In meiner Rubrik „Wenn Wein eine Person wäre“ wird jeder Wein zu einem lebendigen Charakter. Die Idee dahinter? Weine auf eine spielerische, aber tiefgründige Art erleben. Heute im Rampenlicht: der Marguerite Folle Blanche 2020 von Domaine de l’Ecu von der Loire.

Max Kaindl, 03. August 2025
Lesezeit etwa 3 Minuten

Domaine de l’Ecu:
Marguerite Folle Blanche 2020

Es gibt Menschen, die du triffst – und sofort weißt du: Die sind anders. Nicht schrill, nicht laut, nicht auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Sondern echt. Direkt. Und irgendwie geerdet. Genau so war es, als ich zum ersten Mal den Marguerite Folle Blanche 2020 von Domaine de l’Ecu probiert habe. Ich musste nicht lange überlegen – dieser Wein hat sofort ein Gesicht bekommen.

Er ist der Typ Mensch, der barfuß durch feuchten Sand läuft, während der Morgennebel noch über dem Meer hängt. Seine Haare sind zerzaust vom Wind, die Haut vom Salz gegerbt, und wenn du ihm begegnest, wirkt es, als hätte er gerade erst mit dem Meer gesprochen – oder mit den Sternen. Kein Großstadtmensch. Kein Blender. Sondern einer, der das Leben draußen lebt – in der Natur, mit ihr, nicht gegen sie.

Der erste Schluck? Wie ein Gespräch mit genau diesem Typen. Du erwartest nichts Großes, und dann haut er dich mit seiner Klarheit um. Da ist diese salzige, jodige Frische – fast wie eine steife Brise direkt vom Atlantik. Dazu der Duft von Zitrus, wilden Kräutern, und irgendwo im Hintergrund ein Hauch von Seetang, der dich nicht stört, sondern neugierig macht. Er ist wach, lebendig, scharf umrissen. Kein Wein zum Kuscheln – eher einer, der dich rauslockt, dir sagt: Komm, wir gehen ans Meer.

Und während du mit ihm redest – oder eben weiter trinkst – merkst du: Der hat Substanz. Nicht weil er laut ist, sondern weil er Tiefe hat. Der Marguerite ist klar wie Quellwasser und doch komplex – wie jemand, der die Dinge beim Namen nennt, aber immer mit Respekt, immer mit einem Augenzwinkern. Sein Charakter? Nichts für Leute, die Fruchtbomben suchen. Sondern für jene, die spüren wollen, woher ein Wein kommt – und warum er genau so schmeckt, wie er schmeckt.

Mich hat er an jemanden erinnert, der keine Kompromisse macht. Der weiß, wo er hingehört. Der sein Leben nicht in Meetings verbringt, sondern auf Feldern, mit Erde an den Händen. Vielleicht Fischer. Vielleicht Gärtner. Ganz sicher kein Typ für Small Talk – aber einer, mit dem du stundenlang schweigen kannst, weil selbst das etwas bedeutet.

Und genau das macht diesen Wein so besonders. Der Marguerite will dir nichts vorspielen. Kein Make-up, kein Schnickschnack. Nur pure Energie – aus der Erde, vom Meer, durch die Hände eines Winzers, der seinen ganz eigenen Weg geht.

Ein Wein wie dieser Mann: rau, ehrlich, voller Leben. Und wenn du bereit bist, dich auf ihn einzulassen, wird er dich nicht loslassen. Versprochen.

Bilder: © The Art of Riesling – Maximilian Kaindl

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