Fünf Jahre. Das klingt nach Jubiläum, nach Konfetti, nach “Wow, wie schnell die Zeit vergeht”. Und ja: Die Zeit ist gerannt. Aber ehrlich gesagt fühlt es sich für mich weniger nach Feiern an. Eher nach einem ruhigen Moment, in dem ich merke, wie viel mir The Art of Riesling und all die unzähligen erlebten Geschichten und Momente in den letzten Jahren bedeutet haben.

Max Kaindl, 23. Dezember 2025
Lesezeit etwa 7 Minuten

RECAP – 5 Jahre The Art of Riesling

Der Anfang: 2020, Krise, Corona

Als ich The Art of Riesling im Sommer 2020 auf Instagram gestartet habe, war das nicht der Start eines “Projekts”. Ich wollte einfach einen Ort schaffen, an dem ich meine Gedanken zu den Weinen, die ich probiere, festhalten und teilen kann. Ohne Anspruch, ohne Plan, einfach aus dem Bedürfnis heraus, das Erlebte in Worte zu fassen.

Corona hatte kurz zuvor mein Leben einmal komplett auf Links gedreht, wie bei so vielen. Und ich war in einer persönlichen, mentalen Krise. Viel Zeit, wenig Richtung. Und diese eine Konstante, die irgendwie immer funktioniert hat: ein gutes Glas Wein. Nicht als Flucht, sondern als Fokus. Als etwas, das mich zwingt, hinzuschmecken statt wegzudriften.

Keine Show, kein “Influencer”-Vibe

Ich habe mich lange dagegen gesträubt, meine Gedanken öffentlich zu teilen. Ich hatte (und habe) eine klare Abneigung gegen diese Art von Selbstdarstellung, bei der das Leben mehr online als offline stattfindet. “Influencer” war das Letzte, womit ich in Verbindung gebracht werden wollte. Und genau deshalb war mein Plan so simpel: keine Show. Kein “schaut mal her”. Nur Worte zu dem, was im Glas passiert und zu dem, was es in mir auslöst.

Bis dahin kannten das nur meine engen Freunde. Die hatten das “Vergnügen”, bei Koch- oder Spieleabenden meine manchmal etwas ausartenden Monologe über Riesling, Säurebögen, Reife, Herkunft und die Magie eines guten Jahrgangs zu ertragen. Instagram war dann plötzlich ein Ventil: ein Ort, an dem ich diese Mitteilungsfreude kanalisieren konnte. Ein eigener Blog erschien mir damals zu aufwändig. Also: Handy raus, Text rein, fertig. Startschuss im August 2020 – mit einem Post über die Mosel.

Es begann, wie so vieles, an der Mosel. Schon damals hat mich diese Region gepackt, und bis heute lässt sie mich nicht los.

Die Grundidee: Tagebuch statt Algorithmus

Von Anfang an war die Idee hinter The Art of Riesling die gleiche: ein persönliches Tagebuch. Notizen zu Weinen, die mich bewegen. Geschichten von Reisen. Begegnungen mit Menschen, die aus Trauben etwas machen, das größer ist als die Summe seiner Teile. Mir ging es nie darum, möglichst vielen zu gefallen. Ich habe meine Texte nie auf Likes getrimmt, nie auf maximale Teilbarkeit, nie auf “Algorithmuslogik”. Ehrlich gesagt: Das ist mir bis heute ziemlich egal. Ich habe damit auch Chancen auf schnelleres Wachstum liegen lassen. Ganz bewusst. Denn ich will mir dieses eine Gefühl bewahren: Dass das hier echt ist. Dass ich nichts schreibe, nur weil es “funktioniert”. Sondern weil ich es für richtig halte.

Und dann passierte etwas, das ich nicht geplant hatte: Zustimmung. Viel Zustimmung. Und zwar nicht nur von Freunden, sondern von Menschen, die professionell in der Weinwelt arbeiten. Diese Resonanz hat mich tief berührt. Es ist ein eigenartiges, fast demütiges Gefühl, wenn Fachleute, die ihr Leben dem Wein widmen, etwas in meinen Worten wiederfinden. Obwohl ich mich selbst bis heute eher als neugierigen Hobbytrinker sehe.

