Mainz. Rheingoldhalle. Zwei Tage, über 180 Weingüter, hunderte Besucher – und ein Jahrgang, der es in sich hat. Die 51. VDP Mainzer Weinbörse war keine Veranstaltung für Schönwettertrinker oder Phraseendrescher. Es war eine Bühne für echte Handwerkskunst. Für die, die wissen, was Reben brauchen – und was sie aushalten können.
Max Kaindl, 5. Mai 2025
Lesezeit etwa 5 Minuten
VDP Mainzer Weinbörse 2025:
Zwischen Präzision, Pilzdruck und Printemps-Vision

Jahrgang 2024: Kein Jahr für Zauderer
2024 war eines dieser Jahre, die man nicht vergisst – selbst wenn man möchte. Frühstart durch milden Winter, Frostschock im April, Feuchtdruck im Sommer und dann ein Herbst, der sich lieber im Regenmantel als im Goldton zeigte. Kurz: ein Jahr der Extreme. Besonders für die Biobetriebe war’s ein Martyrium. Bis zu 15-mal spritzen? Klingt nach Pflanzenschutz im Akkord – und war es auch. Wer da nicht exakt, sauber und mit Weitblick arbeitete, dem flossen keine klaren Rieslinge in den Keller, sondern konturlose Flüssigkeiten mit Herkunft „Irgendwo, aber egal“.
Und dennoch: Wer’s konnte, lieferte ab.
Weißweine 2024 – Zwischen Säurespiel und Winzerhand
Auf der Mainzer Weinbörse 2025 zeigte sich: 2024 ist nicht der lautstarke Charmeur wie 2023. Sondern ein stiller Stratege mit langem Atem. Säurebetont, aber fein – deutlich präziser als das oft unreife 2021er Pendant. Der Jahrgang sortiert. Trennt Spreu von Weizen. Wer sauber selektierte, wer Geduld hatte, wer Risiko ging, konnte Weine mit Klarheit, Spannung und Tiefe auf die Flasche bringen. Wer patzte, lieferte austauschbares Mittelmaß. Mein Tipp: Besonders im feinherben und fruchtsüßen Segment haben einige echte Glücksgriffe hingelegt. Genau da spielt 2024 seine Stärken aus.












Rotweine 2023 – Kraft mit Kante
Ein paar Tische weiter: der 2023er Rotwein-Jahrgang. Und ja, auch wenn er medial vom Fokus auf 2022 überschattet wurde, war da viel Gutes im Glas. Oft wärmer als, nicht so saftig und balanciert wie 2022, dafür mit Dichte und Grip. Ich habe tolle Spätburgunder aus der Pfalz, Franken, dem Ahrtal und aus Baden probiert, die mich mit ihrer Balance und Struktur überrascht haben. Kein Jahrgang zum Prahlen, aber definitiv einer, der seriöse Rotweine mit Dichte und Schliff hervorbringen kann.















Die Stimmung? Gelöster als gedacht.
Trotz Preisdruck, Inflation, Konsumflaute und Trumps Zolltheater: Die Stimmung in Mainz war erstaunlich gelassen. Kein Schulterzucken, sondern Schulterklopfen. Kein Lamentieren, sondern Austausch auf Augenhöhe. Vielleicht, weil man sich der Lage bewusst ist – und trotzdem nach vorne schaut. Vielleicht, weil man sich genau in solchen Momenten an die Stärken erinnert, die den VDP ausmachen: Herkunft. Handwerk. Haltung. Mir hat diese Stimmung jedenfalls gefallen. Denn nur vorwärtsgewandtes Denken kann zum langfristigen Erfolg führen.
VINVIN züngelt, die Weinbörse bleibt kühl
Was mir dieses Jahr besonders aufgefallen ist: Der Spirit bei VINVIN – der Messe der rheinhessischen, Pfälzer, Nahe und Ahr Herkunftswinzer, die am Samstag vor der Weinbörse ebenfalls in Mainz stattfand – war elektrisierend. Jung, laut, klar in der Botschaft. Mainz kann eben auch zu einer Art Printemps des Champagnes werden – aber wir müssen endlich aufhören, parallel nebeneinanderher zu planen. Sektbörse, Weinbörse, Biodynamik-Veranstaltung, VINVIN: Allesamt großartige Formate, aber sie brauchen dringend mehr Verzahnung. Wer einmal die Printemps des Champagnes in Reims und Épernay erlebt hat, weiß: Frankreich macht’s vor. Tagsüber konzentriert verkosten, abends gemeinsam feiern. Richtig feiern. Nicht müde. Nicht verhalten. Sondern mit DJ, mit Live-Atmosphäre, mit Energie.
Die Mainzer Weinbörse 2025 dagegen? Wichtig, fachlich stark, aber atmosphärisch ausbaufähig. Die Rheingoldhalle ist funktional – mehr leider auch nicht. Wo VINVIN vor Leidenschaft vibrierte, wirkte die Weinbörse oft wie ein Pflichttermin. Das wird dem Format nicht gerecht.









Wirtschaftlich? Klarer Kurs in bewegten Zeiten
Der Absatz der VDP Betriebe, sowie auch der gesamten Branche, ist rückläufig – 10 % weniger Flaschen als im Vorjahr. Aber: Die Umsätze haben sich weitgehend gehalten, nur minus 3 %. Das spricht für stabile Preisstrategien der VDP Betriebe. Der Ab-Hof-Verkauf bleibt das Rückgrat, der Online-Absatz wächst, Fachhandel und Gastronomie bleiben solide, wenn auch unter Druck. Export? Durchwachsen. 42 % der Betriebe mit Rückgängen, aber 28 % konnten zulegen. Besonders in Skandinavien, den USA und Osteuropa bleibt das Adler-Symbol gefragt. Und: 2024 war mengenmäßig das kleinste Jahr seit 2010 – das bedeutet: viele Weine werden schnell knapp, besonders bei Spitzenlagen.
Mein Fazit?
2024 ist ein Jahrgang der Winzer. Kein Blockbuster-Jahr, aber ein Jahr mit Charakter, Ecken, Kanten – und viel Potenzial für jene, die sauber, präzise und mit klarem Stil arbeiten. Viele gute, einige sehr gute, wenige wirklich große Weine. Aber eben auch keine Massenware. Und genau das macht ihn spannend. Kaufempfehlung? Umsichtig auswählen. Die GGs und Highlights werden wohl auch im Herbst noch gut trotz teils kleiner Mengen verfügbar sein.
Die Weinbörse? Bleibt ein Muss. Aber ich wünsche mir mehr Mut, mehr Atmosphäre, mehr Emotion. Mainz hat das Potenzial zum deutschen Reims – wir müssen es nur endlich ernst meinen. VINVIN hat gezeigt, was geht. Jetzt ist der VDP am Zug. Denn der Weg, an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen die wichtigsten und bedeutendsten Winzer des Landes an einen Ort zu bringen, ist genial. Aber nur dann, wenn die einzelnen Veranstalter und Organisationen sich auch wirklich abstimmen, miteinander sprechen, gemeinsam denken. Dann – und nur dann – kann Mainz zur Hauptstadt des deutschen Weins werden.
In Reims sperrt man abends ganze Straßenzüge, damit Menschen feiern können. Winzer bringen große Flaschen mit. Es wird gemeinsam verkostet, getanzt, gelacht. Warum geht das nicht auch in Mainz? Denn der deutsche Wein hat es verdient, nicht nur verkostet, sondern auch gefeiert zu werden. Richtig gefeiert.













