener, sonniger Spätsommer und ein goldener Herbst mit kühlen Nächten sorgten für die Rettung.
Das Ergebnis? Klassisch strukturierte trockene Weine, solide fruchtsüße Prädikate und regionale Highlights. Zwar fehlten Spitzen bei den edelsüßen Weinen, doch wer Geduld bewies und späte Lagen bewirtschaftete, konnte großartige Qualitäten ernten. Ein Jahrgang, der Finesse und Charakter bietet – und zeigt, dass sich Beharrlichkeit und absolutes Qualitätsstreben auszahlt.
Tasting Notizen
Hubacker Riesling GG, 2016
Ein eleganter Krieger. Saftige Frucht, ein Hauch von Umami und eine mineralische Präsenz, die im Hintergrund immer mitläuft. Hier wird nichts übertrieben, stattdessen finden sich feine Kräutertöne und eine kalkige, erdige Mineralität.
Der Wein hat Biss, er ist noch nicht ganz offen, aber voller Potenzial – die Struktur ist da, die Spannung auch. Ein Wein, der weiß, wo er hin will: tief, elegant und nachhaltig.
P.S. Ich Idiot habe vergessen ein Foto vom Wein zu machen…
Kirchspiel Riesling GG, 2016
Lebendiger, fast fröhlicher im Vergleich zum Hubacker. Das Kirchspiel ist der extrovertierte Bruder in der Kiste, mit einer Mischung aus kalkiger Frische und lebendiger Zitrusfrucht. Perfekte Balance zwischen Zugänglichkeit und Anspruch.
Das Kirchspiel will gefallen – und schafft es mühelos.
Morstein Riesling GG, 2016
Der Morstein ist eine Wucht. Reduktiv in der Nase, fast schon störrisch. Am Gaumen dann diese Explosion aus Kraft und Struktur, gepaart mit einer salzigen Mineralität, die ich so nur selten erlebt habe.
Das ist kein Wein, den man „mal eben“ trinkt – das ist ein Erlebnis.
Brunnenhäuschen „Abts E“ Riesling GG, 2016
Die Abtserde hat mich überrascht. Ein Riesling, der wie ein Haiku funktioniert: reduziert, präzise und doch unendlich tief. Hier geht es nicht um Frucht, sondern um Stein. Zerkleinerte Felsen, pure Mineralik und ein Grip, der fast körperlich spürbar ist.
Für Puristen ein Traum.
Hipping H.M. Riesling, 2016
Der Hipping erinnert mich an einen stillen Beobachter, der erst im richtigen Moment spricht. Reduktiv, fast scheu, aber mit einer unglaublichen Tiefe und Präzision. Das der Wein nicht ganz trocken ist steht im ganz hervorragend. Mit Luft zeigt er Noten von Fenchel, Zitruszeste und ein wenig grünem Tee.
Für mich der Geheimtipp der Kiste und ein würdiger Wein für Her Majesty (H. M.), The Queen.
G-Max Riesling, 2016
Der G-Max ist so etwas wie der Messi unter den Rieslingen: legendär, immer unter Beobachtung und unfassbar gut. 2016 zeigt er sich immer noch etwas verschlossen, fast unnahbar, aber die Spannung ist spürbar. Ein Wein, der den Boden atmet: Kalk, Kreide, Salzigkeit – pur und unverfälscht. Dabei kein Gramm Restzucker, nur pure Energie.
Meine erste Notiz dazu? „Unerreichbar – und das meine ich wörtlich.“
Zur Einordnung
Was bleibt, ist eine Mischung aus Ehrfurcht und Freude. Die Keller-Kiste 2016 ist ein Statement und zeigt sich jetzt in einer schönen, frischen Trinkphase. Jeder einzelne Wein erzählt eine Geschichte, und gemeinsam bilden sie ein Mosaik, das man einfach erleben muss. Ja, Keller polarisiert, und ja, die Weine sind fast unmöglich zu bekommen. Aber seien wir ehrlich: Wenn sie so schmecken, ist das alles völlig egal