In meiner Rubrik „Wenn Wein eine Person wäre“ wird jeder Wein zu einem lebendigen Charakter. Die Idee dahinter? Weine auf eine spielerische, aber tiefgründige Art erleben. Heute im Rampenlicht: der Champagner Prémice von Jules Brochet aus der Champagne.

Max Kaindl, 17. August 2025
Lesezeit etwa 3 Minuten

Champagne Jules Brochet Prémice Extra Brut

Ich bin ehrlich – bei Hype-Weinen bin ich meistens erstmal skeptisch. Zu oft ist die Geschichte drumherum lauter als das, was im Glas passiert. Beim Prémice von Jules Brochet war das anders. Plötzlich war da dieser Moment, in dem alles stimmte. Der Wein hatte Präsenz, ohne laut zu sein. Charakter, ohne Drama. Und in meinem Kopf wurde er sofort zu einer Person.

Er ist der Typ Mann, der einen Raum betritt und nicht die Blicke sucht – aber sie trotzdem bekommt. Nicht, weil er auffällt, sondern weil er da ist. Still. Breit gebaut. Ohne eine Sekunde lang unsicher zu wirken. Seine Präsenz ist klar, fokussiert, aber nie angestrengt. Einer, der sich nicht erklären muss. Und trotzdem hast du das Gefühl, du willst ihn besser kennenlernen.

Er riecht nach Mandarine und Gewürzen, nach geröstetem Sesam, roten Äpfeln und einer Ahnung von Walnuss. Irgendwas zwischen Teestube und Werkstatt. Eine Kombination, die eigentlich nicht funktionieren dürfte – aber bei ihm wirkt sie völlig natürlich. Du merkst: Dieser Typ ist nicht gemacht, der ist so. Authentisch bis in die Fingerspitzen.

Am Gaumen ist er kraftvoll – aber nicht mit lautem Getöse, sondern mit Tiefe. Da ist etwas Muskulöses, aber kein Angeberkörbchen. Eher wie ein Typ, der jeden Tag hart arbeitet, aber nie ein Wort darüber verliert. Ein Händedruck mit Substanz. Kein Schnick­schnack. Dafür Textur, Saft, ein feinperliges Mousseux – wie sein Blick: direkt, wach, mit einem Lächeln, das nur kurz aufflackert, aber lang nachhallt.

Und ja, er hat auch diese leichte Patina. Etwas Reifes, Abgeklärtes, das ihn nicht alt, sondern erfahren wirken lässt. Man spürt, dass er schon ein paar Winter gesehen hat – nicht in Luxus, sondern in ehrlicher Handarbeit. Kein Champagner für Blender, sondern für Menschen, die Tiefe suchen. Für Gespräche, die nach dem zweiten Glas besser werden.

Der Prémice ist ein Einstieg in die Welt von Jules Brochet, heißt es. Aber ehrlich? Wenn das der Einstieg ist, will ich gar nicht wissen, wie der Hauptteil aussieht. Denn dieser Champagner ist kein warm-up. Er steht für sich. Konzentriert, elegant, und dabei so selbstverständlich, wie jemand, der nie dazugehört hat – und gerade deshalb nie wegzudenken ist.

Wenn er eine Person wäre, dann jemand, der früh gelernt hat, für sich selbst zu sorgen. Der seinen Weg geht, auch wenn keiner mitgeht. Der nicht gefallen will – und genau deshalb gefällt. Einer, der die Götter vielleicht nicht braucht. Aber wenn sie da wären, würden sie mit ihm trinken. Und still nicken.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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