Die Menschen hinter den Flaschen

Der eigentliche Motor war aber ein anderer: Ich wollte die Menschen hinter den Flaschen kennenlernen. Also habe ich Anfang September 2020 eine E-Mail geschrieben – an Winzer von der Mosel, die mich damals begeistert haben. (Den Text dieser Mail habe ich übrigens bis heute abgespeichert.) Und sei es wie es will: Alle haben zugesagt. Das war der Moment, in dem aus “ich poste halt mal” plötzlich eine Reise wurde.

Riesling als erste Liebe

Am Anfang war mein Fokus sehr klar: Riesling. Vor allem frucht- und restsüße Weine von der Mosel. Meine erste echte Weinliebe. Dieses Zusammenspiel aus Süße, Säure, Spannung und Reife hat mich damals komplett gepackt. Ich wollte verstehen, warum mich das so berührt. Also habe ich mich tiefer reingearbeitet, irgendwann auch den WSET Level 3 gemacht. Das hat mir Sprache gegeben für das, was ich vorher nur gefühlt habe. Und mit jedem neuen Wissen kam auch mehr Neugier. Auf andere Regionen, andere Stile, andere Menschen. So wurde meine Weinwelt Stück für Stück größer.

Seit 2024 bin ich vermehrt in Europa unterwegs, besuche Winzer, probiere mich durch Regionen, lasse mich challengen. Nicht, weil Riesling mir langweilig geworden wäre. Im Gegenteil. Riesling bleibt für mich der Kern. Ich sage das ohne Pathos: Für mich ist es die spannendste Rebsorte der Welt. Aber je tiefer ich in Fine Wine eintauche, desto klarer wird mir: Herkunft ist ein universelles Thema. Und Exzellenz sowieso.

Wenn ich die letzten fünf Jahre in einem Satz zusammenfassen müsste, wäre es dieser: Ich bin wegen der Weine gekommen und wegen der Menschen geblieben.

Wein ist Entscheidung. Und genau das wollte ich verstehen

Ich durfte so viele schöne Momente erleben: in Weinbergen, in Kellern, an Küchentischen, in Verkostungsräumen, in Restaurants. Kilometer um Kilometer, Jahr um Jahr. Und immer wieder dieser gleiche Gedanke: Am Ende ist Wein Handwerk plus Entscheidung. Menschen entscheiden, wann gelesen wird. Wie streng selektiert wird. Ob der Keller eingreift oder nicht. Wie viel Geduld da ist. Wie viel Risiko. Wie viel Konsequenz. Und genau diese Gründe – warum es manchen besser gelingt als anderen – wollte ich verstehen. Das ist bis heute der Kern von The Art of Riesling: nicht nur “schmeckt gut”, sondern “warum schmeckt das so?”

Über Exzellenz und Freundschaften

Ich habe in dieser Zeit auch gemerkt, wie sehr mich Menschen faszinieren, die nach Exzellenz streben – unabhängig vom Beruf. In der Weinwelt trifft man davon erstaunlich viele. Und das Beste: Viele von ihnen sind nicht nur brillant, sondern auch herzlich, berührend, witzig, manchmal stur, manchmal leise, aber meistens authentisch. Über die Jahre sind daraus Freundschaften entstanden. Ich kann heute sagen, dass ich auf einige Weingüter nicht mehr als “Kunde” oder “Blogger” fahre, sondern zu Besuch bei Freunden. Das ist kein Badge, den ich mir anhefte. Das ist etwas, das passiert, wenn man nichts erzwingt. Und genau das ist vielleicht eine meiner größten Lektionen: Dinge finden ihren besten Weg, wenn man sie ehrlich wachsen lässt – nicht, wenn man sie erzwingen will.

1959er TBA bei Roman

Besondere Momente? Uff. Wo fängt man da an, wo hört man auf.

Einer, der sich mir eingebrannt hat, war mein zweiter Besuch bei Roman Niewodnizanski auf Van Volxem. Ein diesiger Herbstnachmittag, ich saß mit zwei Freundinnen in seinem neuen Verkostungsraum. Wir haben philosophiert, gelacht, probiert. Und dann greift Roman plötzlich zu einer dunklen Flasche ohne Etikett. Kein großes Theater. Einfach eingeschenkt. Der Wein im Glas war öl-schwarz, fast zähflüssig. Und dann dieser erste Kontakt am Gaumen… Das war wie Weihnachten, Silvester und Geburtstag gleichzeitig. Ein Feuerwerk aus Dichte, Intensität, Tiefe. Und trotzdem: darüber eine Finesse, eine Leichtigkeit, die ich bis dahin so nicht kannte. Es war eine 1959er TBA aus dem Scharzhofberg von Egon Müller. Ein Moment, der meinen Horizont für Fine Wine auf eine neue Höhe geschoben hat. Nicht, weil der Wein teuer war. Sondern weil es dieser eine, fast magische Moment war, in dem alles passte. Der Moment, in dem Zeit, Ort und Gefühl kurz stillstanden, einmalig war. Unwiederholbar.

