Ich hatte keine große Vorstellung, als ich an diesem Sommertag nach Ihringen gefahren bin. Kaiserstuhl, klar – Hitze, Terrassen, ein bisschen Drama in den Hängen. Aber was ich eigentlich dachte: Lagentour, ein paar Weine probieren. So ein klassischer Besuch eben. Und dann stand da Rebecca Heger vor mir. Nicht „die Winzerin“, nicht „die Juniorchefin“, einfach Rebecca. Ruhig, aufmerksam, interessiert – aber ohne diesen Winzer-Aktionismus, den man manchmal erlebt. Sie hat mich nicht durch die Lagen geführt, um etwas zu beweisen, sondern um mir zu zeigen, wie sie den Kaiserstuhl, sieht. Und das hat alles verändert. Ich kam mit einem gefestigten Bild der Weine von Heger und ging mit einem neuen Verständnis.

Max Kaindl, 08. Dezember 2025
Lesezeit etwa 5 Minuten

Dr. Heger – Wandel am Kaiserstuhl

Mein erster Besuch am Kaiserstuhl

Wir liefen los. Keine großen Ansagen, kein „Wir sind das und das Weingut“. Eher kleine Beobachtungen: wie sich der Wind dreht, welche Mauer am Nachmittag früher aufheizt, warum eine Parzelle fünf Meter weiter plötzlich ganz anders reagiert. Ich merkte schnell: Hier steht jemand, der den Kaiserstuhl nicht „beherrscht“, sondern mit ihm lebt. Es klingt banal, aber das war für mich der Moment, in dem ich verstanden habe, warum der Stil der Weine der Hegers gerade so spürbar in Bewegung ist.

Der Kaiserstuhl – nicht das, was man immer erzählt

Von außen ist es leicht, den Kaiserstuhl auf das Vulkangestein und die Hitze zu reduzieren. Aber wenn du mit jemandem dort stehst, der jeden Stein kennt, merkst du erst, wie viele kleine Unterschiede diesen Berg ausmachen. Für mich war das beeindruckend, weil es so unspektakulär war. Kein großes Klimastorytelling, keine Schlagworte. Rebecca und ihrer Schwester Katharina geht es nicht darum, dem Kaiserstuhl etwas abzugewöhnen. Sondern darum, die lauten Stellen leiser zu machen und die leisen Stellen stärker hervorzuholen.

Die beiden Schwestern – leise Veränderung, aber mit klarer Richtung

Was mich an diesem Tag am meisten beschäftigt hat, war die Art, wie Rebecca über sich, die Zusammenarbeit mit ihrer Schwester Katharina und ihren Eltern spricht. Da ist kein Konflikt „alt vs. neu“, kein Bedürfnis, sich abzugrenzen. Eher ein tiefer Respekt vor dem, was Joachim und Silvia Heger aufgebaut haben – und gleichzeitig ein Selbstverständnis, dass heute andere Entscheidungen richtig sind.

Sie wollen die Weine feiner machen. Das sagt sich leicht, aber in einem Gebiet wie dem Kaiserstuhl ist das ein richtig großes Wort. Und doch meinte sie das völlig unaufgeregt. Nicht als Vision, sondern als tägliche Arbeit.

  • Feiner im Tannin.
  • Feiner in der Aromatik.
  • Feiner im Umgang mit Holz.
  • Feiner im Timing der Lese.
  • Feiner in der Zeit, die die Weine bekommen.

Ich hatte das Gefühl, sie will keine Revolution – sie will einen Gedanken weiterführen, der vielleicht schon immer da war, aber erst jetzt durch Klima und Zeit wirklich Sinn ergibt.

Das Weingut

Bei all dem darf man eines nicht vergessen: Dr. Heger ist kein junges Projekt, das bei Null gestartet ist. Das Haus hat Geschichte – und zwar eine, die man sofort spürt, wenn man im Hof steht.

1935 hat der Landarzt Dr. Max Heger das Weingut gegründet. Aus heutiger Sicht fast romantisch: ein Arzt, der sich in die besten Lagen des Ortes verliebt und anfängt, ernsthaft Wein zu machen. Sein Sohn Wolfgang hat das Ganze in den 60ern dahin geführt, wo der Name Heger heute steht: an die Spitze der Region.

Silvia und Joachim, Geisenheim-Absolvent, langjähriger Vorsitzender des VDP Baden, haben daraus dann das gemacht, was viele kennen: ein Referenzbetrieb für Spätburgunder und Burgundersorten am Kaiserstuhl. Was ich an diesem Tag stark fand: Man spürt, dass Joachim und Silvia nicht „abgeben müssen“, sondern bewusst Platz machen. Nicht, weil sie müde wären, sondern weil sie wissen, dass die nächsten Schritte andere Entscheidungen brauchen.