Von diesen Momenten gab es über die Jahre mehr, als ich hier aufzählen könnte. Nicht jeder Moment war so spektakulär wie eine 1959er TBA, aber viele waren auf ihre Art genauso wichtig. Ein spontanes Gespräch mit Jan Raumland im Weinberg, der mir mehr über Weinbau beibrachte als meine WSET Lehrbücher. Eine Flasche, die du mit den richtigen Leuten zur richtigen Zeit öffnest und plötzlich merkst: Genau deshalb macht man das.

Was habe ich gelernt?

Demut. Vor der Natur. Vor der Arbeit. Vor dem Endprodukt. Vor allem vor den Menschen in der zweiten Reihe: den Mitarbeitern, die bis spät in die Nacht Kellerarbeit machen, die draußen stehen, wenn andere längst im Warmen sind, die Details retten, die später niemand in den Verkostungsnotizen liest, aber jeder schmeckt. Und ich habe gelernt, dass eine Flasche Wein ein Zeitzeugnis sein kann. Ein eingefangener Moment. Wenn wir ihn Jahre später öffnen, ist das nicht reproduzierbar. Man kann es nicht “nochmal machen”. Genau das macht Fine Wine für mich so besonders: Es ist nicht nur Genuss, es ist Erfahrung. Und manchmal sogar Erinnerung.

Und jetzt? Wie geht’s weiter?

Vor allem so, dass ich mir treu bleibe: unabhängig, neugierig, ohne Krampf. “Go with the flow” ist für mich eine bewusste Entscheidung gegen das künstliche Hochdrehen. Ich will weiterhin reisen, neue Regionen erleben, neue Menschen kennenlernen. Der Fokus wird sich in den nächsten Jahren stärker öffnen: weg von reinem Riesling-Content hin zu Fine Wine weltweit, aber mit Riesling als Leitmotiv. Und ich will Dinge sauberer strukturieren. Nicht, weil ich “größer” werden muss, sondern weil ich merke, dass meine Inhalte inzwischen ein eigenes System verdienen.

Ab 2026 werde ich The Art of Riesling deshalb klarer aufstellen: nicht drei Einzelkanäle, die nebeneinander laufen, sondern ein Kreislauf, der sich gegenseitig füttert.

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Danke

Wenn ich auf diese fünf Jahre schaue, dann sehe ich nicht nur Flaschen. Ich sehe Straßen. Bahnfahrten. Regenjacken im Weinberg. Unzählige Sprachnachrichten nach Verkostungen. Notizbücher. Und Gespräche, die bei mir hängen geblieben sind. Ich sehe, wie aus einem “Ich schreib das mal für mich” langsam etwas geworden ist, das auch für andere funktioniert.

Und dafür kann ich am Ende nur eins sagen: Danke.
Danke fürs Lesen. Fürs Diskutieren. Fürs Widersprechen. Für offene Flaschen, offene Fragen, offene Gedanken.
In einer Weinwelt, die manchmal mehr Look als Substanz feiert, ist genau das für mich das beste Korrektiv.

Fünf Jahre The Art of Riesling – das fühlt sich für mich nicht nach Ende an. Eher wie ein kurzer Atemzug, bevor es weitergeht. Ein Moment, um kurz zurückzuschauen, dankbar zu sein und dann mit noch mehr Klarheit, Neugier und Leidenschaft den nächsten Satz zu schreiben. Bleibt also dran. Das Beste kommt noch.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Lieber Max
    Trinken kann jeder aber genießen das geht am Besten mit deinen tollen Hintergrund Kommentaren.
    Wir folgen dir mit Begeisterung und freuen uns auf jeden neuen Post von dir.
    Bitte genau so weitermachen.
    Burgi und Peter

    Antworten
    • Liebe Burgi, lieber Peter,

      vielen Dank euch beiden für diese schönen Worte! Das freut mich wirklich sehr. Genau dafür mache ich das. Schön, dass ihr die Reise mitgeht. Auf die nächsten Geschichten und Gläser.

      Herzliche Grüße
      Max

      Antworten

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