Rebecca ist 2020 eingestiegen, Katharina 2021. Und seitdem verändert sich etwas. (Noch) Nicht im Logo, nicht im Auftritt, sondern im Inneren: im Stil, in den Details der Weinbergsarbeit, im Umgang mit den Lagen. Die Reben stehen fast ausschließlich in großen Lagen wenn auch mit kompliziert klingenden Namen: Ihringer Winklerberg, Achkarrer Schlossberg, inklusive dieser kleinen Nischen wie Gras im Ofen. Vulkanverwitterung mit Löss- oder Lösslehmbedeckung, Terrassen, Steillagen, Handarbeit. Auf dem Papier liest sich das wie Lehrbuch, vor Ort merkst du: Das ist ein Betrieb, der seine Toplagen nicht als Trophäen versteht, sondern als Verantwortung.

Was mir gefallen hat

Es gibt hier keinen Kult um das eigene Ego. Keine Geschichten, wie hart alles ist, um Mitleid zu erzeugen. Eher ein stilles Selbstverständnis für die Verantwortung diese diese großen Lagen mit sich bringen. Viele sagen immer: „Der Winzer kann nur so groß sein wie seine Lage“. Für mich gilt das aber auch andersherum. Eine große Lage ist nur groß, weil es Winzer gibt, die aus ihrem Grundpotenzial große Weine vinifizieren. Die Hegers gehören für mich zu eben jenen großen Winzern, die das mit einer Konsistenz über Jahrzehnte bewiesen haben. Ein Weingut, das sich traut, sich zu verändern, ohne zu verleugnen, woher es kommt.

Die Lagen

Ich könnte jetzt jede Lage beschreiben mit ihren Neigungen, Böden, Expositionen. Aber ehrlich: Dafür empfehle ich die lesenswerte Seite des VDP „VDP.Weinberge“. Hier hat sich der Verband mit Erfolg große Mühe gemacht, um die großen Lagen der Regionen im Detail zu erklären. Außerdem war das an diesem Tag alles gar nicht der Punkt. Der Punkt war, wie Rebecca über die Lagen gesprochen hat.

Der Kaiserstuhl wirkte an diesem Tag auf mich weniger wie ein spektakulärer Vulkanberg – und mehr wie ein lebendes System, auf das man hören muss, wenn man wirklich gute Weine mit Charakter vinifizieren will.

Die Weine – so habe ich sie an diesem Tag verstanden

Wir haben nur die Rotweine geschafft, aber das reichte, um zu verstehen, wie weit der Weg der beiden schon ist. Eines Vorweg. Um ehrlich zu sein: Mir hat der „alte“ Stil von Heger nicht sonderlich gefallen. Oftmals war mir das zu sehr vom Holz geprägt, etwas mürbe im Tannin, etwas gekocht in der Frucht. Klar, qualitativ konnte ich das immer wertschätzen, jedoch hat mir die Stilistik nicht sonderlich zugesagt. Diesen Eindruck musste ich (zum Glück) nach diesem tag deutlich revidieren.

Anmerkung: Ich beschreibe die Weine hier bewusst nicht nach rein organoleptischen Kriterien. Dafür könnt ihr Parker und Co. lesen. Vielmehr möchte ich meine spontanen Gedanken zu den Weinen teilen.

Meine Tasting Notizen

Ihringer Spätburgunder 2020

Ein Blick zurück. Dunkler, würziger, etwas ungebürstet. Aber ehrlich. Ein Wein, der zeigt, woher man kommt.

Mimus 2019

Noch dichter, klassischer. Mehr Tannin, mehr Reife. Ein Jahrgang, der den alten Stil verkörpert – aber gut gemacht.

Breisacher Eckartsberg 1G 2021

Kühl, leise, präzise. Sicherlich nicht der Dichteste – das ist wohl dem feucht-nassen Jahrgang geschuldet. Einer dieser Weine, die sich nicht aufdrängen, aber in Erinnerung bleiben.

Vorderer Winklerberg GG 2023

Feine helle Frucht, großartige Balance, dicht ohne schwer zu sein. Ein Wein, der zeigt, dass die neue Richtung funktioniert.

Rappenecker GG 2023

Etwas mehr Zug, etwas mehr Würze als der Vorderer Winklerberg GG. Sehr stimmig, sehr präzise.

Häusleboden GG 2023

Mein Moment des Tages. Kühl, sehr präzise, feingliedrige Struktur, vibrierend. Ein Wein, der alles einfängt, was Rebecca mir vorher gezeigt hat.

Schlossberg GG 2023

Mehr Holz, mehr Tiefe. Braucht Zeit. Aber der Kern ist sauber und gut balanciert.

Syrah 2018

Warm, würzig, rauchig. Ein Wein, der zeigt, dass Syrah hier mehr kann, als man denkt. Beeindruckend. Ich hätte nicht gedacht, dass man so seriösen Syrah in Deutschland vinifizieren kann. Muss sich nicht vor der Côte-Rôtie verstecken.

Was ich mitgenommen habe

Dass Veränderung nicht laut sein muss. Dass der Kaiserstuhl viel komplexer ist, als man glaubt, wenn man nur über Sonnenstunden spricht. Dass zwei Schwestern ein großes Weingut neu denken können, ohne ihre Eltern zu verdrängen. Und ganz simpel: Dass ich unbedingt wieder hinmuss – schon allein, weil ich die Weißweine verpasst habe. Und weil ich eines an diesem Tag gelernt habe: Mein Bild zu den Hegerschen Weinen war definitiv veraltet.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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